Das Anwesen des Hauses Silversword lag im Herzen einer kleinen Stadt namens North Pine Town, südlich von Vale.
Bevor der Baron Herrscher der Stadt wurde, war es nur ein kleines Dorf mit ein paar Dutzend Familien, die von der Landwirtschaft und der Jagd auf Wildtiere lebten.
Erst mit der Gründung des Hauses Silversword entwickelte sich dieser Ort zu einer Stadt und erlangte einen gewissen Wohlstand.
Heute hat North Pine Town über sechstausend Einwohner.
Als Alarics Gruppe den zentralen Platz der Stadt passierte, trafen sie auf einige Einwohner, die sie begeistert begrüßten.
Diese Leute respektierten den Baron und das Haus Silversword. Sie glaubten, dass North Pine Town nur dank der Anwesenheit des Barons und seines Hauses zu dem geworden war, was es heute war.
Auf die begeisterten Grüße der Einwohner reagierte Alaric nur mit einem Lächeln und winkte ihnen zu.
Sie hatten es eilig und blieben nicht in der Stadt, um sich mit den Einwohnern zu unterhalten.
Etwa tausend Meter außerhalb von North Pine Town lag der Evergreen Forest. Es war ein Wald voller hoher, immergrüner Bäume, die hoch über den Boden ragten.
Alaric und die Ritter kannten den Wald gut, da er ihr Jagdrevier war.
Unterwegs sagte niemand ein Wort, und als sie den Wald betraten, wurden ihre Gesichter immer ernster.
Dünne Sonnenstrahlen drangen durch das dichte Laubwerk und tauchten den Wald in ein überirdisches Licht.
Von hier aus musste die Gruppe einem schmalen Pfad folgen, der gerade breit genug für eine Kutsche war. Dieser Pfad war eine Abkürzung, die zur Ostseite von Vale führte. Da er nur selten benutzt wurde, war der Weg holprig.
Für die trainierten Pferde war dieser holprige Weg jedoch ein Kinderspiel und bereitete ihnen keinerlei Probleme.
Der Grund, warum dieser Weg so selten benutzt wurde, war die Anwesenheit von Monstern. Diese Kreaturen waren besser auf Mana eingestellt als normale wilde Tiere und daher viel mächtiger.
Wegen dieser Kreaturen wagten sich nur wenige mutige Einwohner und Gruppen von Jägern von Zeit zu Zeit hierher.
Wenn man diesem schmalen Pfad folgte, hörte man bald das heftige Plätschern eines nahe gelegenen Flusses. Es war die wichtigste Süßwasserquelle in North Pine Town, ein mittelgroßer Fluss namens Butterfly Creek.
Dieser Fluss war mit einem riesigen See namens Silent Lake verbunden, der weiter östlich des Evergreen Forest lag.
Alarics Gruppe musste den Rand dieses Sees passieren.
Hier mussten sie vorsichtig sein, da der See von mächtigen Raubtieren wie dem Eisenrückenkrokodil und der Goldfleckigen Weißen Anakonda bewohnt war. Beide Monster hatten im ausgewachsenen Zustand die tödliche Stufe erreicht.
Das Gute war, dass sie Menschen nur selten angriffen, da sie sich meist im See aufhielten.
Mit einem erfahrenen Ritter wie Henry an der Spitze der Gruppe begegneten sie keinem der genannten Monster, als sie am Seeufer entlanggingen.
Als sie die Red Toad Gorge erreichten, waren zwei Stunden vergangen und der Himmel hatte sich bereits purpurrot gefärbt, da die Sonne kurz vor dem Untergang stand.
„Wir sind da, mein Herr“, berichtete Henry, während er den flachen Bach zwischen den steilen, felsigen Hügeln beobachtete.
Alaric nickte mit dem Kopf und verspürte eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude auf das, was sie in der Höhle finden würden. Selbst jetzt war er sich noch unsicher, was sich in dieser Höhle befand.
Gab es dort wirklich Drachenfarn?
Wenn nicht, würde er enttäuscht sein.
Er verdrängte die Gedanken aus seinem Kopf. „Los geht’s. Die Höhle befindet sich am Ende der Schlucht.“
Henry nickte, drückte die Beine gegen die Flanken seines Pferdes und trieb es voran.
Dicht hinter ihm folgten Alaric und Galanar, während Rigor und Aldrin die Nachhut bildeten und mit der dominanten Hand am Griff ihrer Waffen die Umgebung vorsichtig beobachteten. Sollten sie irgendeine Gefahr wittern, waren sie bereit, Alaric zu decken und ihn vor Schaden zu bewahren.
Das Geräusch der Pferdehufe, die auf den flachen Bach traten, war das einzige Geräusch, das sie hören konnten.
Die Umgebung war unheimlich still, was die Gruppe etwas nervös machte.
In diesem Moment durchbrach plötzlich das Brüllen einer Bestie die Stille.
Alaric und die Ritter drehten gleichzeitig ihre Köpfe in die gleiche Richtung.
Das laute Brüllen kam vom Ende der Schlucht.
„Es muss aus der Höhle kommen!“, rief Aldrin mit ernster Miene.
Dieser tierische Schrei ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. Sein Instinkt sagte ihm, dass es sich, was auch immer es war, definitiv nicht um ein gewöhnliches Wesen handelte.
„Mein Herr, ich glaube, das Monster in der Höhle ist keine gewöhnliche Bestie der Todesstufe“, bemerkte Henry mit grimmigem Blick, nachdem er das Brüllen der Bestie gehört hatte.
Alaric nickte.
Den Gerüchten zufolge, die er aus seinem früheren Leben gehört hatte, handelte es sich bei dem Tier in der Höhle um einen Stachelgrizzlybären. Das war ein wildes Tier, das größer war als ein normaler Bär und scharfe Stacheln auf dem Rücken hatte.
„Das klingt wie der Schrei eines Stachelgrizzlybären“, sagte Rigor plötzlich mit gerunzelter Stirn.
Alaric war etwas überrascht, als er das hörte. Er konnte das Monster tatsächlich anhand seines Geräusches identifizieren.
„Wieso bist du dir so sicher, Sir Rigor?“, fragte Aldrin.
Rigor schüttelte den Kopf. Ein düsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht, als hätte er sich an eine dunkle Vergangenheit erinnert. „Ich bin ihnen ein paar Mal begegnet, als ich noch Söldner war.“
Als Aldrin den Ausdruck des ehemaligen Söldners sah, fragte er nicht weiter. Selbst Henry, der sonst immer mit ihm scherzte, sagte nichts.
„Rigor hat recht. In dieser Höhle ist ein Stachelgrizzly. Ich bin mir nur nicht sicher, wie viele es sind“, bestätigte Alaric.
Sobald sie Alarics Bestätigung hörten, breitete sich eine düstere Stimmung unter ihnen aus.
Stachelgrizzlys waren schwer zu bekämpfen. Sie hatten eine dicke Haut, die für Klingen fast undurchdringlich war. Außerdem verfügten sie über eine überwältigende Körperkraft, mit der sie sogar einen Ritter zerreißen konnten!
Das Furchterregendste an diesen Kreaturen waren jedoch die scharfen Stacheln auf ihrem Rücken.
Henry drehte seinen Kopf zu Galanar und fragte mit ernster Stimme: „Sir Galanar, kannst du mit einem erwachsenen Stachelgrizzlybären fertig werden?“
Alle schauten zu der großen Gestalt. Er war der einzige Elite-Ritter in der Gruppe, also mussten sie sich auf ihn verlassen, um sich um das Monster zu kümmern.
Galanar blieb ruhig, während alle ihn genau beobachteten, und nickte. „Wenn es nur einer ist, ist das kein Problem für mich.“
Die Ritter waren erleichtert über seine Worte. Sie waren froh, dass Alaric Galanar mit auf diese Reise genommen hatte. Alleine wären sie machtlos gewesen.
Selbst ein erfahrener Ritter wie Henry traute sich nicht, gegen eine Kreatur wie den Stachelbären zu kämpfen.
„Haltet von jetzt an die Augen offen“, ermahnte Alaric sie.
„Ja, mein Herr!“
