Dritte Person
„Dieser Kontinent … hat eine Wunde. Die Nihilität breitet sich hier aus. Ihre Sekten werden immer dreister.
Es gab einen Grund, warum ich die Kutsche von diesem Weg weggeführt habe.“
Ethans Augen weiteten sich leicht, aber er blieb ruhig, obwohl seine Worte viele unausgesprochene Bedeutungen hatten.
„Was meinst du damit?“
Eine bedrückende Stille legte sich über das Tal und fühlte sich schwer und beklemmend an. Der Blutsklave stand regungslos da, während seine blutroten Augen unter seiner Kapuze schwach flackerten.
„Ausbildung …“
Ethan runzelte die Stirn.
„Was?“
„All das war Teil deiner Ausbildung … für das, was dich und die kleine Herrin im Abgrundheiligtum erwartet.“
Ethan antwortete nicht sofort. Sein Blick wurde abwesend, während er über diese Worte nachdachte. Er war nicht so unreif, dass er der kleinen Herzogin wegen etwas so Belanglosem böse sein konnte.
Wenn diese Tortur als Training inszeniert worden war, dann hatte sie zweifellos ihren Zweck erfüllt.
Nicht nur hatten er und die Mädchen ihre Erfahrung im echten Kampf erweitert, sie waren auch stärker geworden, sowohl in ihrer Koordination als auch in ihrer individuellen Kraft.
Auch ihre Verbundenheit war im Kampf auf die Probe gestellt und gestärkt worden.
Aber der wichtigste Gewinn war das Erwachen seiner teuflischen Blutlinie.
Ohne diese unerwartete Begegnung hätte er keine Ahnung gehabt, wann oder ob seine schlummernde Abstammung jemals zum Vorschein gekommen wäre.
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Selbst sein Meister Nyx war diesbezüglich geheimnisvoll geblieben und hatte ihm nur vage Erklärungen gegeben, als er ihn danach gefragt hatte.
Wenn er jetzt darüber nachdachte, musste sie gewusst haben, dass dies nichts war, was man mit Gewalt erwecken konnte, und schon gar nicht mit einem göttlichen Trank oder einem geheimnisvollen Ritual.
Es war etwas viel Ursprünglicheres. Und nun begann sich diese Wahrheit zu entfalten.
Die traumhafte Erinnerung war noch immer in seinem Geist eingebrannt.
Diese hoch aufragende, ätherische, silberne Stadt. Diese riesigen schwarzen Türme, die bis in den Himmel ragten.
Der kolossale Thron, der auf dem höchsten Turm thronte. Und die Phantomgestalt, die darauf saß, gehüllt in Geheimnis und Macht.
Erbe der Schatten … Was bedeutet das? Und der Ewige Thron, der auf mich wartet?
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, aber er verdrängte die Gedanken. Im Moment gab es keine Antworten, nur Fragen.
Und er war nicht der Typ, der sich mit Unbekanntem aufhielt, wenn es Arbeit zu erledigen gab.
Sein scharfer Blick schweifte noch einmal über das Dorf. Die unheimliche dunkle Seelenenergie, die einst aus den Höhleneingängen gesickert war, war verschwunden und hatte eine leere Leere hinterlassen.
Die bedrückende Präsenz, die das Tal erstickt hatte und einst erdrückend und überwältigend gewirkt hatte, war verschwunden.
Plötzlich wandte Ethan seinen Kopf zum Himmel, und wie er erwartet hatte, hatte sich die Projektion des dreihörnigen Schädels am Himmel zusammen mit den dunklen Wolken aufgelöst, die das Tal in ihren bedrohlichen Schleier gehüllt hatten.
Die ewigen dunklen Wolken, die diesen Kontinent bedeckten, hatten begonnen, sich zu verziehen und etwas dünner zu werden.
Er hatte dieses seltsame Phänomen schon mal bemerkt.
Tagsüber blieb das Land in Dunkelheit gehüllt, aber nachts lichteten sich die Wolken manchmal gerade so weit, dass der Blutmond durchscheinen und alles in ein unheimliches purpurrotes Licht tauchen konnte.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als der Blutsklave ihn in die Mitte des Dorfes führte.
Ethan wollte gerade eine der kleinen, höhlenartigen Behausungen betreten, als das scharfe Geräusch hektischer Schritte durch das Tal hallte.
Er drehte sich in Richtung des Lärms um.
„Oh ja“, murmelte der Blutsclave.
„Die kleine Herrin muss endlich die Barriere um das Tal entdeckt haben … sie schmilzt, nachdem der junge Herr den Avatar des Dämons zerstört hat.“
Ethan blinzelte und lachte dann bitter. Er hatte Virelle und Velcy völlig vergessen.
Zuvor hatte er sie weggeschickt, damit sie dem Kutscher die unheilvollen Ereignisse erklärten, der sich ironischerweise als gefährlicher, aber fähiger Verbündeter herausgestellt hatte.
Jetzt sah Ethan die gebeugte Gestalt des alten Mannes vor sich und nickte zustimmend.
Nun, sie hatten Hilfe geholt.
Ethan drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zwei Frauen auf sich zusprinten zu sehen, deren Gesichter von Dringlichkeit gezeichnet waren.
Virelles makellose Eleganz war verschwunden.
Ihr einst makelloses Make-up war ruiniert, schwarze Flecken bedeckten ihre Gesichtskonturen, wo Tränen sich mit Ruß und Schweiß vermischt hatten. Aber das schien ihr völlig egal zu sein.
Ihre blutroten Augen waren auf Ethan gerichtet, der mitten im Tal stand, lebendig und unversehrt. Er stand neben der vermummten, krummen Gestalt des alten Blutsklaven.
Eine Mischung aus Erleichterung und Angst verdrehte ihren Gesichtsausdruck, und statt langsamer zu werden, bewegten sich ihre Füße nur noch schneller.
Velcy folgte ihr dicht auf den Fersen, obwohl ihre katzenhafte Anmut durch Erschöpfung etwas getrübt war. Auch wenn ihr Virelles verzweifelter, fast zerbrechlicher Ausdruck fehlte, verrieten ihre Augen sie.
Sie waren immer noch weit aufgerissen und wild vor Angst und begannen erst jetzt, sich zu beruhigen. Die sorgfältige Kontrolle, die sie normalerweise ausstrahlte, war zerbrochen, und ihre Panik lag noch immer blank unter der Oberfläche.
Aber Virelle dachte nicht an Kontrolle. Sie dachte überhaupt nicht nach.
Ethans Blick, der auf die stillen, unheimlichen Höhlen gerichtet war, hatte kaum Zeit, sich abzuwenden, bevor sie gegen ihn prallte.
Ihre Arme schlangen sich um seinen Hals und zitterten unaufhörlich, während ihr Körper sich mit verzweifelter Kraft an ihn presste.
Sein erschöpfter Körper taumelte und sein zerbrochener Säbel glitt ihm aus den Fingern und fiel klirrend zu Boden, aber er schaffte es, sie festzuhalten.
Ihr Atem ging stoßweise, während ihr ganzer Körper an ihm zitterte. Die einst so unnahbare und stolze Deluge-Prinzessin war zerbrochen und hinterließ nur noch rohe, ungefilterte Emotionen.
„Du Idiot“, würgte sie in seine zerrissenen Roben, während ihre Stimme an seiner Brust erstickt klang.
„Du rücksichtsloser, selbstmörderischer Idiot.“
Doch sofort überkam sie ein Gefühl der Schuld, und ein bisschen Reue nagte an ihr.
Sie wusste, dass Ethan niemals leichtsinnig handelte und niemals einen Schritt machte, wenn er nicht von seiner Fähigkeit überzeugt war, ihn auch durchzuziehen.
Er war nicht aus Leichtsinn in das Tal gestürmt, sondern um die Bedrohung an ihrer Quelle zu beseitigen.