Perspektive der dritten Person
Sein Herz pochte in seiner Brust und Adrenalin schoss durch seine Adern, während seine geschärften Sinne ihm zuriefen, dass er sich bewegen musste – JETZT.
Mit einem Kraftschub packte Ethan Virelle an der Taille und rollte sich mit ihr weg von der Treppenwand.
In dem Moment, als sie sich bewegten, zerschnitt eine schwarze Axt die Luft und schlug genau dort ein, wo Ethan noch eine Sekunde zuvor seinen Kopf gehabt hatte.
Die Klinge traf auf den schwarzen Stein hinter ihnen und bohrte sich mit einem widerlichen Knacken tief hinein.
Ethan drehte sich in der Bewegung und landete in einer Verteidigungshaltung auf der schmalen Treppe.
Virelle war desorientiert, aber unverletzt, als sie sich mit flachem Atem vor Schock an seinen Arm klammerte.
Ein Tropfen kalter Schweiß rann Ethan über die Stirn, während sein Körper sich in Vorbereitung auf den bevorstehenden Kampf anspannte.
Dunkle Ketten materialisierten sich in seiner Hand, und als er ihr vertrautes Gewicht spürte, fühlte er sich beruhigt.
An einem Ende der dunklen Kette baumelte ein zerbrochener schwarzer Säbelgriff.
Die Klinge war immer noch zerbrochen, aber sie vibrierte noch immer vor latenter Kraft.
Seine blutroten Augen leuchteten bedrohlich, als er die Ketten um seinen rechten Arm wickelte und den Säbelgriff fest umklammerte.
Mit seiner linken Hand schob er Virelle sanft hinter sich und schirmte sie mit seinem Körper ab.
Sein Blick war ganz auf die vermummte Gestalt gerichtet, die regungslos dastand und ihre unsichtbaren Augen auf sie gerichtet hielt.
Dann, ohne Vorwarnung, bewegte sie sich.
Die Gestalt verschwand und ihre Form löste sich in eine wirbelnde Masse aus Dunkelheit auf.
Ethan hatte kaum Zeit zu reagieren, bevor eine Kraft ihn von der Seite traf.
Er drehte sich im letzten Moment zur Seite und hob seinen gefesselten Arm, um den Angriff abzuwehren.
Der Aufprall ließ seinen Arm vibrieren, seine Füße rutschten weg und er stürzte die Treppe hinunter in den dunklen Schacht.
Aber Virelle blieb nicht vor Angst wie erstarrt stehen, sondern bewegte sich und ein dicker roter Faden schoss herab und wickelte sich um seine Hand.
Mit einem kräftigen Ruck wurde er wieder auf die Treppe gezogen.
Ethan hielt sich fest, während Virelle ebenfalls hinter ihm die Treppe hinunterrutschte.
Er blickte nach oben und erhaschte einen Blick auf die Axt, deren Klinge nun vollständig zu sehen war und im schwachen Schein der Fackel unheilvoll glänzte.
Das dunkle Metall war mit einem roten Netz überzogen, das wie lebende Adern pulsierte.
Das Ding, das sie schwang, stand wieder vor ihm.
Diesmal schien es nicht mehr wie ein Schatten zu sein, sondern wie ein greifbarer Albtraum.
Virelle schnappte hinter ihm nach Luft und krallte sich fester an seine Schulter.
Ethans Gedanken rasten. Was auch immer dieses Ding war, es war kein einfacher Geist.
Es hatte gewartet. Es hatte beobachtet. Und jetzt war es hier, um ihn zu holen. Ethan biss die Zähne zusammen, fasste sich wieder und sein Kampfinstinkt übernahm die Kontrolle.
Er wusste nicht, was das Wesen wollte, aber eines war ihm klar.
Es würde nicht kampflos verschwinden.
Die dunkle Gestalt schwang die rostige Axt in ihrem schattenhaften Arm und verschwand im nächsten Moment.
Ethans blutrote Augen weiteten sich, seine Pupillen verengten sich und er bog sich instinktiv nach hinten wie ein Bogen.
Die Axt zischte in einem tödlichen Bogen durch die Luft, hinterließ eine blutrote Spur.
Der Angriff verfehlte knapp seine Taille, aber als er sich wieder aufrichtete, spürte er einen stechenden Schmerz.
Die Finger seiner linken Hand streiften seinen Bauch und waren voller warmem Blut.
Ein tiefer, breiter Schnitt verunstaltete die Haut an seiner Taille, und er wusste sofort, dass er nur eine Sekunde langsamer gewesen wäre, wäre seine Taille in zwei Hälften geteilt worden.
Doch statt Angst zu empfinden, durchfuhr ihn ein Rausch der Erregung.
Der Nervenkitzel, dem Tod so knapp entkommen zu sein, ließ sein Blut in Wallung geraten und weckte alte Erinnerungen, die langsam aus seinem Gedächtnis verschwunden waren.
Sein Alltag und das Gefühl, in seinem früheren Leben fast täglich dem Tod ins Auge gesehen zu haben, spielten sich erneut in seinem Kopf ab.
Aber er hatte keine Zeit, sie vollständig zu durchleben, denn eine plötzliche Bewegung fiel ihm ins Auge und er duckte sich erneut.
Diesmal bog sich sein Körper in einem fast unmöglichen Winkel, als die Axt an seinem Kopf vorbeizischte.
Seine Augen weiteten sich vor Schreck, denn anders als zuvor blieb die Waffe diesmal nicht stehen.
Sie drehte sich weiter in der Luft und flog auf Virelle zu, die hinter ihm stand.
In diesem Moment schien die Zeit für Ethan stillzustehen.
Virelle hatte bereits ein dichtes, blutrotes Netz aus Fäden beschworen, aber Ethan hatte das Gefühl, dass das diesmal nicht reichen würde.
Ein starker Adrenalinstoß durchflutete seine Nerven, aber er hatte keine Zeit, mit seinem zerbrochenen Säbel Kraft für einen richtigen Angriff zu sammeln.
Ohne zu zögern schlug er mit der linken Hand zu, während dunkle Ketten aus seiner Handfläche schossen.
Ihre gezackte Spitze schoss mit einem scharfen Rascheln nach vorne und traf mitten in der Luft auf die sich drehende Axt.
Funken stoben, als Metall auf Magie traf. Ein heftiger Ruck durchzuckte seinen Arm und er spürte, wie sein linker Arm von dem Schlag taub wurde.
Risse zogen sich wie ein Spinnennetz durch seine Ketten, als seine einst unzerstörbare Waffe zum ersten Mal seit ihrer Entwicklung vor fünf Jahren zerbrach.
Die Wucht des Aufpralls schleuderte Ethan auf die schmale Treppe, wo sein Körper mit einem dumpfen Schlag auf den Stein aufschlug.
Da er Virelle verteidigt hatte, hatte er keinen Moment Zeit, das Gleichgewicht zu halten, und geriet in eine prekäre Lage.
Die Hälfte seines Körpers baumelte gefährlich über dem dunklen Schacht.
Seine Ketten, die der enormen Kraft nicht standhalten konnten, brachen vollständig und zerfielen zu dunklem Rauch, als sie sich ohne sein Zutun in seinen Körper zurückzogen.
Die abgelenkte Axt flog vom Kurs ab und verfehlte Virelle nur knapp, bevor sie mit einem donnernden Aufprall in der dunklen Brunnenwand versank.
Schwarzer Staub und Kies regneten herab, als die rohe Kraft hinter der rostigen Axt des unheimlichen Schattens zum Vorschein kam.
Ethan hatte kaum Zeit zum Atmen, bevor der Schatten wieder verschwand.
Diesmal bewegte er sich schneller und noch unberechenbarer und unvorhersehbarer.
Als er 11 Jahre alt war, hatte er diese Fähigkeit im Dunklen Wald entwickelt.
Wenn ihr euch nicht erinnert, er ist jetzt 16.