Zanthor blieb auf den Knien und wartete. Er hob den Kopf nicht, atmete ruhig, aber angespannt. Er wusste, dass in dieser Welt niemand ohne Grund Hilfe bekam. Aber aus irgendeinem Grund hatte er vor Lein kein Bedürfnis, daran zu zweifeln.
Vor ihm stand Lein mit gleichgültiger Haltung.
Sein Blick war nicht auf Zanthor gerichtet, sondern auf die transparente Kuppel, die die Manifestationszone umgab. Sein Blick war leer, unbeweglich, als würde ihn Zanthors beharrliches Warten auf eine Antwort nicht interessieren.
Währenddessen saß weit weg auf der Insel Pentua, tief im dichten Wald, der echte Lein ruhig auf einem großen Felsen. Sein Körper war entspannt, doch sein Geist blieb wach.
Vor ihm lag Dragnar ausgestreckt auf dem Boden, sein Gesicht von Erschöpfung und Qual gezeichnet. Sein Atem ging stoßweise, sein Körper zitterte, als wäre er gerade einem endlosen Albtraum entkommen. Seine Augen waren leer, unkonzentriert – wie die eines Mannes, der den Bezug zur Realität verloren hat.
Lein beobachtete ihn genau. Dragnar war einst ein furchterregender Gegner gewesen, aber jetzt war er nur noch ein Schatten seiner selbst.
„Ein Körper, der die Gesetze verstanden hat, kann also so widerstandsfähig sein …“, überlegte Lein. Obwohl Dragnar in seinem Traum Folter erlitten hatte, war sein Körper unversehrt geblieben und hatte sich geweigert, zu brechen. Das war ein Beweis dafür, wie beeindruckend jemand sein konnte, der ein tiefes Verständnis der Gesetze der Welt erlangt hatte.
Er schaute auf seine eigenen Hände und dachte über seine Stärke nach. Sein Traumelement war keine gewöhnliche Kraft. Mit diesem Element konnte er Träume nach Belieben erschaffen und kontrollieren – sogar die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit manipulieren. Allerdings gab es eine Sache, die ihn beunruhigte.
[Traumelement]
Ein Traumexperte, der äußerst geschickt und weise ist. Träume erschaffen, manipulieren, kontrollieren. Es gibt keinen Unterschied zwischen Wirklichkeit und Traum.
– Typ: Hochstufiges Element
– Rang: Stern 1
– Angriff: SSS
– Verteidigung: S
– Fähigkeiten: (Elementarkontrolle), (Traumerzeugung), (Traumveränderung), (Traumverwirklichung)
„Liegt es daran, dass sein Rang noch zu niedrig ist?“, murmelte er. Die ganze Zeit hatte er sich zu sehr darauf konzentriert, die zweite Stufe der Königsklasse zu erreichen. Er hatte nicht viel Zeit gehabt, sein Element zu entwickeln.
Lein seufzte leise. „Ich muss mir Zeit dafür nehmen. Wenn möglich, sollte ich in beiden Bereichen gleichzeitig Fortschritte machen.“
Je stärker er wurde, desto mehr wurde ihm klar, dass es immer schwieriger wurde, die notwendigen Gegenstände und Materialien für seinen nächsten Durchbruch zu finden. Wenn er sich weiterhin nur auf sein Talent verlassen würde, würde er irgendwann an seine Grenzen stoßen. Er musste sich auf die Suche nach weiteren Informationen machen.
Vorerst beschloss Lein jedoch, seine Bedenken bezüglich seines Elements beiseite zu schieben. Er hatte noch eine letzte Technik, die er ausprobieren wollte – etwas, das Dragnar endlich zum Sprechen bringen könnte.
In einem Augenblick begann sich Leins Körper zu verändern. Seine lange blaue Robe blieb, aber seine Gestalt wurde leicht durchscheinend. Ein helles blaues Licht strahlte aus seinen Augen und tauchte seine Umgebung in einen göttlichen Schein.
Langsam hob sich sein Körper vom Boden und schwebte anmutig in der Luft.
Die Luft um ihn herum zitterte. Eine magische Aura erfüllte den Raum, als würde die Dimension der Realität mit der Welt der Träume verschmelzen.
Dragnar, der noch vor wenigen Augenblicken regungslos dalag, zuckte leicht mit den Fingern. In seinen leeren Augen zeigte sich langsam eine Emotion – Angst.
Lein grinste.
„Mal sehen, wie lange du es diesmal aushältst.“
In seiner geistigen Form dehnte sich sein Bewusstsein um ein Vielfaches aus. Jedes Detail um ihn herum wurde klarer, jede Energiewelle leichter wahrnehmbar. Aber noch wichtiger war, dass die Kraft seines Elements dramatisch anstieg.
„Ich bin neugierig – kannst du meinen ewigen Traum noch ertragen?“ Leins Stimme war ruhig, aber in ihrem Ton lag eine unverkennbare Schärfe.
Vor ihm lag Dragnar regungslos auf dem Boden, sein Körper war steif, sein Gesicht blass. Er atmete flach, als würde ihm jedes Einatmen Schmerzen bereiten. Seine Augen brannten rot und waren voller unausgesprochener Wut. Doch obwohl sein Körper noch lebte, begann seine Seele zu zerbrechen.
Lein hob eine Hand und bewegte leicht seinen Zeigefinger. Eine Blase bildete sich in der Luft, aber diesmal war sie anders – die Kugel pulsierte vor einer furchterregenden Energie.
Blitzstreifen tanzten um sie herum, die Luft selbst zitterte, als wäre sie sich der darin enthaltenen Gefahr bewusst.
Ohne Eile richtete Lein die Blase auf Dragnar.
Dragnars Körper zuckte zusammen. Noch bevor die Blase ihn berührte, konnte er bereits die überwältigende Bedrohung spüren, die von ihr ausging. Seine Augen blitzten vor Wut und Angst, doch sein Körper war unfähig, etwas zu tun. Er war gefangen, machtlos, sich zu wehren.
Lein blieb ungerührt. Sein Blick war ruhig, fast kalt. „Das ist deine letzte Chance zu sprechen. Wenn du dich weigerst, wirst du sterben.“ Seine Worte klangen beiläufig, aber sie hatten eine unbestreitbare Endgültigkeit.
Die Blase berührte Dragnars Körper und umhüllte ihn vollständig. Im Handumdrehen verschwand er in der Traumwelt.
In der Blase erwachte Dragnar und schwebte in einer riesigen Leere. Die Luft um ihn herum fühlte sich schwer an, als würde eine unsichtbare Kraft von allen Seiten auf ihn drücken. Plötzlich tauchten Ketten aus Dunkelheit aus dem Nichts auf, schossen auf ihn zu und fesselten seine Hände. Bevor er reagieren konnte, wickelten sich weitere Ketten um seine Beine. Sein Körper wurde in verschiedene Richtungen gezogen, was ihm Schmerzen in allen Gelenken bereitete.
Dann tauchten aus dem Nichts Tausende von Speeren auf. Sie schossen gnadenlos auf ihn zu und durchbohrten ohne zu zögern sein Fleisch.
Der Schmerz war echt. Scharf. Eine brennende Qual, die jeden Nerv in seinem Körper versengte.
Er wand sich und versuchte, sich zu wehren, aber die dunklen Ketten waren zu stark. Er wollte schreien, doch das einzige Geräusch, das herauskam, war ein klägliches Wimmern.
Die Spitzen der Speere waren mit Widerhaken versehen, und als sie sich in sein Fleisch bohrten, entfalteten sich diese Widerhaken und rissen seine Wunden noch tiefer auf. Der Schmerz war unerträglich. Aber das war noch nicht das Schlimmste.
Es juckte. Es krabbelte. Sein ganzer Körper fühlte sich an, als wäre er von etwas befallen, das über seine Haut kroch. Das Gift der Speere breitete sich aus und verursachte das Gefühl, als würden Tausende von Feuerameisen über ihn herfallen und Stück für Stück an seinem Fleisch nagen.
Dragnar versuchte verzweifelt, sich zu bewegen, sich zu kratzen, irgendetwas zu tun – irgendetwas! –, um die Qual zu beenden.
Aber er konnte nichts tun. Er konnte nur spüren, wie sein Körper langsam auseinandergerissen wurde, bis schließlich –
Dunkelheit.
Doch das Leiden hörte nicht auf.
In der Leere spulte sich alles zurück. Eine riesige Uhr erschien am leeren Himmel, ihr Glockenschlag hallte mit einem schweren, ohrenbetäubenden Ton wider. Die Zeit lief rückwärts. Sein Körper formte sich neu, seine Schmerzen verschwanden und er kehrte in seinen ursprünglichen Zustand zurück – gefesselt in dunklen Ketten.
Dragnar hielt den Atem an. Seine Augen weiteten sich. Er wusste, was als Nächstes kommen würde.
Und tatsächlich, diesmal waren es keine Speere, die sich näherten.
In der Ferne hallte ein seltsames Summen wider. Langsam tauchte ein Schwarm Insekten auf. Sie schwebten näher heran, ihre Münder waren mit gezackten Reißzähnen gesäumt, ihre Beine krabbelten mit sich windenden Larven.
Dragnar wollte schreien, sich wehren. Aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Der Schwarm umschloss ihn, biss, riss und verschlang ihn bei lebendigem Leib.
Er spürte jeden Biss. Der Ekel, die Qual und die pure Angst verschmolzen zu einem einzigen Gefühl. Seine Augen weiteten sich, sein Atem stockte. Das war kein Traum. Das war ewige Qual.
Und wieder, als sein Körper verschlungen wurde, schlug die große Uhr. Die Zeit wurde zurückgesetzt.
Dragnar war in einem endlosen Kreislauf gefangen.
Er versuchte immer noch, durchzuhalten, aber tief in seinem Inneren begann etwas zu zerbrechen. Er bemerkte nicht, dass sich unter ihm ein riesiger Blutstrom gebildet hatte.