Er sprach langsam und vorsichtig, um sicherzugehen, dass er nichts verpasste.
„Ein hochrangiger Aethris?“, murmelte Lein, fast als würde er mit sich selbst reden. Seine Augen verengten sich leicht und zeigten seine Neugier. „Was ist das?“, fragte er und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Aleron.
„Kurz gesagt“, erklärte Aleron, „ist es ähnlich wie die Vereinigung eures Göttlichen Himmelsreichs mit dem Kosmos. Wir wollen das neu entstandene Reich erobern und es in unser Volk integrieren.“
Als Lein das hörte, schwieg er einen Moment lang. Alerons Erwähnung der Vereinigung mit dem Kosmos weckte alte Erinnerungen – bittersüße Erinnerungen, die trotz aller Herausforderungen letztendlich zum Sieg geführt hatten. Lein verstand Alerons Absicht, hörte aber weiterhin aufmerksam zu und analysierte jede Nuance in den Worten des Mannes.
„Kein Problem“, sagte Lein schließlich mit einem schwachen Lächeln. „Aber was springt für mich dabei heraus?“
Alerons Lächeln wurde breiter. „Natürlich würde ich dich nicht um deine Hilfe bitten, ohne dir eine Gegenleistung anzubieten …“, begann er, doch sein Satz wurde abrupt unterbrochen.
Plötzlich spürte Lein eine Bewegung in der Ferne. Aus dem Augenwinkel sah er einen großen weißen Schwan auf sich zukommen. Der Schwan glitt anmutig durch die Luft, seine Federn reflektierten ein sanftes, fast blendendes Licht.
Der Schwan näherte sich weiter, bis er nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war. Dann sprangen fünf Gestalten in weißen Roben von seinem Rücken. Als ihre Füße den Boden berührten, schrumpfte der Schwan allmählich und verwandelte sich in einen kleinen Vogel, der leicht in Richtung Aleron flatterte, bevor er sich auf seiner Schulter niederließ.
„Wir sind angekommen, Sir“, sagte einer der fünf Personen mit ruhiger, aber bestimmter Stimme.
Die fünf Gestalten richteten ihren Blick fast gleichzeitig auf Lein. Dann trat einer von ihnen vor und verbeugte sich leicht als Zeichen des Respekts. „Seid gegrüßt, Sir Lein. Ich bin Wen Shu, ein Ältester der Lebensschwan-Sekte.“
Seine Stimme war leise, aber jedes Wort trug das Gewicht von Tradition und Ehrfurcht. Nach seiner Vorstellung verbeugten sich auch die anderen vier kurz und erwiesen Lein ihren Respekt.
„Seid gegrüßt“, nickte Lein leicht und ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, als er sich an sie wandte.
Sein Auftreten war freundlich, strahlte aber dennoch Autorität aus. Er wusste, dass die fünf Neuankömmlinge Großmeister waren – angesehene Persönlichkeiten in vielen Bereichen. Als Herrscher von königlichem Rang besaß er jedoch eine gewisse Würde.
Doch als er die sechs Personen, darunter auch Aleron, beobachtete, spürte Lein, dass etwas nicht stimmte.
In seinem Herzen wusste er, dass die Situation nicht den Regeln der Etikette entsprach. Als Gastgeber hätte er mehr Rücksicht auf das Wohlbefinden seiner Gäste nehmen müssen. Wie konnten sie eine so wichtige Angelegenheit in einem leeren, offenen Raum besprechen?
„Nun denn, Sir Lein …“, begann Aleron das Gespräch fortzusetzen, doch bevor er seinen Satz beenden konnte, hob Lein die Hand und bedeutete ihm, zu warten.
„Entschuldige die Unterbrechung, Sir Aleron“, sagte Lein höflich, aber bestimmt. Sein Blick wurde weicher, als er sie ansah, um seine guten Absichten zu zeigen.
„Dieser Ort scheint nicht geeignet zu sein, um etwas so Wichtiges zu besprechen. Lasst uns reingehen und dort weiterreden.“
Lein machte eine Geste mit der Hand und zeigte hinter sich. Damit zeigte er nicht nur seine Gastfreundschaft, sondern auch den Respekt, den er seinen Gästen entgegenbrachte. Innerlich war er erleichtert, dass er mit dieser kleinen Geste die Situation schnell klären konnte.
Sofort hob Lein die Hand, und ein hellblaues Licht begann sich in der Luft zu einem großen Kreis zu formen.
Vor ihnen erschien ein riesiges Portal, das eine sanfte, aber kraftvolle Energie ausstrahlte. Mit seiner aktuellen Stärke war es für Lein ein Kinderspiel, ein solches Portal zu erschaffen. Es war ein Beweis dafür, wie tief er mit dem Reich des Göttlichen Himmels verbunden war.
„Bitte“, sagte Lein und trat beiseite, um Platz zu machen. Seine Stimme war fest, aber voller Wärme.
Aleron nickte leicht und warf einen kurzen Blick auf die Ältesten hinter ihm. „Lasst uns gehen“, sagte er, und seine tiefe Stimme durchbrach die Stille.
Die Ältesten folgten Aleron zum Portal und gingen ruhig, aber mit bedächtiger Vorsicht, als wollten sie Lein und dem Portal, das er gerade erschaffen hatte, ihren Respekt erweisen. Die Energie des Portals umhüllte sie sanft, und ihre Gestalten verschwanden eine nach der anderen in dem strahlenden Licht.
Als alle eingetreten waren, blieb Lein einen Moment lang stehen und starrte auf das sanft pulsierende Portal. Er hob erneut die Hand, und ein kleiner leuchtender Bildschirm erschien vor ihm. Darauf tippte er schnell eine kurze Nachricht an Haikal Emanuel und bat ihn, einen Empfang für die Gäste vorzubereiten.
„Alles erledigt“, sagte Lein leise und trat dann in das Portal. Im nächsten Augenblick verschwand seine Gestalt und hinterließ Stille in der leeren Luft.
***
Haikal Emanuels Insel, Calamity City – Bibliotheksraum
In einem großen Raum voller Holzregale, die mit alten Büchern gefüllt waren, saß ein älterer Mann still da. Die makellose weiße Robe, die er trug, reflektierte das sanfte Licht des Kronleuchters über ihm. Seine ruhigen, erfahrenen Hände blätterten langsam in dem Buch, das er las.
Sein Blick war scharf, aber dennoch sanft, was auf einen tiefgründigen Denker hindeutete.
In der Ecke der letzten Seite, die er gelesen hatte, standen deutlich die Worte „Die Macht der Reiche“, die ihm ein leises Murmeln entlockten. „Die Macht der Reiche, hm?“, murmelte Haikal, und seine leise Stimme hallte schwach in der stillen Bibliothek wider.
Setze deine Reise im Imperium fort
Die Stille hielt jedoch nicht lange an. Vor seinen Augen erschien plötzlich ein leuchtender Bildschirm, der sanft pulsierte und eine leise Benachrichtigung anzeigte.
Haikal richtete sich leicht auf und konzentrierte sich. Mit einer einzigen Handbewegung öffnete sich der Bildschirm und zeigte eine neue Nachricht an. Als Haikal erkannte, dass sie von Lein stammte, las er schnell den Inhalt.
„Gäste?“, murmelte er und runzelte leicht die Stirn. Ohne Zeit zu verlieren, schloss er das Buch in seinen Händen mit einem leisen, fast unhörbaren Geräusch.
Noch nie zuvor hatte jemand aus dem Reich ihn besucht; er musste jetzt viele Vorbereitungen treffen.
Im Nu war der alte Mann verschwunden und hinterließ einen Stuhl, der noch leicht schwankte. Im Raum blieben nur die alten Bücher als stumme Zeugen zurück, dass gerade jemand hier gewesen war. Nach seinem Weggang war die Bibliothek so still wie immer, helles Licht fiel auf Hunderte von Regalen voller Bücher.