Shisan schaute ab und zu zu Noah rüber, neugierig, wer er war. Nicht nur sie, auch die beiden jungen Männer, die ihnen gegenüber saßen, taten das.
„Essen die Leute in den anderen Sekten des Reiches auch so?“, brach Shisan schließlich das Schweigen und schaute mit gerunzelter Stirn auf den riesigen Tisch.
„Nicht wirklich.“
Wuhan war zunächst überrascht von ihrer Frage, antwortete dann aber mit einem Lächeln. „Aber wir sind nicht wie andere Sekten, oder? Ich behandle diese Sekte und die Menschen darin wie meine Familie.“
„Deshalb möchte ich, dass wir gelegentlich so essen. Außerdem gibt es in euren Zimmern separate Essensarrangements.“ Als sie Wuhans herzliche Worte hörte, war sogar Shisan ein wenig gerührt, ganz zu schweigen von Yuan Ming und Tian Heng.
„Du bist darauf hereingefallen?“ Ihre Aufmerksamkeit wurde von einem amüsierten Geräusch von der Seite abgelenkt. Sie drehten alle ihre Köpfe zu Noah, der neben Wuhan saß. Als sie das Grinsen auf seinem Gesicht sahen, ahnten sie, dass noch etwas anderes im Busch war.
Wuhan wurde blass, hustete ein wenig und versuchte, seinen Freund mit einem Zeichen zu stoppen. Noah lächelte und nickte, woraufhin Wuhan dachte, er hätte aufgegeben.
Aber er wusste nicht, dass sich hinter dem warmen Lächeln seines Freundes das kalte Grinsen eines Sadisten verbarg.
„Er wurde von Xin Yan gezwungen, hier zu sitzen und sein Essen vor allen zu essen. Er hat alles erfunden, um sein Gesicht zu wahren.“ Wuhan hustete eine Menge Blut, als er den Verrat seines Freundes bemerkte. „Ich habe diesen Tisch erst vor ein paar Minuten für diesen Anlass gebaut. Immerhin darf er ihr ‚Spezialessen‘ essen!“
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„Du bist immer noch sauer deswegen?!“, schrie Wuhan in seinem Herzen, als er Noahs Worte hörte, die ihn vor Wut zittern ließen.
„Was kann man schon von einem Lügner erwarten“, schnaufte Shisan kalt in Richtung Wuhan, bevor ihre Augen sich weiteten. „Hat er gerade Xin Yan gesagt?“
Bevor sie etwas sagen konnte, öffneten sich die Türen des Raumes erneut. Xin Yan betrat den Raum in einem wunderschönen schneeweißen Kleid und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.
Hinter ihr kam auch Wu Ping herein, die ein Tablett mit verschiedenen Speisen in den Händen hielt. Abgesehen von ihrer Nervosität, so vielen Kultivierenden gleichzeitig gegenüberzustehen, blickte sie mit einer Mischung aus Angst und Bewunderung auf Xin Yans Rücken.
*Schluck!*
Wuhan schluckte seinen Speichel hinunter und roch den köstlichen Duft des Essens. Er starrte wie betäubt auf das Tablett in Wu Pings Händen. Er war so abgelenkt vom Essen, dass er das finstere Lächeln auf Xin Yans Gesicht nicht bemerkte.
Wu Ping konnte nur den Kopf schütteln, weil sie wusste, was auf den armen Kerl zukommen würde. Sie wusste nicht, was der Sektenmeister getan hatte, um so ein Schicksal zu verdienen, aber sie würde die Entscheidung ihrer Herrin nicht in Frage stellen.
Sie sah noch immer das gruselige Lächeln auf Xin Yans Gesicht, als sie das „Spezialgericht“ zubereitet hatte.
„Wie kann jemand gleichzeitig etwas so Göttliches und etwas so Höllisches kochen?“, fragte sie sich, während sie schweigend zum Tisch ging. „Vielleicht ist es an sich schon göttlich, so etwas zu können.“
„Xin Yan …“, murmelte Shisan ungläubig, als sie die vertraute Gestalt der Frau sah. Endlich fiel ihr ein, warum sie ihr die ganze Zeit so bekannt vorgekommen war. Jetzt, wo sie sich beruhigt hatte, konnte sie erkennen, wer sie war.
Sie stand von ihrem Platz auf und sah die Frau an, was die Magd überraschte. Xin Yan sah Shisan an und lächelte ihr zur Bestätigung ihrer Worte zu.
Yuan Ming und Tian Heng waren es leid, in so kurzer Zeit immer wieder überrascht zu werden. „Was um alles in der Welt ist passiert, während wir auf Mission waren?“
„Du hast dich total verändert … wie ist das passiert?“, fragte Shisan ungläubig. Als sie die vertraute und doch andere Aura der Frau spürte, bestätigte sich ihr Verdacht.
„Ich habe mich überhaupt nicht verändert“, antwortete Xin Yan mit einem Lächeln, als sie den erstaunten Ausdruck in ihren Augen sah.
„Was meinst du damit?“, fragte der maskierte Älteste verwirrt.
„Ich war verkleidet, als du mich zum ersten Mal gesehen hast“, log Xin Yan. Obwohl sie zunächst nicht wusste, was sie sagen sollte, gab Noah ihr durch Gedankenübertragung eine gute Ausrede.
„Ich habe ein Artefakt benutzt, um mein echtes Aussehen zu verändern.“ Xin Yan winkte mit der Hand, und eine weiße Maske erschien auf ihrem Gesicht, die sie wieder zu ihrem alten Selbst verwandelte. Als sie die Maske abnahm, nahm ihr Körper wieder seine normale Form an.
Sogar Wuhan war ein wenig überrascht, als er die Wirkung der Maske sah.
„Ich verstehe …“ Auch wenn es schwer zu glauben war, fand Shisan ihre Erklärung plausibel.
„Wu Ping, stell das Essen auf den Tisch.“ Als sie sah, dass die Frau in Gedanken versunken war, wandte sich Xin Yan an ihre Zofe und gab ihr Anweisungen, während sie auf Noah zuging.
„Sind wir spät dran?“ Als Wu Ping das Essen auf den Tisch stellte, betraten Ming Ye und Ruo’er den Raum.
„Pünktlich, setzt euch.“ Wuhan begrüßte sie herzlich und versuchte, ernst zu bleiben. Aus den Augenwinkeln spürte er einen Blick auf sich. Die beiden nahmen an dem Tisch gegenüber von Shisan Platz und nickten ihr lächelnd zu.
Xin Yan stand neben Noah und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Noah lächelte nur und nickte als Antwort.
Einer nach dem anderen servierte Wu Ping allen außer Wuhan das Essen. Der arme Sektenmeister musste zusehen, wie seine Freunde und Schüler das duftende Essen serviert bekamen, während er nur sabbern konnte. „Aber andererseits ist nichts essen besser als etwas zu essen, das sie manipuliert hat.“
„Xin Yan … willst du mich mit Hunger bestrafen?“, fragte Wuhan, legte seine Hände auf den Tisch, verschränkte die Finger vor seinem Gesicht und schaute ernst auf jeden Teller auf dem Tisch. Sein Sabber tropfte auf den Tisch, ohne dass er es bemerkte, und bildete eine Pfütze.
„Aber, aber ~ Glaubst du etwa, ich bin ein Dämon, der so etwas tun würde?“, fragte Xin Yan mit einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck.
Die anderen kicherten, als sie den finsteren Ausdruck auf Wuhans Gesicht sahen, als er bemerkte, dass Xin Yan eine spezielle Schüssel aus ihrem Aufbewahrungsring holte, die nur für ihn bestimmt war.
Wuhan schaute auf den geschlossenen Deckel der Schüssel und schluckte vor Angst. Xin Yan stellte die Schüssel vor ihn hin, ging zu ihrem Platz neben Noah und setzte sich.
