„Ich hab das Gefühl, dass das, was du mir erzählt hast, nur eine Vorspeise war; der richtige Angriff kommt bestimmt bald.“
Auf Noahs Worte folgte ein Moment der Stille, in dem alle mit ernsten Gesichtern über die Zukunft nachdachten.
„Auch wenn ich das gesagt habe, glaube ich nicht, dass sie uns in nächster Zeit angreifen werden. Es könnte noch ein paar Jahre dauern.“ Als er die düsteren Gesichter sah, winkte Noah lächelnd ab.
Wuhan hob den Kopf und sah Noah an, um zu bestätigen, ob er richtig gehört hatte. Als er das Lächeln auf seinem Gesicht sah, seufzte er genervt. Auch wenn seine Worte ihnen Angst gemacht hatten, gaben sie ihnen Zeit, auf diese Informationen zu reagieren und sich auf die Invasion vorzubereiten.
„Wir haben Zeit, uns vorzubereiten; das ist unser Vorteil.“ Ming Ye dachte genauso wie Wuhan. „Wir sollten von nun an alles einsetzen, was wir haben, um das Schlimmste zu verhindern.“
Wuhan nickte und sank zurück in seinen Stuhl; die Last der Sicherheit der Menschen des Reiches schien ihn zu überwältigen. Er schaute an die Decke des Raumes und sagte: „Aber die Frage ist, wo wir anfangen sollen.“
Noah seufzte, da er sich der Verantwortung Wuhans voll bewusst war. Aber das zeigte auch, was für ein guter Kaiser er sein könnte. „Alles, was er braucht, ist die richtige Motivation.“
„Du solltest mit den Leuten unter dir anfangen. Such nach allen möglichen Rebellen und Verrätern, die sich im Reich verstecken könnten.“ Noahs Worte erregten Wuhans Aufmerksamkeit und ließen ihn zu ihm aufblicken. „Du musst sicherstellen, dass uns niemand in den Rücken fällt, wenn wir uns den Feinden von außen stellen müssen.“
Ein kalter Blick blitzte in Wuhans Augen auf, als er nickte. Das Einzige, was er am meisten hasste, waren Verräter und Leute, die ihren Freunden in den Rücken fielen.
„Trainiere außerdem alle deine vertrauenswürdigen Wachen, damit sie unseren zukünftigen Feind bekämpfen können.“
„Du willst nicht, dass ich die ganze Armee für sie ausbilde?“, fragte Wuhan mit verwirrtem Gesichtsausdruck.
„Wenn du die ganze Armee vorbereitest, würde der Feind misstrauisch werden. Ich werde dir helfen, deine versteckten Wachen zu überprüfen und festzustellen, ob sie kompromittiert sind oder nicht. Du kannst sie danach ausbilden.“ Noah schüttelte den Kopf, lehnte Wuhans Vorschlag ab und antwortete.
„Würde das nicht bedeuten, dass sie unsere Armee gegen uns aufbringen können?“, entgegnete Wuhan mit gerunzelter Stirn.
„Nein, es gibt eine Grenze, wie viele Leute eine einzelne Person kontrollieren kann, und noch ein paar andere Bedingungen. Deshalb suchen sie ihre Leute langsam und sorgfältig aus. Wenn das nicht so wäre, hätten sie schon längst die Welt erobert, indem sie alle Kaiser kontrollieren und für sich arbeiten lassen.“
Mit Noahs Erklärung kehrte Ruhe im Raum ein. Alle atmeten erleichtert auf, weil sie wussten, dass sie noch eine Chance hatten, sich gegen ihre Feinde zu wehren.
„Egal, welchen Weg du von nun an einschlägst, es wird Opfer geben, und du musst damit leben.“ Noah stand von seinem Platz auf und sah Wuhan an, ohne ihm irgendwelche tröstenden Worte zu sagen.
Er wusste, dass er kalt und rücksichtslos sein musste, damit der Mann sich der Realität stellen konnte, was es bedeutete, ein Kaiser zu sein.
„Es liegt an euch, ob ihr diese Zahl so niedrig wie möglich halten wollt oder …“ Ohne noch ein Wort zu sagen, drehte Noah sich zu den anderen im Raum um, bevor er fortfuhr: „Das ist alles, was ich euch jetzt sagen wollte. Ich werde jetzt mit meinem Training weitermachen; ihr solltet euch auch vorbereiten.“
Mit diesen Worten drehte Noah sich um und verließ den Raum. Xin Yan war der zweite, der den Raum verließ, gefolgt von Ming Ye und seiner Enkelin.
Wuhan blieb allein mit seinen Gedanken im Raum zurück. Er starrte auf seine Füße und krallte seine Hände in die Armlehnen des Stuhls.
*Knack!*
Als er seinen Griff verstärkte, begannen Risse in den Armlehnen zu entstehen.
„Es liegt an dir, ob du diese Zahl so niedrig wie möglich halten willst oder …“ Noahs Worte hallten in seinem Kopf wider, bis er eine Entscheidung getroffen hatte.
„Ich muss ihn sehen.“ Mit emotionslosem Gesichtsausdruck stand Wuhan von seinem Stuhl auf und verließ den Raum.
*Woosh!*
Aus der Ferne sah Noah, wie Wuhan mit seinem fliegenden Artefakt den Berg verließ, lächelte und ging dann auf die offene Fläche der Sekte zu.
Zurück in der Villa stand Ruo’er mit entschlossenem Gesichtsausdruck vor ihrem Großvater.
„Hast du dir das gut überlegt?“, fragte Ming Ye scharf. In seinen Augen war nichts mehr von der Liebe und Wärme eines Großvaters zu sehen, sondern nur noch die Rationalität und Gelassenheit eines Anführers.
„Der Schmerz, den du erleben wirst, wird all den Schmerz, den du bisher erlebt hast, wie einen Stich in den Finger erscheinen lassen.“
„Wenn ich dadurch stärker werde, dann nehme ich den Schmerz und die harte Arbeit in Kauf. Außerdem wird der Schmerz über den Verlust meines Bruders Tian immer der schlimmste Schmerz sein, den ich jemals empfinden kann“, antwortete sie mit gesenktem Kopf.
„Ruo’er, egal wie schwach du bist, denk immer an eins: Verliere dich niemals auf der Suche nach Macht.“ Ming Ye seufzte, als er die Worte seiner Enkelin hörte, und ermahnte sie: „Wenn du keine Macht hast, verlierst du vielleicht das eine oder andere, aber wenn du dich der Macht hingibst, verlierst du mit Sicherheit mehr als nur das, was dir lieb ist.“
Ming Yes Worte klangen zwar kompliziert, erschütterten aber Ruo’ers Herz. Sie nickte verständnisvoll und prägte sich seine Worte ein.
Während Ruo’er sich darauf vorbereitete, stärker zu werden, blieb auch Xin Yan nicht untätig; sie beschloss, ebenfalls ihre Kraft zu steigern.
„Du willst dein Körperlevel verbessern?“ Noah war überrascht, als Xin Yan ihn plötzlich mit diesem Thema ansprach.
