Noah, der gerade aus der Seelenwelt zurückgekommen war, sah Xin Yan. Sie starrte in die Leere, als hätte sie den Lebenswillen verloren. Ihr Körper schien nicht mal mehr die Kraft zu haben, aufrecht zu stehen.
Er konnte nicht sehen, dass sie innerlich vor Kummer zerbrach, also beschloss Noah, etwas zu tun.
Als sie einen vertrauten, aber entfernten Duft wahrnahm, der sie umhüllte, erwachte Xin Yan aus ihrer Träumerei. Der Duft ihres Sohnes benebelte ihre Sinne.
Als sie in die Augen des Jungen blickte, der sie festhielt, wusste sie, dass er nicht ihr Sohn war. Mit kaltem Blick beobachtete sie seine Handlungen und verlangte schweigend eine Erklärung.
Er verstand die Bedeutung ihres Blickes und sagte
„Lass es raus. Du hast deinen Sohn verloren. Das ist die schmerzhafte Wahrheit, mit der du dich abfinden musst.“
Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte, und die unterdrückten Emotionen, die sich in ihrem Herzen festgesetzt hatten, begannen sich ihren Weg nach draußen zu bahnen.
Aber die Last der Wahrheit war so erdrückend, so hart, dass sie nicht einmal richtig weinen konnte.
Noahs Worte trafen sie wie eine harte Realität, die ihr ins Herz stach.
Bilder von Long Tian gingen ihr durch den Kopf, die Erinnerungen an die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. Die Zeit, als er mit ihr gelacht hatte, die Zeit, als er sich nicht von ihr distanziert hatte.
Dann traf sie die Erkenntnis, dass sie seine Stimme nie wieder hören und sein Lächeln nie wieder sehen würde, mitten ins Herz. freeweb .co m
Xin Yans Knie gaben nach und sie sank auf die Knie, die Last ihrer Trauer war zu schwer zu ertragen.
Noah, der sie immer noch umarmte, setzte sich zu ihr.
Ihr Atem ging stoßweise, jeder Atemzug war ein Kampf gegen die Welle der Trauer, die sie zu ertränken drohte.
Ihre Hände krallten sich an seiner Kleidung fest, als wollte sie sich an den letzten Spuren ihres Sohnes festhalten, die noch bei ihr waren.
Sie verlor jegliches Gefühl für ihre Umgebung. Die Zeit verlor jede Bedeutung und rann wie Sandkörner durch ihre Finger.
Sie wünschte sich eine Flucht, eine Möglichkeit, die Uhr zurückzudrehen und den unwiderruflichen Verlust ungeschehen zu machen, der ihre Welt erschüttert hatte.
Aber die Grausamkeit der Zeit hört nicht auf die Schwachen.
Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über ihre Wange, ihr salziger Geschmack eine bittere Erinnerung an die Trauer, die sie überwältigt hatte.
Mit jeder Erinnerung, die ihr durch den Kopf schoss, wurden die Tränen heftiger und die Qual über den Verlust ihres Kindes überwältigte sie.
Und so weinte sie. Sie weinte um den Verlust ihres Kindes, um die zerbrochenen Träume, um die Zukunft, die niemals sein würde. Ihre Schreie hallten durch den Raum, ein unverfälschter Ausdruck der Qual, die ihr Herz zeriss.
„Du bist hier! Aber er ist nicht hier! Wie kann das Universum so grausam sein und mir das Licht meines Lebens nehmen? Warum? Warum? Warum? Warum? WARUM?!!!“
Sie schrie aus voller Kehle, während sie Noah mit den Fäusten schlug, doch ihre Schläge hatten keine Kraft. Trotzdem fügten sie Noah erhebliche Verletzungen zu.
Ihre Schreie hallten durch den Raum und trugen das Gewicht ihres gebrochenen Herzens, während sie weiter schluchzte und immer wieder dieselbe Frage stellte.
Inmitten all dessen stand Noah da, still und regungslos. Er versuchte nicht, ihre Fäuste aufzuhalten oder ihr mit leeren Worten Trost zu spenden.
Stattdessen ließ er sie ihren Schmerz an ihm auslassen, ihre Frustration, ihren Schmerz und ihre Verwirrung herausschreien.
Mit jeder Sekunde, die verging, fühlte Noah sich mehr zu ihrem Schmerz hingezogen und sehnte sich danach, ihr inmitten ihrer Trauer etwas Trost zu spenden.
Mit einer Zärtlichkeit, die Worte überflügelte, umarmte er sie und schloss sie in seine Arme, als wolle er sie vor der Grausamkeit der Welt beschützen.
Sie klammerte sich an Long Tians Körper mit einer Leidenschaft, die die Intensität ihrer Gefühle widerspiegelte.
Ihre Schreie gingen weiter, gedämpft von seiner Brust, jeder Schluchzer hallte wider mit dem Gewicht ihrer Trauer. In diesem Moment schien es, als würde sogar die Welt mit ihrem Schmerz und ihrem Verlust mitfühlen.
Die Zeit verging, Stunde um Stunde, während sie in derselben Position verharrten.
Noah sah nach unten, sein Blick auf die Frau in seinen Armen geheftet. Ihr Schluchzen hatte nachgelassen und war dem gleichmäßigen Rhythmus ihres Atems gewichen, als der Schlaf sie endlich übermannte. Die getrockneten Tränenspuren auf ihren Wangen zeugten von der Qual, die sie durchlitten hatte.
Noah hob sie in seine Arme, ging zum Bett und legte sie darauf. Er trat einen Schritt zurück, wurde jedoch von einem festen Griff an seinem Gewand zurückgehalten.
Er sah näher hin und bemerkte, dass ihre Hand ein wenig zitterte, als hätte sie Angst, dass die Präsenz, die sie spürte, wieder verschwinden könnte.
Noah seufzte bei diesem Anblick, beruhigte sein schmerzendes Herz und legte sich neben sie auf das Bett, wobei er einen kleinen Abstand zwischen ihnen ließ.
Als hätte sie seine Anwesenheit gespürt, hörte die Hand auf, zu zittern, ließ aber seinen Rock weiterhin fest umklammert.
Noah schaute auf ihr schlafendes Gesicht, strich ihr die Haare aus dem Gesicht und steckte sie hinter ihre Ohren. Er streichelte ihr glattes Haar, und seine Wärme wirkte wie eine beruhigende Medizin auf ihren Schmerz.
Er blieb an ihrer Seite, ein stiller Wächter ihres Schmerzes, ein Zeuge der Tiefe ihrer Trauer.
Als der Morgen anbrach, drangen die Sonnenstrahlen in den Raum, in dem Noah und Xin Yan schliefen.
Das Zwitschern der Vögel begleitete die ersten Sonnenstrahlen. Als die Strahlen auf Xin Yans Gesicht fielen, weckten sie sie aus ihrem Schlaf.
Ihre Augen flackerten und sie öffnete sie, um die vertraute Decke über ihrem Sohn zu sehen, und dann wurde ihr alles klar. Die Ereignisse des Vortags spielten sich in ihrem Kopf ab und Tränen liefen ihr über die Wangen.
Als würde sie eine weitere Person im Raum spüren, schaute sie zu der Person neben sich. Sie erkannte, dass es nicht ihr Sohn war und dass er in demselben Bett lag wie sie. Sie ließ ihre Mordlust freien Lauf und weckte dabei Noah.
Noah schaute sie verwirrt an, doch dann wurde ihm klar, was los war, als er sich umschaute.
Bevor er etwas sagen konnte, hörte er Xin Yans kalte Stimme.
„Sag mir, wie willst du sterben?“