Der ganze Raum war still, bis Ma Mingli aus seiner Schockstarre auftauchte und Noah mit purer Wut und Kälte ansah. Seine Augen waren blutunterlaufen, als er seine Tochter so leiden sah.
„Was hast du ihr angetan?“, brüllte er ihn an und verlangte eine Erklärung. Sein Blick war auf Noah geheftet, während er sein Qi freisetzte, um den Jungen unter Druck zu setzen. In seiner Wut vergaß der Mann sogar Xin Yan.
Xin Yan wollte sich bewegen, aber als sie sah, dass Noah den Kopf schüttelte, blieb sie sitzen. Sie vertraute Noah und dachte, dass er einen Grund für sein Handeln hatte.
Ihr Blick fiel auf das zitternde Mädchen auf dem Boden und ein Anflug von Sorge huschte über ihr Gesicht. Sie wollte Ma Li ein wenig trösten, das lag schließlich in der Natur einer Mutter.
Shi Jie war auch wütend und besorgt, sagte aber nichts. Stattdessen eilte sie zu ihrer Tochter, umarmte sie und gab ihr die Wärme, die sie brauchte. Im Moment war die Sicherheit ihrer Tochter das Wichtigste für sie.
Als Ma Li die vertraute Wärme spürte, die ihren ganzen Körper umhüllte, zitterte sie und umarmte ihre Mutter, wobei sie ihr Gesicht in ihrer Brust vergrub.
Shi Jie sagte nichts und strich ihrer Tochter mit den Fingern durch die Haare.
„Vater, mir geht es gut.“
Nachdem sie die Anwesenheit ihrer Eltern gespürt hatte, beruhigte sich Ma Li ein wenig. Sie rief ihren Vater, hielt ihn zurück und schüttelte den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass er sich zurückziehen sollte.
Sie war überrascht und auch gerührt, dass ihr Vater bereit war, den Jungen zu töten, nur weil er ein wenig geweint hatte. Sie war wirklich glücklich, eine solche Familie zu haben.
Sie verstand auch, dass das, was in der Illusion passiert war, eine Lektion war, die der Junge ihr erteilen wollte, aber sie wusste nicht, wer die Person war, der sie in der Illusion begegnet war.
Es fühlte sich zu real an, um unecht zu sein.
Als sie sich vorstellte, was ihre Eltern fühlen würden, wenn in dem geheimnisvollen Reich etwas passieren würde, brach es ihr das Herz.
Sie seufzte und versuchte aufzustehen, doch da bemerkte sie, dass sie sich in die Hose gemacht hatte, und ihr Gesicht wurde rot vor Scham.
All ihre Dankbarkeit und Bewunderung für den Jungen waren wie weggeblasen. Sie wollte ihm am liebsten mit den Fingernägeln das Gesicht kratzen.
„Ahh!! Wie kann er mich nur so blamieren!! Ich hasse ihn!“
Ma Mingli blieb stehen, als er seine Tochter rufen hörte. Als er sich zu ihr umdrehte, war er fassungslos, als er ihren schüchternen Blick sah.
Er war sprachlos, als er seine Tochter schmollend und errötend sah. Er wusste nicht, was mit ihr los war, und konnte nur seine Frau um Hilfe bitten.
Shi Jie verstand, dass ihre Tochter sich schämte, weil sie sich vor ihren Eltern und Fremden in die Hose gemacht hatte.
Auch wenn es ihnen nichts ausmachte, wie ihre Tochter gerade aussah, war es doch klar, dass sie sich in dieser Situation schämte.
Shi Jie drehte sich zu dem gutaussehenden Jungen um, der schon wieder auf dem Sofa saß und ruhig seinen Tee trank. Ihre Lippen zuckten, als sie sah, wie er so tat, als wäre nichts passiert. Sie schüttelte den Kopf und sah wieder zu ihrer Tochter.
„Li’er, geht es dir gut?“
„Mir geht’s gut, Mama!“, piepste Ma Li verlegen, winkte mit der Hand und ließ das Wasser um sich herum und auf ihrem Kleid verschwinden.
Ihre Kleidung sah wieder aus wie vorher. Es sah aus, als wäre nichts passiert. Sie ging zum Sofa und setzte sich mit kaltem Blick dem Jungen gegenüber.
Sie gab sich Mühe, aber ein leichter roter Schimmer der Verlegenheit blieb auf ihren Wangen zurück.
Noah sagte nichts und wartete einfach darauf, dass sie sprach.
„Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe. Ich werde dir erlauben, mich zu begleiten, und ich werde dir auch im Anwesen zuhören.“
Jetzt waren Ma Mingli und Shi Jie an der Reihe, schockiert zu sein. Sie hätten nicht gedacht, dass ihre Tochter so einfach zustimmen würde.
Der Stadtfürst hatte sogar schon viele Pläne, wie er seine Tochter überreden könnte, aber als er sah, dass der Junge seine Tochter irgendwie verletzt hatte, gab er es schon auf, ihm einen Platz zu geben.
Er fand es etwas seltsam, dass seine Tochter ihm den Platz selbst gab, nachdem er sie in Verlegenheit gebracht hatte.
„Habe ich auch Einfluss auf ihre Akupunkturpunkte und kann ich Shi Jie in Verlegenheit bringen, damit sie meinen Gedanken zustimmt?“
Er musste daran denken, dass er mit diesem Trick viel weniger Probleme mit dieser Mutter und Tochter hätte.
Sein Leben wäre viel einfacher, wenn er so einen Trick auf Lager hätte.
Shi Jie ging zu ihrer Tochter und setzte sich ruhig neben sie. Sie wollte sehen, was ihre Tochter als Nächstes tun würde.
Sie hatte das Gefühl, dass ihre Tochter ein wenig gereift war, und wie hätte sie die Angst in ihren Augen übersehen können, als Ma Li den Jungen ansah?
Noahs Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln, bevor er nickte und ihren Worten zustimmte. Schließlich waren sie es, die ihm erlaubt hatten, das Anwesen zu betreten.
Er wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie ihn nach dem, was er getan hatte, abgewiesen hätten.
Er hatte daran gedacht, Yu Ming zu bitten, ihm einen Platz zu besorgen, falls er keine Hilfe vom Stadtfürsten bekommen würde.
„Du kannst die Schätze behalten, die wir dort finden. Wenn mir etwas ins Auge fällt, sage ich dir Bescheid.“
Ma Li war ein wenig erleichtert, als sie diese Worte hörte. Nach ihrem vorherigen Gespräch war ihr „klar“ geworden, dass seine Beherrschung der „Illusionskunst“ furchterregend war und sie sich ihm nicht einmal entgegenstellen konnte.
Wenn er wollte, konnte er sie töten, ohne dass sie überhaupt wusste, wie sie gestorben war, und innerhalb des Reiches wäre sie ihm ausgeliefert. Wenn Noah wollte, konnte er alle Schätze mitnehmen.
Da sie ihre Schwächen kannte, beschloss sie, daran zu arbeiten. Außerdem nahm sie sich vor, in diesen zwei Monaten nach einer Möglichkeit zu suchen, Noahs Macht entgegenzuwirken.
Es war besser, sich vor dem Jungen in Sicherheit zu bringen, als vor Verzweiflung und Wut zu weinen.
