Nach einer Reihe von Überraschungen erreichen sie endlich den großen Palast. Allein seine schiere Größe ist überwältigend, seine hoch aufragenden Türme ragen in den Himmel, polierte Steine reflektieren das goldene Leuchten der verzauberten Lichter, die seine Wände säumen.
Die Soldaten marschieren schweigend, ihre Köpfe nach hinten geneigt, während sie die Größe des Palastes auf sich wirken lassen. Aber was sie wirklich innehalten lässt, ist der Anblick des Wesens, das den Eingang bewacht.
Ein Monster in goldener Rüstung.
Die Gestalt steht regungslos da und strahlt eine Aura der absoluten Dominanz aus. Die polierten Platten ihrer Rüstung glänzen im sanften Schein des Palastlichts und reflektieren verzerrte Bilder der Soldaten, die sie anstarren. Obwohl ihr Gesicht hinter einem verzierten Helm verborgen ist, ist ihre bloße Anwesenheit erdrückend.
Einer der Soldaten schluckt. „Das ist nicht irgendein Wachmann …“
Ein tiefes, hallendes Summen ertönt, als sich die verzauberten Tore mühelos öffnen und den Thronsaal im Inneren freigeben.
In dem Moment, in dem sie eintreten, können selbst die diszipliniertesten Soldaten ihre erstaunten Ausrufe nicht unterdrücken.
Der Thronsaal ist gigantisch.
Er ist so groß, dass die Tausenden von Soldaten problemlos darin Platz finden würden, und dennoch wirkt der Raum offen, großartig und imposant.
Hoch aufragende Säulen mit komplizierten Symbolen säumen den Saal und ragen bis zu einer Decke, die endlos hoch zu sein scheint. Riesige Kronleuchter aus schwebendem Kristall tauchen den Raum in ein sanftes, ätherisches Licht. Der polierte Marmorboden reflektiert ihre Silhouetten, während sie vorwärtsgehen, und jeder ihrer Schritte hallt leise durch den riesigen Raum.
Und dann fällt ihr Blick endlich auf den Thron.
Auf einer erhöhten Plattform aus dunklem Stein sitzt eine Gestalt auf einem Thron aus Schwarz und Gold.
Alix.
Die Soldaten erstarren.
Allein die Präsenz des Thronenden lässt sie erschauern. In königliche Gewänder gehüllt, wirkt er entspannt und doch souverän, eine Hand auf der Armlehne seines Throns ruhend. Die goldenen Akzente seiner dunklen Kleidung glänzen im Schein der Kronleuchter, und sein durchdringender Blick ruht schweigend auf ihnen.
Einen langen Moment lang bewegt sich niemand. Niemand spricht.
Dann fallen die Soldaten wie auf ein Stichwort auf ein Knie und legen die Fäuste auf die Brust.
Eine einzige, donnernde Stimme ertönt aus den Tausenden von Anwesenden.
„Ehre sei Seiner Majestät!“
Alix sieht zu, wie sie vor ihm knien, Tausende von Soldaten, vereint in einem einzigen Gruß.
Seine Stimme ist ruhig, aber befehlend, als er spricht.
„Erhebt euch.“
Die Soldaten gehorchen sofort und stehen aufrecht da, während sie auf seine nächsten Worte warten.
„Wie ich versprochen habe, werdet ihr belohnt werden.“
Aufregung geht durch die Reihen, doch sie bleiben diszipliniert und stehen stramm.
Alix‘ Blick wandert. „Sorin, tritt vor.“
Sie erstarrt für einen Moment, bevor sie selbstbewusst vortritt. Doch als sie sich dem Thron nähert und zu ihm aufschaut, passiert etwas Unerwartetes.
Für einen kurzen Moment sieht sie ihn nicht nur als König, sondern als etwas mehr. Die Art, wie er auf dem Thron sitzt, seine Aura, die absolute Autorität ausstrahlt, die scharfe Intensität in seinen Augen – all das löst ein ungewohntes Kribbeln in ihrer Brust aus. Ihr Herz schlägt schneller.
Sie unterdrückt dieses Gefühl sofort und verdrängt es tief in ihrem Inneren. Jetzt ist nicht die Zeit für solche Ablenkungen.
Ein paar Schritte vor ihm bleibt sie stehen und kniet erneut nieder. „Eure Majestät.“
Alix betrachtet sie einen Moment lang, bevor er spricht.
„Ich verleihe dir offiziell den Titel einer Kommandantin“, verkündet er. „Von diesem Moment an stehen diese Soldaten unter deinem Befehl.“
Sorin senkt schnell den Kopf. „Ich fühle mich geehrt, Eure Majestät. Ich werde Euch nicht enttäuschen.“
„Ich erwarte nichts anderes“, antwortet Alix.
Dann wendet er sich an die ganze Armee. „Abgesehen von euren Beförderungen bekommt jeder von euch eine Fertigkeit oder einen Zauber der Stufe 1, den ihr euch aussuchen könnt.“
Diesmal verwandelt sich das Gemurmel in kaum unterdrückte Aufregung. Die Soldaten tauschen Blicke aus und ballen vor Vorfreude die Fäuste. Fähigkeiten waren nicht leicht zu bekommen, und eine direkt vom König zu erhalten, war eine Ehre, die man sich nicht mit Geld kaufen konnte.
Aber Alix ist noch nicht fertig. Seine nächsten Worte lassen den ganzen Saal verstummen.
„Es gibt jedoch noch eine weitere Belohnung, die ich euch gewähren werde.“
Er hebt die Hand, und ein sanftes Leuchten von Energie wirbelt an seinen Fingerspitzen.
„Diese Fähigkeit ist etwas Besonderes. Sie wird euch ermöglichen, als Einheit zu kämpfen – eure Gedanken und Bewegungen im Kampf miteinander verbunden. Mit ihr werdet ihr Feinde herausfordern können, die weit über eure derzeitige Stärke hinausgehen.“
Sorin hält kurz den Atem an. Eine Fähigkeit, die eine ganze Armee vereint? Das ist nicht nur mächtig – das ist furchterregend.
Die Soldaten, die zunächst unsicher sind, was er meint, kommen langsam zu derselben Erkenntnis. Ihre Gesichtsausdrücke wandeln sich von Aufregung zu purer Ehrfurcht.
Alix‘ Stimme hat ein letztes Mal Gewicht, als er über sie hinwegblickt.
„Mit dieser Kraft seid ihr nicht mehr nur Soldaten.“ Seine Augen leuchten. „Ihr werdet eine unzerstörbare Macht sein.“
Es herrscht Stille. Dann ertönt eine einzelne Stimme aus der Menge, voller Inbrunst.
„Ehre sei Seiner Majestät!“
Der Ruf verbreitet sich wie ein Lauffeuer, und die Stimmen der Soldaten schwellen zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll an.
„Ehre sei Seiner Majestät!“
Ihr König hat ihnen Macht gegeben.
Und sie werden ihm bis ans Ende der Welt folgen.
—–
Die Rückkehr nach Delon City verläuft nicht ohne Spannungen.
Sorin, nun offiziell Kommandant, führt die Soldaten durch die vertrauten Straßen, begleitet von Thurn, Nyssara, Veltha und Gorth.
Die einst verlassene Stadt erwacht langsam wieder zum Leben, doch die Luft ist immer noch voller Unruhe.
Die Menschen, die nach dem Fall Delons in der Stadt geblieben sind, halten Abstand und beobachten die bewaffneten Monster mit misstrauischen Blicken. Obwohl es keine Berichte über Gewalttaten gibt, bleibt die tiefsitzende Angst bestehen – Monster und Menschen können nicht zusammenleben. Das haben sie immer geglaubt.
Aber die Realität vor ihren Augen stellt diesen Glauben infrage.
Die Nachricht hat sich über die Mauern von Delon hinaus verbreitet. Unter den Handelskarawanen kursieren Gerüchte – gefährliche, unmögliche Gerüchte.
„Die Stadt ist für den Handel geöffnet.“
„Die Menschen sind unter der Herrschaft der Monster sicher.“
„Die Monster … sie verkaufen hochwertige Waffen.“
Es ist dieses letzte Gerücht, das schließlich die mutigsten Händler in die Stadt lockt.
Unter ihnen ist Roderic, ein erfahrener Händler mit einem Gespür für gute Gelegenheiten. Er steht am Rande des geschäftigen Marktplatzes und beobachtet ungläubig das Treiben.
Der Anblick vor ihm widerspricht jeder Logik.