„Ich grüße meinen neuen Meister“, sagt sie leise, kaum mehr als ein Flüstern.
Alix sieht sie einen Moment lang an, bevor er spricht. „Kind, wie heißt du?“
Sie zögert, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie antworten darf. Dann, nach einem Moment, schluckt sie und flüstert: „Liss.“
Alix nickt. „Sei unbesorgt, Liss. Du musst nicht knien.“
Das Mädchen zuckt leicht zusammen, gehorcht aber und schaut unbehaglich zu ihm auf.
Alix wendet sich dann an Varkas. „Leg deine Verkleidung ab.“
Varkas nickt, und im nächsten Moment verändert sich das Aussehen der beiden. Die Illusion verschwindet und gibt Alix‘ Gesichtszüge frei – sein scharf geschnittenes Gesicht, seine blasse Haut, seine wilden Augen und die schwachen Schuppen an seinen Armen. Auch Varkas lässt seine wahre Gestalt zum Vorschein kommen, seine monströsen Züge sind markant und einschüchternd.
Liss hält den Atem an. Ihre roten Augen weiten sich ungläubig. Dann bricht die ganze Last der Erkenntnis auf sie herein. Ihr Körper zittert heftig, während sie sie anstarrt und Tränen aus ihren Augen fließen.
„Sir, bitte … helfen Sie mir!“, ruft sie mit brüchiger Stimme. „Ich will nicht zurück zu den Menschen! Bitte, ich werde alles tun!“
Alix kniet sich hin und spricht mit ruhiger Stimme. „Beruhige dich, Liss. Wir werden dir helfen.“
Liss hält den Atem an. Ihr kleiner Körper verkrampft sich, bevor ihr Gesichtsausdruck zusammenbricht. Tränen steigen ihr in die Augen, ihre Stimme klingt verzweifelt. „Auch ihn! Rettet ihn! Ihr müsst ihn retten!“
Alix‘ Blick wird scharf. „Wen?“
„Meinen großen Bruder!“, schluchzt sie und krallt ihre kleinen Hände an den Gitterstäben fest. „Die haben ihn auch mitgenommen! Er ist ein Sklave eines Adligen! Bitte … Ich mache alles, nur – nur rettet ihn!“
Alix bleibt ruhig, aber seine Augen verdunkeln sich leicht. Er dreht sich zu Varkas um, der ihn bereits ansieht und auf Befehle wartet.
„Beruhige sie“, sagt Alix leise.
Varkas tritt vor und kniet sich neben den Käfig. Seine sonst so kalte Stimme wird etwas sanfter. „Das werde ich, Eure Majestät. Und … danke.“ Dann wendet er seinen Blick zu Liss.
Alix versteht die Bedeutung dieser Worte. Er weiß, was Varkas fühlt – dieser Moment ist ihm nur allzu vertraut. Im Spiel hatte Varkas einmal eine Tochter.
Sie war gefangen genommen, von Menschen versklavt und schließlich getötet worden. Diese Tragödie hatte seinen Hass auf diejenigen geschürt, die Monster versklavten.
Jetzt hatte er die Chance, wenigstens ein Kind zu retten.
Liss schnieft, sieht ihn aber mit großen Augen an. „Du wirst ihn retten?“
Varkas nickt entschlossen. „Das werden wir.“
Varkas tätschelt ihren Kopf und sieht ihr fest in die Augen. „Nach dieser Auktion werden wir deinen großen Bruder retten. Das verspreche ich dir.“
Liss starrt ihn an und sucht nach Anzeichen von Unehrlichkeit, aber alles, was sie sieht, ist unerschütterliche Entschlossenheit. Ein zittriger Atemzug entweicht ihren Lippen, und die Anspannung in ihrem kleinen Körper lässt endlich nach. „O-Okay …“, flüstert sie und wischt sich die feuchten Wangen ab.
Alix beobachtet die Szene, lächelt und sagt: „Gut. Jetzt konzentrieren wir uns.“
Die Stimme des Auktionators hallt durch den Saal und lenkt die Aufmerksamkeit der Menge zurück auf die Bühne.
„Und nun präsentieren wir Ihnen das, was eigentlich der Höhepunkt des Abends sein sollte – ein seltenes Artefakt aus einer alten Ruine! Sehen Sie, der Purpurmond-Anhänger!“
Mit einer dramatischen Geste enthüllt ein Begleiter eine wunderschöne Halskette mit einem tiefroten Edelstein in der Mitte, der von einer schwachen magischen Energie umgeben ist.
Ein Raunen geht durch die Menge.
„Ein Relikt, das Mana verstärkt?“
„Ich habe gehört, dass es Feuerzauber enorm verstärkt!“
„Ein solcher Schatz ist unbezahlbar!“
Alix bleibt jedoch unbeeindruckt. Im Vergleich zu den Fertigkeitsbüchern, die er mitgebracht hat, ist dieser Gegenstand nur von geringem Wert.
Die Auktion beginnt und wie erwartet geraten die Adligen in Raserei. Der Preis steigt rasant – dreitausend, zehntausend, zwanzigtausend Goldstücke in nur wenigen Augenblicken.
Alix lehnt sich zurück und schwenkt sein Weinglas, während die Zahlen steigen. Die Adligen sind verzweifelt, ihre Stimmen werden mit jedem Gebot lauter. Aber er weiß bereits – das ist nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt.
Varkas schaut mit leichtem Desinteresse auf die Bühne. „Die streiten sich um Kleinigkeiten.“
Alix grinst. „Lass sie doch. Die richtige Show fängt gleich an.“
Der Crimson Moon Pendant wird schließlich für fünfunddreißigtausend Goldstücke verkauft, und der Auktionator klatscht in die Hände.
„Meine Damen und Herren, was für ein unglaubliches Gebot! Aber … der Abend ist noch lange nicht vorbei.“
Ein Raunen geht durch den Saal. Die Auktion sollte doch vorbei sein – was könnte es denn noch geben?
Der Auktionator grinst, lässt die Spannung steigen und gibt dann seinen Assistenten ein dramatisches Zeichen.
„Wir haben noch eine exklusive Zugabe für heute Abend! Etwas so Seltenes, so Außergewöhnliches, dass es die Machtverhältnisse in diesem Raum grundlegend erschüttern wird.“
Die Spannung steigt.
Mit einer theatralischen Geste enthüllt der Auktionator einen mit Samt bezogenen Ständer. Darauf liegen drei Bücher, deren Einbände schwach magisch leuchten.
„Seht her – drei Fertigkeitsbücher der Stufe 1!“
„Das ist doch kein Witz, oder?! Wo haben die so etwas her?“
Der Auktionator lacht und hebt die Hand, um Ruhe zu signalisieren. „Meine Damen und Herren, bitte! Das Startgebot liegt bei fünfzigtausend Gold pro Buch.“
Die Adligen beginnen sofort, ihren Untergebenen Befehle zuzurufen.
„Los! Holt mehr Gold, sofort!“
„Sucht den Schatzmeister und sagt ihm, er soll alles vorbereiten!“
„Es ist mir egal, was es kostet – ich brauche dieses Buch!“
Die Gebote beginnen sofort.
„Fünfundfünfzigtausend!“
„Sechzigtausend!“
„Siebzigtausend!“
Die Zahlen steigen in schwindelerregendem Tempo. Einige Adlige bieten ohne zu zögern, während andere die Zähne zusammenbeißen und ihre Optionen abwägen. Die Seltenheit der Fertigkeitsbücher treibt sie an ihre Grenzen.
„Hunderttausend!“
Ein Raunen geht durch die Menge. Die Spannung ist greifbar, aber die Raserei hört nicht auf.
„Hundertzehntausend!“
„Hundertzwanzig!“
Die Adligen starren sich an, Schweißperlen bilden sich auf ihren Stirnen. Einige haben bereits aufgegeben, ihr Vermögen reicht nicht aus, um mitzuhalten. Aber ein paar wenige kämpfen weiter, ihre Blicke vor Gier glühend.
„Hundertvierzigtausend!“
Der Raum hält den Atem an. Es herrscht Stille – bis eine letzte Stimme die Stille durchbricht.
„Hundertfünfzigtausend!“
In der Halle bricht ein Raunen aus. Niemand wagt es, höher zu bieten. Der Preis für ein einziges Tier-1-Skillbuch ist schon absurd.
Der Auktionator lässt die Stille wirken, bevor er seinen Hammer niederschlägt. „Verkauft! Für einhundertfünfzigtausend Gold!“
Jubel und Seufzer erfüllen die Luft – einige sind begeistert, andere bitter über ihre Niederlage.
Alix beobachtet das Ganze mit einem Grinsen auf den Lippen. „Und das … ist nur Stufe 1.“