Alix geht weiter in den Dungeon rein und checkt die menschlichen Feinde, die da rumlaufen. Genau wie im Spiel können weder er noch seine Leute die Dungeons in seinem eigenen Königreich herausfordern. Das war eine Einschränkung, um zu verhindern, dass Spieler ihre eigenen Ressourcen farmen.
Nachdem er sich durch verwinkelte Tunnel gekämpft hat, erreicht Alix endlich eine größere Höhle, die von flackernden Fackeln schwach beleuchtet wird. In der Mitte des Raumes sitzt ein großer, robust aussehender Mann auf einem Thron aus gesammeltem Holz und Knochen. Um ihn herum bedienen ihn mehrere Frauen – Gefangene oder willige Anhängerinnen, Alix ist sich nicht sicher – mit Essen und schenken ihm Wein in seinen Kelch ein.
Alix kneift die Augen zusammen. „Das Thema dieses Dungeons ist also eine Banditenfestung“, denkt er sich. Die Kulisse kommt ihm bekannt vor – eine chaotische Basis, in der sich Banditen versammeln, um die Schwachen zu plündern, und ein Anführer, der wie ein selbsternannter König über sie herrscht.
Sein Blick wandert zu dem Banditenanführer. Das System liefert ihm sofort die Details.
[Banditenanführer – Level 330]
„Level 300, hm?“, überlegt Alix. „Das sollte mehr als genug sein, um die Monster zu besiegen, die im Wald leben.“
Damit dreht er sich um und verlässt den Dungeon.
—
Zurück in der Eingangshalle des Dungeons geht Alix mit großen Schritten zum Ausgang, während er bereits Pläne schmiedet. In Sorins Quartier wartet sie mit ruhigem, aber neugierigem Gesichtsausdruck.
„Komm mit“, sagt Alix einfach.
Sorin neigt den Kopf, folgt ihm aber ohne zu zögern. Die beiden gehen zurück ins Dungeon-Gebäude. Sobald sie eintreten, fällt Sorins Blick sofort auf das schimmernde Portal in der Mitte des Raumes. Ihre Pupillen verengen sich leicht vor Überraschung.
„Eure Majestät“, sagt sie mit ehrfürchtiger Stimme. „Was ist das?“
Alix verschränkt die Arme und grinst. „Ein Verlies.“
Sorin runzelt leicht die Stirn und starrt auf das schimmernde Portal. „Ein Verlies?“, wiederholt sie mit verwirrter Stimme. „Was ist ein Verlies?“
Alix‘ Grinsen wird breiter. „Das wirst du sehen, wenn du reingehst.“
Sorin wirft ihm einen vorsichtigen Blick zu, nickt dann aber.
Ohne zu zögern tritt sie vor und ihr Körper verschwindet in dem flimmernden Licht.
Die Welt verändert sich.
Im nächsten Moment steht Sorin in einer schwach beleuchteten Höhle. Die Luft ist feucht und riecht leicht nach Blut und verbranntem Holz. Flackerndes Fackellicht wirft unheimliche Schatten auf die zerklüfteten Felswände.
Ihre Ohren spitzen sich, als sie Stimmen hört – leises, raues Gemurmel hallt durch die Höhle.
Ihr Instinkt übernimmt die Kontrolle. Ohne nachzudenken, verschmilzt sie mit den Schatten und aktiviert ihre Tarnung. Ihr Körper wird eins mit der Dunkelheit, ihre Präsenz verschwindet aus dem Blickfeld.
Vorsichtig nähert sie sich der Quelle der Stimmen. Sie späht hinter einer Stalagmite hervor und erstarrt bei dem Anblick, der sich ihr bietet.
Zwei zerlumpte Männer in zerfetzter Rüstung, ihre Waffen an den Seiten festgeschnallt.
Einer hat ein grobes Schwert auf seinem Schoß liegen, während der andere einen Dolch an einem Schleifstein schärft.
Sorins Augen verengen sich.
„Menschen? Hier?“, denkt sie und ihre Gedanken rasen. „Und warum bin ich in einer Höhle?“
Dutzende Fragen schwirren ihr durch den Kopf, aber sie verdrängt sie. Jetzt ist nicht die Zeit zu zögern.
Sie bewegt sich.
Wie ein Flüstern des Todes gleitet sie vorwärts. Bevor die Männer reagieren können, schneidet ihr Dolch dem ersten die Kehle durch. Ein feuchtes Gurgeln entweicht seinen Lippen, als er zusammenbricht, die Augen vor Schock weit aufgerissen.
Der zweite Mann hat kaum Zeit, den Kopf zu drehen, bevor Sorins Klinge in seine Brust eindringt. Er schnappt nach Luft, sein Körper zuckt, als sie die Waffe dreht, um einen schnellen Tod zu gewährleisten.
Es wird wieder still in der Höhle.
Sorin atmet leise aus und zieht ihr Schwert raus. Sie wischt das Blut an der Tunika des Toten ab, während ihr Kopf immer noch voller Fragen ist.
„Was ist das für ein Ort?“, flüstert sie. „Und warum sind hier Menschen?“
In Sorins Vorstellung würde Alix sie niemals in den Tod treiben. Was auch immer dieser Ort war, es musste einen Grund geben, warum sie hier war. Dieser Gedanke allein reichte aus, um sie voranzutreiben.
Sie schleicht leise durch die Höhle und hält sich im Schatten, während sie weiter vorstößt. Je mehr sie sieht, desto klarer wird ihr das Bild.
Mehr Menschen.
Gruppen von ihnen waren in der Höhle verstreut – einige tranken, andere zählten gestohlene Waren, wieder andere schärften Waffen. Grobe Holzmöbel, provisorische Zelte und Lagerkisten füllten den Raum.
Sorin kniff die Augen zusammen. Das sah nach einer Banditenbasis aus.
Diese Erkenntnis ließ sie ihren Dolch fester umklammern. Das war also ihr Versteck. Wenn das der Fall war, dann war dies ein perfektes Jagdrevier.
Als sie weitergeht, fällt ihr Blick auf etwas Ungewöhnliches – eine Holzkiste, die in einer Ecke einer Nebenkammer steht.
Ihre Neugierde ist geweckt und sie nähert sich vorsichtig.
„Eine Kiste?“, murmelt sie und kniet sich davor. „Mal sehen, ob da was Brauchbares drin ist.“
Mit geübter Leichtigkeit hebt sie den Deckel.
Statt Gold oder Waffen findet sie darin nur einen einzigen Gegenstand, der auf dem dunklen Holz liegt – einen Ring.
Sorin blinzelt. „… Ein Ring?“
Sie nimmt ihn in die Hand und dreht ihn zwischen ihren Fingern. Er ist schlicht, ohne Verzierungen und leicht abgenutzt, doch irgendetwas an ihm kommt ihr seltsam vor.
„Das ist alles?“, murmelt sie und neigt den Kopf. „Nur ein Ring?“
Er scheint zu unscheinbar, um in einer Truhe verschlossen zu sein.
In dem Moment, als der Ring an seinen Platz fällt, überkommt sie ein seltsames Gefühl.
Ihr Körper fühlt sich leichter an. Fließender. Als würde die Luft um sie herum ihren Bewegungen weniger Widerstand entgegensetzen.
Sie streckt ihre Finger und versucht, ihre Haltung zu verändern. Der Unterschied ist subtil, aber er ist da.
Ihre Augen weiten sich leicht. „Ich … fühle mich schneller?“
Sie schaut auf den Ring, der nun fest an ihrem Finger sitzt.
Was sie nicht weiß, ist, dass der Ring +3 Beweglichkeit gewährt.
Ein kleines Lächeln huscht über ihre Lippen. „Interessant.“
Was auch immer dieser Dungeon war, er war voller Überraschungen.
Sorin schreitet voran, ihre Bewegungen sind leise wie ein Schatten, der durch die schwach beleuchteten Tunnel gleitet. Sie hält ihre Sinne wachsam und sucht die Gegend nach weiterer Beute oder nützlichen Waffen ab. Aber anders als zuvor tauchen keine weiteren Truhen auf. Die verwinkelten Gänge erstrecken sich endlos, übersät mit Kisten und gestohlener Ware, doch keine davon scheint interaktiv zu sein.
Ein Stirnrunzeln huscht über ihr Gesicht. Seltsam. In der Truhe von vorhin war ein Gegenstand … aber jetzt nichts mehr?