Eine riesige Schlange, deren schillernde blaugrüne Schuppen wie Flüssigkeit glitzern, erhebt sich über ihnen. Ihr Körper windet sich mühelos, massiv und doch elegant, ihre goldenen Augen leuchten ruhig und bedrohlich. Eine gekräuselte Haube fächert sich von ihrem Kopf aus, Wasser tropft davon, während sie sie amüsiert betrachtet.
Thurn atmet genervt, aber vorsichtig aus. Er kennt Veltha gut – ihr Stolz ist so tief wie der Sumpf selbst. Er hebt leicht die Arme, eine Geste des Friedens.
„Entspann dich, Veltha. Ich bin nicht hier, um gegen dich zu kämpfen“, sagt er und lässt seine Kiefer leicht aufeinanderklappern. „Ich bin gekommen, um dir meinen neuen Meister vorzustellen – Seine Majestät Alix.“
Einen Moment lang herrscht Stille. Dann hallt Velthas Lachen durch den Sumpf, leise und spöttisch.
„Auf keinen Fall“, spottet sie. „Du? Dich vor einem anderen Monster verbeugen?“ Ihre Windungen bewegen sich und senden Wellen über das trübe Wasser.
„Ist das deine neue Art, mit mir zu spielen, Thurn?“, faucht sie, ihre Stimme voller Wut. „Findest du das lustig?“
Thurn seufzt und wendet sich an Alix. „Eure Majestät, ich habe euch gesagt, dass sie sehr stur ist.“ Sein Tonfall ist resigniert, aber es schwingt noch etwas anderes mit – vielleicht Belustigung. Dann fügt er hinzu: „Wie wäre es, wenn wir sie ein wenig leiden lassen? Aber übertreibt es nicht.“
Alix antwortet nicht sofort. Stattdessen richtet er seinen Blick auf Grixx.
Der Echsenmensch grinst, seine scharfen Zähne blitzen im trüben Licht.
Grixx tritt ohne zu zögern vor, rollt seine Schultern und spannt seine Muskeln an. Es gibt keinen langwierigen Wortwechsel, keine spöttischen Worte – nur Taten. Im Handumdrehen flackert seine Aura heftig auf und verzerrt die Luft um ihn herum. Der Sumpf zittert unter dem plötzlichen Mana-Ansturm.
Dann verschwindet er
Eine Sekunde später ertönt eine ohrenbetäubende Explosion. Das trübe Wasser teilt sich gewaltsam, als eine Schockwelle durch den Sumpf fegt. Die hoch aufragenden Bäume zerbrechen wie dünne Zweige, ihre Stämme werden durch die Luft geschleudert. Die Kreaturen des Sumpfes kreischen vor Angst und zerstreuen sich in die Tiefe, ihr Instinkt schreit ihnen zu, zu fliehen.
Veltha hat kaum Zeit zu reagieren, bevor die volle Wucht von Grixx‘ Faust sie trifft.
Eine massive, mit Klauen bewehrte Faust schlägt auf ihren zusammengerollten Körper, und der Aufprall schleudert ihren kolossalen Körper durch den Sumpf. Ihre Schuppen, die selbst den stärksten Angriffen standhalten, brechen unter der Wucht des Aufpralls. Die Schlange schreit, als ihr Körper durch die Landschaft kracht und alles in ihrem Weg entwurzelt.
Sie windet sich und dreht sich, um zurückzuschlagen, aber Grixx ist unerbittlich. Er taucht verschwommen über ihr auf, seine Klauen knistern vor roher Energie.
Ein weiterer Schlag.
Der Boden bricht auf. Wasser, Trümmer und Überreste von Velthas zerstörtem Reich regnen in alle Richtungen herab.
Innerhalb weniger Augenblicke ist alles vorbei.
Das einst so großartige Sumpfgebiet ist nicht wiederzuerkennen – ein Schlachtfeld der Zerstörung.
Die Bäume sind verschwunden, der Sumpf ist zu einem riesigen Krater geworden. Das Wasser ist weggeblasen worden und hat nur zerbrochene Erde zurückgelassen.
Und in der Mitte von all dem kniet Veltha.
Ihr massiger Körper ist ramponiert, ihre Schuppen zittern unkontrolliert. Blut sickert aus tiefen Wunden entlang ihrer Schuppen, ihr Kamm ist zerbrochen. Sie ringt nach Luft, ihre goldenen Augen sind weit aufgerissen und zeigen etwas, das sie noch nie zuvor gefühlt hat – echte Angst.
Ihr Blick huscht zu Grixx. Der Echsenmensch knackt nur mit dem Nacken und sieht völlig unbeeindruckt aus, als hätte er nicht gerade eine ganze Region dem Erdboden gleichgemacht.
Velthas Atem stockt.
Langsam, qualvoll, richtet sie ihren Blick auf Alix.
Der Herrscher mit den blutroten Augen steht vor ihr, sein Gesichtsausdruck unlesbar, die Arme verschränkt in stiller Erwartung.
Veltha zittert und schluckt ihren Stolz runter. Ihr kaputter Körper will sich nicht aufrichten, aber sie zwingt sich, den Kopf noch tiefer zu senken und sich tief vor ihm zu verbeugen.
Mit heiserer Stimme sagt sie: „Ich … ich gebe auf.“
Alix sieht sie einen Moment lang an, dann gibt er ein leises zustimmendes Brummen von sich. Ohne ein Wort zu sagen, schnippt er mit den Fingern, und eine schimmernde Phiole erscheint in seiner Hand. Die goldene Flüssigkeit darin wirbelt mit einer schwachen Wärme – ein weiterer mittelstarker Heiltrunk.
Er tritt vor und stellt die Phiole vor Veltha.
„Trink“, befiehlt er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme.
Veltha zögert, ihr Stolz wehrt sich noch, aber die Schmerzen, die ihren Körper zerreißen, sind unerträglich. Mit einem leisen Zischen senkt sie den Kopf und trinkt den Trank. Fast sofort beginnen die Wunden an ihrem massigen Körper zu heilen. Die tiefen Schnitte schließen sich, ihre zerbrochenen Schuppen reparieren sich von selbst. Langsam kehrt die Kraft in ihre Glieder zurück.
Sie atmet aus und senkt den Kopf noch tiefer in Unterwerfung.
Ohne weitere Zeit zu verlieren, dreht sich Alix um, seine Augen blitzen kalt und amüsiert. „Als Nächstes gehen wir nach Groth“, verkündet er.
Thurn und Veltha werfen sich vorsichtige Blicke zu.
—
Die Luft hier ist stickig heiß, der Himmel von aufsteigender Glut vernebelt. Kilometerweit erstreckt sich verkohlte Erde, durch die sich Flüsse aus geschmolzener Lava schlängeln. In der Ferne ragt eine Festung aus Obsidian empor, deren Türme schwach im pulsierenden Glühen der Erde leuchten.
Im Herzen der Ascheebenen, auf einem zerklüfteten Plateau, das von fließender Lava umgeben ist, steht Groth.
Seine gebeugte Gestalt ist in mehrere Lagen rußverschmutzter Roben gehüllt. Sein knorriger Stab, aus Obsidian geschnitzt, pulsiert mit der Glut schlummernder Feuermagie. Obwohl sein Körper gebrechlich ist, brennen seine Augen vor Weisheit und roher Kraft.
Als Alix und seine Leute näher kommen, schweift Groths Blick von Thurn zu Veltha – beide einst stolze Lords, die nun gedemütigt neben ihrem neuen Herrscher stehen. Der mächtige Arachne-Lord, still und gehorsam. Die Wasserschlange, den Blick gesenkt.
Einen langen Moment lang sagt Groth nichts.
Dann kniet er ohne zu zögern nieder.
„Ich verstehe“, murmelt Groth mit einer Stimme wie knisternde Glut. „Es bedarf keiner Worte.“
Thurn atmet erleichtert aus, dass es diesmal keine Schlacht geben wird. Veltha jedoch bleibt starr und kann noch immer nicht fassen, wie schnell Groth sich unterworfen hat.
Alix beobachtet ihn mit verschränkten Armen. In seinen Augen blitzt Interesse auf, aber auch leichte Enttäuschung. „Das war’s?“, sinniert er. „Kein Widerstand?“
Groth lacht leise und klopft mit seinem Stab auf den Boden. Die Bewegung sendet eine sanfte Hitzewelle durch die Luft. „Ich bin alt, aber nicht dumm. Wenn die beiden sich gebeugt haben … dann weiß ich, dass Widerstand sinnlos ist.“ Sein Blick wird scharf.
Grixx kichert leise und wedelt träge mit dem Schwanz. „Kluger alter Mann.“
Alix zieht eine Augenbraue hoch, seine Stimme ist scharf, aber mit Zustimmung unterlegt. „Gut. Es scheint, als seist du nicht ganz blind, Groth.“ Er hält inne und betrachtet die Unterwerfung des alten Monsters mit nachdenklichem Blick.
Grixx tritt vor. „Seine Majestät Alix möchte, dass du einen Eid leistest“, erklärt er schlicht mit leiser, aber fester Stimme.
Ohne ein Wort zu sagen, kniet Groth tief nieder, sein alter Körper knarrt unter der Last der Jahre. „Ich, Groth, Meister des Feuers, schwöre dir, Alix, Herrscher über alles, was vor dir steht, meine Treue“, sagt er mit tiefer, rauer Stimme, die wie fernes Donnergrollen klingt. „Von diesem Tag an stehen meine Flammen unter deinem Befehl.“