Die Luft um die Tür ist schwer und drückend, als würde die Tür selbst sich dagegen wehren, geöffnet zu werden. Zwei gargoylesartige Kreaturen stehen regungslos zu beiden Seiten, ihre leuchtenden Augen starren nach vorne und warten auf einen Befehl.
Alix legt seine Hand auf die Tür, und die Runen leuchten heller auf, als sie ihren Meister erkennen. Mit einem leisen Grollen beginnt sich die Tür zu öffnen und gibt den Blick auf einen wirbelnden purpurroten Strudel frei, der als Eingang zum Verlies dient.
Als er den Wirbel durchschreitet, ändert sich die Szene komplett. Die Luft wird trocken und stickig, der Boden unter seinen Füßen rau und rissig wie getrocknetes Blut. Der Himmel über ihm ist gespenstisch rot und wird von einem riesigen, unblinzelnden Augapfel dominiert, der wie ein Mond schwebt und seinen Blick auf alles gleichzeitig richtet.
„Es wird nie weniger beunruhigend“, murmelt Alix und kneift die Augen zusammen, um den grotesken mondähnlichen Augapfel zu sehen.
Er scheint leicht zu pulsieren, fast so, als würde er seine Ankunft bemerken.
„Sogar der Himmel hier fühlt sich an, als würde er uns beobachten.“
Vor ihm liegt eine riesige, festungsähnliche Struktur aus geschwärztem Stein. Ihre Türme winden sich unnatürlich zum purpurroten Himmel, und an ihrer Basis steht eine weitere riesige Tür, die mit pulsierenden Adern aus dunkler Energie bedeckt ist. Alix geht ohne zu zögern darauf zu, seine Stiefel knirschen auf dem brüchigen Boden.
Als er die Tür erreicht, reagiert sie auf seine Anwesenheit, die Adern ziehen sich zurück und der Stein öffnet sich mit einem ohrenbetäubenden Knarren. Hinter der Tür befindet sich eine riesige Kammer, die von einem unheimlichen roten Licht erhellt wird.
Aber statt dem gruseligen Verlies, das man erwarten würde, ist die Szene im Inneren überraschend anders. Die Kammer ist üppig, fast surreal in ihrer Opulenz. Plüschige purpurrote Teppiche bedecken den Boden, und verzierte schwarz-goldene Möbel stehen an den Wänden. Kronleuchter aus leuchtend roten Kristallen hängen von der hohen Decke und tauchen alles in ein sanftes, überirdisches Licht. Die Luft ist erfüllt vom schwachen Duft von Weihrauch, reichhaltig und berauschend.
In der Mitte des Raumes steht ein riesiges, mit dunkler Seide drapiertes Himmelbett. Faul auf dem Bett liegt ein auffallend gutaussehender humanoider Mann mit langen, wallenden schwarzen Haaren, die im Licht schimmern wie Schuppen. Seine Augen sind durchdringend goldfarben, schmal wie die eines Raubtiers, und sein Lächeln ist scharf und wissend.
Das ist Kaelthar, Alix‘ mächtigster Untergebener, ein uralter böser Drache, der gerade seine humanoide Gestalt angenommen hat.
Zwei humanoide Monster-Dienstmädchen bedienen ihn, eine füttert ihn mit Weintrauben, während die andere purpurroten Wein in einen Kristallkelch gießt. Beide sind makellos in Dienstmädchenkleidern gekleidet, die auf seltsame Weise Eleganz und Bedrohung vereinen, wobei ihre dämonischen Züge zwar gemildert, aber dennoch erkennbar sind – Hörner, die sich anmutig krümmen, und Schwänze, die träge hinter ihnen hin und her wedeln.
Als Alix tiefer in den Raum tritt, ändert Kaelthar sofort seine Haltung. Er erhebt sich mit einer fließenden Bewegung vom Bett und fixiert Alix mit seinen goldenen Augen.
„Eure Majestät“, sagt Kaelthar mit einer Stimme voller tiefer Ehrerbietung, die in ihrer Förmlichkeit fast übertrieben wirkt. Er kniet vor Alix nieder und senkt dramatisch den Kopf. „Ihr beehrst mich mit Eurer Anwesenheit.“
Alix bleibt stehen und runzelt leicht die Stirn. Er verschränkt die Arme und sieht Kaelthar mit unamüsiertem Gesichtsausdruck an.
„Warum tust du so, als hättest du mich nicht bemerkt, als ich deinen Kerker betreten habe?“, fragt er trocken.
Kaelthar erstarrt, ein verlegendes Lächeln huscht über seine Lippen. Sein Blick huscht kurz hin und her, dann richtet er sich auf und sieht etwas verlegen aus.
„Ah, nun ja … Seht Ihr, Eure Majestät, ich war … in Gedanken versunken“, sagt er mit etwas unbeholfenem Tonfall.
Alix antwortet nicht sofort, sondern beobachtet nur das Unbehagen des Drachen. In seinem Blick liegt keine echte Wut – Kaelthars eigensinnige Persönlichkeit ist Alix nur allzu gut bekannt, da sie perfekt zu seinen Charaktereigenschaften im Spiel passt.
Kaelthar war schon immer super loyal, aber seine Gleichgültigkeit gegenüber der Welt und seiner eigenen Freiheit führt oft zu Momenten wie diesem.
„Schon gut“, sagt Alix nach einem Moment und winkt ab.
Kaelthar lacht leise und erleichtert, aber der echte Respekt, den er Alix entgegenbringt, ist unverkennbar. Er steht jetzt aufrecht da und überragt mit seiner imposanten Gestalt die kleinere Gestalt seines Meisters. Seine goldenen Augen sind voller Bewunderung, aber sie haben auch denselben distanzierten Ausdruck – als würde ihn die Welt außerhalb von Alix‘ Einflussbereich nicht sonderlich interessieren.
Alix neigt leicht den Kopf und sieht Kaelthar an, während er fragt: „Kannst du immer noch nicht aus der Stadt raus? Selbst in dieser neuen Welt?“
Kaelthars Gesichtsausdruck verändert sich, eine leichte Frustration trübt seine sonst so ruhige Miene.
„Ich kann immer noch nicht“, bestätigt er mit gemessenem Tonfall, der jedoch von Resignation geprägt ist.
„Ich hab’s versucht, weißt du, als du noch geschlafen hast. Ich dachte, wenn ich hoch genug fliege, könnte ich vielleicht durchbrechen. Aber nein. Eine unsichtbare Barriere hält mich jedes Mal auf, so wie immer. Es ist frustrierend, aber …“ Er hält inne, seine Lippen verziehen sich zu einem halben Lächeln. „Ich hab mich daran gewöhnt.“
„Nun“, sagt Alix laut, „ich hab mich bei Invasionen nie auf dich verlassen.
Die Verteidigung der Stadt passt besser zu dir.“
Kaelthar grinst, seine scharfen Zähne blitzen leicht. „Verteidigen ist viel weniger langweilig“, sagt er in leichtem Ton.
„Warum sollte ich diese Stadt überhaupt verlassen wollen? Hier habe ich alles, was ich brauche. Guten Wein, treue Diener und“, er deutet träge durch den Raum, „meinen gemütlichen kleinen Palast.“
Alix grinst über Kaelthars Lässigkeit und schüttelt leicht den Kopf. „Ich sollte den Entwicklern wohl dafür danken, dass sie diesen Typen so gestaltet haben“, denkt er.
Wild loyal und doch vollkommen zufrieden innerhalb seiner Grenzen – Kaelthars Persönlichkeit, so sorglos sie auch sein mag, passt perfekt zu seiner Rolle.
Er bleibt noch ein paar Minuten und tauscht lockere Bemerkungen mit dem Drachen aus, der keine Eile zu haben scheint, ihn gehen zu lassen. Als Alix sich schließlich erhebt, um zu gehen, verbeugt sich Kaelthar spielerisch vor ihm.
„Bleib nicht zu lange weg, Eure Majestät“, sagt Kaelthar, und seine goldenen Augen funkeln vor Vergnügen. „Ohne dich wird es in der Hauptstadt ziemlich langweilig.“
„Ich komme schon klar“, antwortet Alix trocken, bevor er durch die massive Tür tritt.
Doch statt zu seinem Thronsaal oder seinem Büro zu gehen, wendet sich Alix den Toren des Palastes zu. Die Wachen verneigen sich vor ihm, ihre Blicke voller Respekt, doch Alix winkt ab, bevor sie etwas sagen können. Er geht an den hoch aufragenden Mauern der Stadt vorbei und verlässt allein die Hauptstadt.