Jedes einzelne ist Stufe 5.
Jedes einzelne strahlt eine überwältigende elementare Präsenz aus, die sogar die Barriere warnend summen lässt.
Das erste Siegel leuchtet goldrot vor glühender Hitze:
„Fähigkeit der Stufe 5 – Sonnenbruch.“
In seiner Mitte beginnt sich eine sonnenähnliche Kugel zu bilden, die heftig mit komprimiertem Feuer und Licht pulsiert. Die Luft um sie herum verzerrt sich.
Das zweite Siegel knistert mit chaotischen weiß-blauen Blitzen:
„Fähigkeit der Stufe 5 – Donnerkrone.“
Blitze zucken nach außen und winden sich wie lebende Schlangen um Alix‘ Körper, während seine Aura vor elektrischer Wut flackert.
Das dritte –
dunkelgrün und erdig, in seiner Mitte wirbeln schwerelose Steinsplitter und Kristalle:
„Fähigkeit der Stufe 5 – Gaias Klinge“.
Der Boden unter ihnen bebt, als gezackte Erdspieße lautlos emporsteigen, bereit, auf Befehl zuzuschlagen.
Alix sagt kein Wort.
Er sieht nur Lathar an.
Der Kommandant starrt auf die drei Siegel – sein Kiefer ist angespannt, Schweiß tropft ihm trotz der Kälte von der Stirn.
Er macht einen Schritt zurück.
Dann noch einen.
Sein Körper versteift sich. Seine Instinkte schreien lauter als die Vernunft. Jede Faser seines Körpers sagt ihm, er soll weglaufen.
In dem Moment, in dem sich alle drei Fähigkeiten der Stufe 5 hinter Alix in der Luft stabilisieren – jede einzelne bereit zum gleichzeitigen Einsatz –, hebt Lathar mit einem scharfen Einatmen beide Hände.
„Okay!“, brüllt er. „Okay, okay, du hast gewonnen! Ich gebe mich geschlagen!“
Die Fähigkeiten erstarren.
Die leuchtenden Symbole halten noch einen Moment lang an – dann lösen sie sich langsam auf und werden wieder von Alix‘ Kontrolle absorbiert.
Stille.
Lathar atmet schwer aus, die Augen weit aufgerissen, die Brust hebt und senkt sich.
„… Du wolltest wirklich alle drei auf einmal einsetzen“, murmelt er mit trockener Stimme.
Alix zuckt leicht mit den Schultern. „Du hast gesagt, ich soll nicht erwarten, dass du fair spielst.“
Eine lange Pause.
Dann lacht Lathar leise und ungläubig. „Das war nicht nett. Das war Wahnsinn. Wenn du die alle auf einmal abgefeuert hättest … wäre nicht einmal Asche übrig geblieben.“
Die Barriere verschwindet.
Ein Raunen geht durch die Zuschauermenge. Die Monster starren fassungslos.
Der Katzenmensch starrt mit offenem Mund. „Hat … hat der Kommandant gerade aufgegeben?“
Das Insektoid zuckt nervös. „Das war kein Sparring. Das war eine Machtdemonstration.“
Einer der Späher murmelt: „Drei Tier 5 auf einmal … Kein Gesang … Keine Anstrengung …“
Die gefiederte Orakelin senkt leicht den Kopf. „Dieser Alix … ist niemand, den man nur nach seinem Rang beurteilen kann.“
Zurück im Ring geht Lathar zu Alix hinüber und klopft ihm auf die Schulter – noch immer außer Atem.
Er schüttelt den Kopf. „Allerdings bin ich echt beeindruckt. Du hast drei Fähigkeiten der Stufe 5 gleichzeitig eingesetzt – und zwar keine minderwertigen. Jede davon war für sich genommen tödlich.“
Alix sagt nichts, nickt nur mit einem ruhigen, unlesbaren Blick zurück.
Lathar fährt fort: „Ich habe gegen Monster, Attentäter und sogar einmal gegen einen verdammten Sturmelementar gekämpft. Aber ich habe noch nie jemanden so zaubern sehen. Kein Gesang. Keine Verzögerung. Keine Instabilität. Das ist nicht normal. Das ist chirurgisch präzise.“
Er wirft Alix einen Seitenblick zu, in seinen Augen blitzt Neugier auf. „Ehrlich gesagt … würde ich dich gerne fragen, wie du das gemacht hast. Wie trainierst du? Aber ich schätze, du hast keine Lust, das zu verraten.“
Alix‘ Gesichtsausdruck verändert sich kaum. „Ich kann es nicht.“
Alix denkt: „Selbst wenn ich wollte, könnte ich es anderen nicht beibringen.
Schließlich ist es kein Training – es ist nur ein anderes System.“
Lathar grinst. „Ja. Das hab ich mir gedacht.“
Er richtet sich auf und spricht wieder in einem schnellen Tonfall. „Wie auch immer, wir müssen weiter. Wenn du immer noch den Anführer treffen willst, ist jetzt der richtige Moment. Du hast meinen Respekt gewonnen – und die Aufmerksamkeit aller. Das reicht, um dir eine Audienz zu verschaffen, ohne dass Fragen gestellt werden.“
Er winkt Alix, ihm zu folgen, und wendet sich zum Rand der Lichtung. Die Menge teilt sich schweigend und beobachtet sie mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Vorsicht.
Lathar führt ihn zu einer schattigen Nische hinter einer Gruppe zerbrochener Steinsäulen. In den Boden eingelassen ist eine runde Plattform, in die leuchtende Runen eingraviert sind, die schwach mit Teleportationsmagie pulsieren.
Er tritt darauf und fordert Alix auf, es ihm gleichzutun.
„Das ist das Teleport-Tor zur Hauptbasis“, erklärt Lathar und legt eine Hand auf eines der Symbole. „Es bringt uns direkt zur Hauptbasis. Der Anführer mag es nicht, wenn Zeit verschwendet wird, und glaub mir, nach dem, was du gerade gezeigt hast, wird er dich sofort sehen wollen.“
Alix tritt neben ihn auf die Plattform, und die Luft beginnt zu summen.
Mit einem leisen Energieimpuls und einem Lichtblitz werden die Teleportationssiegel aktiviert – und sie verschwinden.
Kurz darauf findet sich Alix in einem Strudel aus Farben und Druck wieder, als würde er durch einen Tunnel aus roher Mana gepresst. Dann – mit einem leisen Knall – stabilisiert sich die Welt um ihn herum.
Er blinzelt einmal.
Sie stehen in einer riesigen, gewölbten Halle, die voller Bewegung und Licht ist.
Kristalline Paneele säumen die Decke und brechen das Sonnenlicht in kaskadenförmige Regenbogen, die sich über den marmorähnlichen Boden ergießen. Dutzende von Teleportationskreisen säumen den Umfang, von denen jeder alle paar Sekunden aufleuchtet, wenn Menschen – und Kreaturen – erscheinen oder verschwinden.
Alix‘ Blick schweift über die Menge. Eine Gruppe schuppiger Krieger schreitet vorbei und spricht mit scharfen, kehligen Stimmen. Eine verhüllte Elfenmagierin richtet ihren Stab aus, flankiert von einem schwebenden Augekonstrukt. Zwei insektoide Wachen überprüfen an einem Sicherheitsposten Ausweise. Ein gehörnter Händler preist leuchtende Artefakte von einem schwebenden Stand an.
Es herrscht organisiertes Chaos.
Lathar tritt vor und macht mit seiner behandschuhten Hand eine lockere Geste.
„Willkommen in der Teleportationsstation unserer Hauptbasis“, sagt er. „Dies ist einer der belebtesten Knotenpunkte der Stadt – Militär, Handel, sogar Forschung laufen hier zusammen.“
Alix‘ Blick bleibt an zwei Kindern hängen – einem Elfen und einem Katzenmenschen –, die mit kleinen Runentaschen vorbeirennen und lachen.
Lathar bemerkt das und fügt hinzu: „Ja. Hier gibt’s nicht nur Monster.
Wir haben Tiermenschen, Halbwesen, Synthetiker – was auch immer du willst. Das hier ist kein Kriegslager. Das ist eine Stadt.“
Alix beobachtet den Menschenstrom. „Ihr überlebt hier nicht nur. Ihr … gedeiht.“
Lathar grinst. „Wir können es uns nicht leisten, auseinanderzufallen. Nicht in dieser Welt. Unsere Stärke kommt aus der Einheit – ob erzwungen oder verdient.“
Sie gehen weiter durch die belebte Halle, ihre Schritte hallen über den glatten Stein, während die sich bewegende Menge ihnen einen breiten Bogen macht.
Alix schaut sich um und sagt schließlich: „Bei der Offenheit eurer Hauptbasis … willst du mir sagen, dass dieser Astram immer noch nicht weiß, wo sie ist?“
Lathar atmet kurz durch die Nase aus, halb lachend. „Oh, er weiß es. Darauf würde ich gutes Geld wetten.“
„Warum hat er dich dann nicht angegriffen?“
„Weil er es sich nicht leisten kann“, sagt Lathar und wirft einen Seitenblick. „Nicht, wenn die anderen Familien ihn wie Falken beobachten. Astram ist mächtig, ja, aber sein Einfluss auf den Thron ist nicht uneingeschränkt. Wenn er alles auf uns setzt, lässt er seine Flanken ungeschützt. Und in seiner Welt bedeutet Zögern den Tod.“
Alix zieht eine Augenbraue hoch. „Politik geht vor Macht.“
„Genau. Selbst Monster müssen langfristig denken.“
Sie verlassen das Gebäude und treten durch einen breiten Torbogen, der von lebenden Kristallranken umrahmt ist. Das Licht draußen ist warm, aber gefiltert – von der mana-reichen Luft gestreut. Was Alix hinter der Schwelle erwartet, ist ein Anblick, den er nicht erwartet hat.
Vor ihnen erstreckt sich eine riesige, mehrstöckige Stadt, voller Leben und vielschichtiger Architektur. Strukturen aus glasartigem Stein und leuchtendem Metall ragen in eleganten Bögen empor. Himmelsbahnen schlängeln sich zwischen den Türmen hindurch. Schwebende Plattformen treiben gemächlich in der Luft. Bäume wachsen auf den Dächern und in vertikalen Gärten und koexistieren mit magisch-technischen Anlagen und Runenlaternen.
Die Stadt pulsiert vor Natur und Design – lebendig, dynamisch und unverkennbar fortschrittlich.
Alix hält inne und nimmt alles in sich auf.
Zwar ist sie nicht so groß wie seine eigene Hauptstadt, was die schiere Größe und den königlichen Prunk angeht, aber in Bezug auf Harmonie, Infrastruktur und kulturelle Vielfalt ist dieser Ort etwas ganz Besonderes.
„Im Vergleich zu den Städten in den Drei Königreichen“, denkt Alix, „ist diese Stadt hundertmal fortschrittlicher.“
Lathar beobachtet seinen Gesichtsausdruck, ein Hauch von Stolz in seiner Stimme. „Nicht schlecht, was?“
Alix nickt langsam. „Es ist … mehr, als ich erwartet habe.“
„Gut. Dieses Gefühl solltest du dir merken.“ Lathar geht einen geschwungenen Weg entlang, der zu einem hoch aufragenden Turm in der Ferne führt, der von schimmernden Barrieren und Wachen flankiert wird.
Sie nähern sich dem zentralen Turm, der höher ist als jedes andere Gebäude, das Alix in dieser Stadt gesehen hat. Seine Oberfläche glänzt wie Obsidian und ist mit leuchtenden Mana-Adern durchzogen, die im Rhythmus pulsieren, als würde das Gebäude selbst atmen.
Die Wachen treten lautlos beiseite, als sie sich nähern, und eine breite, mit Runen verschlossene Tür öffnet sich wortlos. Ein tiefes Summen hallt aus dem Inneren.
Sie treten ein.
Der Innenraum ist höhlenartig – eher eine Kathedrale als eine Halle. Massive Gewölbebögen wölben sich hoch über ihnen, jeder von ihnen von monolithischen Säulen gestützt, die im Zauberlicht schimmern. Am anderen Ende der Halle, auf einer Plattform aus schwarzem Stein und uralten Wurzeln, sitzt er.
Der Anführer.
Eine kolossale Gestalt, mindestens sieben Meter groß, sitzt auf einem Thron aus lebendem Kristall und versteinerten Knochen. Seine Form ist vage menschenähnlich – aber nur in der Silhouette. Alles andere ist monströs.
Dicke, panzerartige Schuppen bedecken seinen Körper, matt vulkanisch schwarz mit Rissen, die schwach wie Magma leuchten. Seine Arme sind lang und wie Belagerungswaffen gebaut und enden in Krallen.
Eine wallende Mähne aus dunkelroter Energie hängt hinter seinem Kopf wie ein brennender Umhang. Hörner winden sich an den Seiten seines Schädels empor, und seine Augen – geschmolzenes Gold, scharf wie Klingen – fixieren sofort Alix.
Die Luft wird schwerer.
Der ganze Raum reagiert auf seine Anwesenheit. Die Mana verdichtet sich. Das Licht wird schwächer. Sogar der Boden scheint sich unter seinem Blick zu verspannen.
Lathar senkt den Kopf und kniet nieder, eine Faust auf den Boden gedrückt.
Alix kniet nicht nieder.
Die Stimme des Anführers hallt wie fernes Donnergrollen durch den Raum, tief und schwer. „Lathar. Du bist hier. Ist etwas schiefgelaufen?“
Lathar hebt den Kopf, seine Stimme ist ruhig. „Nein, mein Herr. Es ist alles in Ordnung. Ich bringe jemanden mit … jemanden Außergewöhnlichen.“
Der Blick aus geschmolzenem Gold wandert zu Alix und bleibt dort haften.
Lathar steht auf, wirft Alix einen kurzen Blick zu und wendet sich dann wieder dem Thron zu. „Das ist Alix. Er ist zu unserem Außenposten gekommen und hat darum gebeten, sich uns anzuschließen. Aber er hatte eine Bitte – er wollte dich persönlich sprechen.“
Ein Grollen hallt durch die Luft, nicht ganz ein Knurren, nicht ganz Sprache. Die Präsenz des Anführers wird stärker.