Die Teleportation verlief nicht reibungslos. Das war sie noch nie. Selbst wenn sie perfekt ausgeführt wurde, führten die räumlichen Verschiebungen zu einer Desorientierung des Körpers, der durch unbekanntes Terrain taumelte, während sich die Realität wieder einstellte. Ich schlug hart auf dem Boden auf und rollte gegen etwas Festes, das sich kühl anfühlte und leicht leuchtete. Ich stöhnte und zwang meine Glieder, wieder zu gehorchen, während die letzten Spuren der Verzerrung verschwanden.
Ein Wald. Nicht irgendein Wald – ein Ort, der in tiefes, königliches Violett getaucht war und wie eine Ölpest unter einer unsichtbaren Lichtquelle schimmerte. Die Bäume waren nicht naturgrün, sondern hatten eine überirdische Farbe, und ihre biolumineszierenden Adern pulsierten vor Energie. Ein dünner Nebel hing in der Luft und trug ein leises, elektrisches Summen mit sich.
Die magnetische Anziehungskraft der Waldmana war berauschend, reichhaltig und konzentriert, als wäre ich an einen Ort getreten, an dem die Magie selbst lebendig war.
Ein raschelndes Geräusch durchbrach die Stille, das leise Geräusch von etwas Großem, das sich mit bedächtiger Anmut bewegte. Ich drehte mich um, mein Körper schmerzte noch von meinen früheren Verletzungen, und zwang meine Sinne, sich zu konzentrieren.
Wie hatte ich das vorher nicht bemerkt?
Dann trat sie vor.
Luna.
Ein Qilin. Nicht das Fabelwesen aus meiner alten Welt, sondern etwas viel Mächtigeres. Ihre Gestalt strahlte eine ätherische Leuchtkraft aus, ein Wesen, das aus dem Konzept der Göttlichkeit selbst geformt schien. Ihre Mähne schimmerte und warf silbernes Licht durch die Bäume, als trüge sie in jeder Strähne die Überreste eines sterbenden Sterns. Der Boden bebte leicht unter ihren Hufen, nicht durch Kraft, sondern durch ihre bloße Anwesenheit.
Die Luft um sie herum vibrierte vor roher, ungezügelter Kraft, die allein durch ihre Existenz die Realität verzerrte.
Ich hatte schon zuvor Stärke gesehen. Ich hatte vor Luzifer gestanden. Ich hatte Alastor Creighton dabei zugesehen, wie er Magie demonstrierte, die so präzise war, dass sie sich wie ein Naturgesetz anfühlte. Aber Luna … sie war etwas anderes. Etwas Ungezügeltes.
Ihre Augen trafen meine, und ich fühlte mich, als stünde ich am Rand eines Ozeans und starrte in eine Tiefe, die so unermesslich war, dass sie mich verschlingen konnte.
„Wie seltsam.“ Ihre Stimme war kein Ton, sondern ein Verständnis, etwas, das direkt in das Gewebe meiner Gedanken eingewoben war.
Ich fand keine Worte.
Sie neigte leicht den Kopf, und ein amüsiertes Lächeln huschte über ihr himmlisches Gesicht. „Ich hatte erwartet, dass der andere hier eintreffen würde, wenn auch erst in ein paar Monaten, nicht du.“
Die Worte machten sofort Sinn. „Luzifer“, hauchte ich.
„Derjenige, der zum König bestimmt ist“, sinnierte Luna, und ihre Stimme klang voller Überzeugung. „Doch du bist es, der vor mir steht.“
Eine Pause. Ein flüchtiger Ausdruck der Verwunderung huschte über ihr Gesicht, so kurz, dass ich es kaum wahrnahm. „Du bist … unerwartet.“
Ein Schauer durchlief mich, aber es war keine Angst. Das war neu. Alles an mir war für sie falsch, eine Anomalie, die sie nicht vorhergesehen hatte.
In all der Zeit, die ich hier verbracht hatte, mit all den Vorteilen, die das Wissen um die Zukunft mit sich brachte, war ich noch nie mit etwas – oder jemandem – konfrontiert worden, das die Fäden des Schicksals sehen konnte und mich dennoch nicht sah.
Ein Schauer, den ich nicht benennen konnte, lief mir über den Rücken.
Luna trat vor und verringerte den Abstand zwischen uns. Ich bewegte mich nicht. Ich konnte mich nicht bewegen. Ihr Blick hielt mich fest und durchdrang mich mit einer Intensität, die weniger wie Anschauen, sondern eher wie Verstehen wirkte. Einen Moment später fühlte ich mich schwerelos, mühelos von einer unsichtbaren Kraft angehoben. Sie heilte mich.
Die blauen Flecken verblassten. Der Schmerz in meinen Rippen ließ nach, die Spuren des Angriffs der Abyssal Tide Serpent verschwanden, als wären sie nie da gewesen.
„Faszinierend“, murmelte Luna und trat noch näher. Ihre Augen, zwei Nebelwolken mit unergründlicher Tiefe, fixierten meine. „Du bist nicht wie andere an die Zwänge des Schicksals gebunden.“
Ich schluckte schwer. „Was … bedeutet das?“
„Es bedeutet, dass nur du allein deine Geschichte schreiben kannst“, sagte sie einfach, als würde sie eine Tatsache der Natur feststellen. „Du bist nicht in das Schicksal eingewoben. Du bewegst dich außerhalb davon.“
Eine Last legte sich auf mich, etwas Tiefes, etwas Grundlegendes. Mir war nie wirklich bewusst gewesen, was meine Existenz in dieser Welt bedeutete. Ich hatte angenommen, dass ich einfach nur Arthur ersetzte. Dass ich seine Rolle im großen Plan der Dinge übernahm.
Aber Luna sprach nicht von Ersetzen. Sie sprach von Loslösung. Davon, jenseits des kosmischen Entwurfs zu existieren.
„Also“, sagte Luna, trat einen Schritt zurück und lächelte, „ich werde dir eine Chance geben.“
Es gab keine Vorwarnung.
Ihre Finger berührten leicht meine Stirn, und plötzlich gaben meine Knie nach. Meine Seele fühlte sich an, als würde sie gleichzeitig gedehnt, untersucht, entwirrt und neu gewebt. Meine Sicht verschwamm, mein Bewusstsein schwankte am Rande eines Abgrunds.
Eine Stimme – nicht die von Luna – flüsterte am Rande meines Bewusstseins.
„Hm. Das ist anders. Das sollte er nicht … Ach, egal. Es hat keinen Sinn, sich zu wehren.“
Ich versuchte, mich an irgendetwas festzuhalten, aber bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, entglitt mir die Realität.
Als ich aufwachte, lag ich auf einer Lichtung, meinen Kopf auf etwas Weichem. Eine Hand – kühl, sanft – fuhr durch mein Haar. Das Gefühl war so fremd, so beruhigend, dass ich fast nicht reagierte.
Dann wurde mir klar, wer es war.
Luna.
Nicht in ihrer Gestalt als himmlisches Tier, sondern als Frau.
Ihre menschliche Gestalt war ebenso atemberaubend, ihr langes violettes Haar fiel in weichen Wellen herab, ihre goldenen Augen waren vor Belustigung halb geschlossen. Selbst jetzt strahlte sie Macht aus, eine unbestreitbare Kraft, die die Welt um sie herum verbog. Doch in diesem Moment wirkte sie fast … verspielt.
Ich blinzelte, noch benommen. „Warum …?“
„Ihr Menschen genießt das doch, oder?“ fragte sie und neigte neugierig den Kopf. „Ein Schoßkissen, wie man das wohl nennt?“
Ich war sprachlos.
Ein echtes göttliches Tier gab mir ein Kissen auf den Schoß.
Luna kicherte und strich mir eine lose Haarsträhne aus der Stirn. „Du hast dich verändert, weißt du. Die Kraft in dir hat sich verändert.“
Kraft.
Ich ging in mich hinein – und spürte sie. Eine Wärme, fremd und doch vertraut, die sich tief in mein Innerstes eingegraben hatte.
Ihre Tierkraft.
Lunas Wesen, jetzt ein Teil von mir.
„Versuch, die Lucent Harmony zu aktivieren“, wies sie mich leise an. „Sie ist der Schlüssel, um meine Kraft zu nutzen.“
Ich schloss die Augen und griff nach dem Symbol, das in meinen Manakern eingeprägt war. Silbernes Licht blühte auf, breitete sich in meinen Adern aus und schärfte meine Sinne über alles hinaus, was ich je gekannt hatte. Ich konnte die Welt spüren. Die Mana in der Luft, das Pulsieren des Lebens in der Ferne, die Energie, die alle Lebewesen verband.
Ich schnappte nach Luft. Das … das war astralische Klarheit. Eine Wahrnehmungsebene, die weit über meinen Rang hinausging.
Luna lächelte. „Jetzt zapf die Elemente an. Die, die du noch nie zuvor berührt hast.“
Ich streckte erneut die Hand aus, und die Welt kippte. Die Zeit wellte sich. Die Schwerkraft gab unter meiner Wahrnehmung nach. Licht und Dunkelheit wanden sich an meinen Fingerspitzen und hielten sich in empfindlicher Harmonie im Gleichgewicht.
Luna sah zu und nickte anerkennend. „Du hast Potenzial.
Aber du bist noch ungeschliffen. Du wirst Zeit brauchen, um es zu meistern.“
Sie erhob sich langsam und nahm augenblicklich wieder ihre himmlische Gestalt an. Die Qilin ragte erneut über mir auf, eine Wächterin des Himmels, deren Präsenz gewaltig und mir doch seltsam vertraut war.
Luna trat zurück und kniff ihre himmlischen Augen zusammen, als sähe sie mich zum ersten Mal – nicht als Anomalie, sondern als etwas grundlegend Falsches.
Ich konnte es auch spüren.
Die Wärme ihres Tierwillens breitete sich in meinem Innersten aus, aber sie verschmolz nicht reibungslos mit mir. Sie schlug gegen meine Manakanäle wie Wasser, das sich durch rissige Rohre drängt und auf jedem Meter Widerstand findet. Mein Körper zitterte, mein Atem ging schnell und unregelmäßig.
Dann runzelte Luna die Stirn.
„… Was hast du dir angetan?“ Ihre Stimme klang nicht nur neugierig, sondern besorgt.
Ich war kaum bei Sinnen, um zu antworten, aber ihr Blick – diese Intensität – zwang mich, Worte herauszupressen. „Ich habe trainiert.“
„Du hast dich selbst zerstört“, korrigierte sie, trat näher und musterte mich, als würde sie die Struktur meines Wesens lesen. „Deine Kreisläufe … Sie wurden immer wieder zerstört und neu aufgebaut. Das ist nicht normal. Das ist unnatürlich.“
Ich biss die Zähne zusammen. „Es hat doch funktioniert, oder?“
Luna atmete scharf aus. „Ja. Aber um welchen Preis?“
Bevor ich antworten konnte, durchfuhr mich eine Welle.
Der Beast Will hatte sich nicht nur eingelebt – er drängte sich mit Gewalt seinen Weg, stürmte in jede Bruchstelle und füllte jedes zerbrochene Stück meines Manasystems wie geschmolzenes Gold in zerbrochenes Porzellan.
Mein Kern – bereits durch das brutale Training, das ich durchgemacht hatte, bis zum Äußersten gedehnt – durchbrach ohne zu zögern die letzte Barriere.
Hoher Silberrang.
Die Veränderung erfolgte augenblicklich.
Meine Wahrnehmung explodierte, mein Mana stabilisierte sich zu etwas Schärferem, Kontrollierterem und doch Wilderem. Mein ganzer Körper pulsierte vor neu gewonnener Kraft, das Gefühl, dass rohes Mana endlich ungehindert floss.
Lunas Augen weiteten sich – nicht vor Angst, nicht vor Ehrfurcht, sondern vor Verständnis.
„Du hättest dieses Niveau noch nicht erreichen sollen.“ Ihre Stimme war leiser, ihr Blick berechnend. „Und doch hast du es geschafft. Weil du deinen Körper über seine Grenzen hinausgetrieben hast – nicht einmal, nicht zweimal, sondern wiederholt.“
Ich hielt ihrem Blick stand und atmete jetzt ruhig. „Ich habe nicht den Luxus, warten zu können.“
Es herrschte einen Moment lang Stille. Dann lachte Luna – ein leises, wissendes Lachen, das etwas Unlesbares in sich trug.
„Du bist entweder der entschlossenste Mensch, den ich je getroffen habe“, sagte sie mit einer Spur von Belustigung in der Stimme, „oder der selbstzerstörerischste.“
Ich korrigierte sie nicht. Beides stimmte.
Sie schüttelte den Kopf, ihr Umriss flackerte leicht. „Na gut. Mal sehen, ob deine Leichtsinnigkeit dir etwas nützt.“
Damit verschmolz ihre Präsenz mit meiner, und die Worte, die sie mir hinterließ, hallten in meinem Kopf wider.
„Jetzt … zeig mir, wozu du wirklich fähig bist.“