Atticus starrte mit scharfem Blick auf die gesichtslose Maschine, die wie ein Todesurteil vor ihm stand.
„Die Daten früherer Katana-Kämpfer …“
Atticus war ein bisschen neugierig auf diesen Teil. Nach der vierten Prüfung mit dem Katana hatte er seinen Geistführer nach seinem überwältigenden Sieg über ihn absorbiert.
Dadurch hatte er alles erlangt, was der Geist in seinem Leben erreicht hatte, einschließlich seiner Fähigkeiten mit dem Katana.
Diese waren umfangreich und aufschlussreich gewesen. Aber jetzt war Atticus neugierig, ob dieses Ding ihm etwas Neues zeigen würde.
Viktor erreichte den Rand der Insel und holte ein tabletähnliches Gerät hervor. Als er es einschaltete, erschien plötzlich ein Livebild von Atticus und dem Roboter.
„Fang an.“
Bei seinen Worten schien sich die Luft um die große Insel zu verändern, und ein leichter Wind wehte.
Die leichte Brise fegte über die Lichtung und trug die trockenen Blätter mit sich, die sich auf dem Feld angesammelt hatten.
Für einen Moment schien die Zeit zwischen Atticus und dem gesichtslosen Roboter still zu stehen.
Die Blätter schwebten zwischen ihnen wie ein dünner Schleier, eine zerbrechliche, flüchtige Barriere.
In dem Moment, als das letzte Blatt vorbeiflog, wurde Atticus‘ Blickfeld leer.
Der Roboter war verschwunden.
Ein schriller Pfiff durchdrang die Luft.
Wie ein Phantomschlag senkte sich eine Klinge auf Atticus herab.
Die Luft wurde zerschnitten, eine gefährliche Absicht erfüllte den Raum und drückte mit dem Gewicht eines erfahrenen Henkers auf ihn herab.
Doch Atticus blieb ungerührt.
Sein Katana blieb in der Scheide. Seine Haltung war starr, aufrecht, unerschütterlich. Dann –
bewegte er sich.
Eine leichte Unschärfe. Eine bloße Verschiebung.
Sein Körper schwankte zur Seite, anmutig, ohne Eile, als würde er nur einer aufkommenden Brise ausweichen.
Die Klinge schlug ein.
BOOOOM!
Die Schockwelle spaltete die Erde, eine gezackte Linie riss sich Dutzende Meter lang durch den Boden. Trümmer flogen in die Luft.
Atticus würdigte das Ganze kaum eines Blickes.
„Ein normaler Schwung, aber mit Technik … stärker als ein Standardschlag.“
Seine Augen flackerten. Er beobachtete nicht nur den Angriff, sondern auch die subtilen Details darin.
Die Fußstellung. Die Gewichtsverteilung. Der Abfallwinkel.
Die Maschine hatte ihren gesamten Körper in den Schlag gedreht und ihren Schwerpunkt im letzten Moment verlagert, um maximale Kraft zu erzielen.
„Raffiniert. Aber einfach.“
Die Maschine machte keine Pause.
Sie drehte sich um ihren Standfuß, ihr Katana schnappte in einem kontrollierten Bogen nach oben und zielte direkt auf seine Rippen.
Aber Atticus lehnte sich einfach zurück.
Die Klinge streifte seine Brust und verfehlte ihn um Haaresbreite.
Doch bevor der Schwung vollendet war, drehte sich das Handgelenk des Roboters, kehrte die Bewegung um und das Katana schoss in einer peitschenartigen Bewegung zurück in Richtung seiner Kehle.
„Eine Finte innerhalb einer Umkehrung. Beeindruckend.“
Aber nicht genug.
Atticus hob die Hand, drückte zwei Finger gegen die flache Seite der Klinge und stoppte ihren Schwung vollständig.
Mit einem sanften Stoß lenkte er sie weg, bevor er einen Schritt zurücktrat.
Die Maschine passte sich sofort an.
Ihre Bewegungen waren ohne zu zögern. Keine unnötigen Bewegungen. Jeder Angriff ging nahtlos in den nächsten über.
Sie nahm eine neue Haltung ein, senkte die Klinge, hielt sie in einer schrägen Abwehrhaltung, deren Spitze Atticus kaum noch berührte.
Eine Schnellzugtechnik.
Dann –
verschwand sie wieder.
Ein Windstoß explodierte nach außen, aber Atticus hatte ihn bereits vorausgesehen.
„Iaido-Stil. Nutzt die Ziehgeschwindigkeit für blitzschnelle Schläge.“ Atticus erkannte es sofort. Er hatte zwar nicht alle diese Stile persönlich studiert, aber der Geist, den er in sich aufgenommen hatte, kannte sie.
Er bewegte sich nicht.
Nicht, bis ein schwacher Stahlglanz in seinem Augenwinkel aufblitzte.
Der Roboter zog die Klinge aus der Scheide, eine einzige rasiermesserscharfe silberne Linie, die schneller als der Schall durch die Luft schnitt.
Atticus wich zur Seite aus.
Das Katana zischte an seinem Ohr vorbei und streifte einige Strähnen seines weißen Haares.
Der zweite Hieb folgte, noch bevor der erste zu Ende war, ein Aufwärtsbogen, der ihn von der Hüfte bis zur Schulter halbieren sollte.
Aber der Roboter hatte seine Ausweichbewegung bereits einkalkuliert.
Der zweite Hieb folgte, noch bevor der erste zu Ende war, ein Aufwärtsbogen, der ihn von der Hüfte bis zur Schulter halbieren sollte.
Atticus drehte sich mitten im Schritt um, sein Körper senkte sich, als die Klinge an seiner Brust vorbeischoss.
Der Boden hinter ihm spaltete sich, als hätte eine unsichtbare Sense ihn gerade durchschnitten.
„Die Daten unzähliger Meister, hm …“, dachte Atticus. Die Bewegungen des Roboters waren einfach, aber perfekt. Jede einzelne seiner Bewegungen basierte auf Technik, und Atticus konnte endlich seinen Zweck verstehen.
„Keine zusätzlichen Kunstgriffe oder auffälligen Kräfte, nur das Katana.“
Es war eine Waffenübungsstunde. Ihr Zweck war es, die Kampfkunst und Effizienz der Rekruten im Umgang mit ihren Waffen zu verbessern.
Die Maschine wechselte erneut ihre Haltung und änderte augenblicklich ihren Stil.
Diesmal nahm sie eine fließende, fast formlose Haltung ein.
Atticus‘ Augen blitzten auf.
„Hmm …“
Ein Stil, der keiner strengen Form folgte.
Eine anpassungsfähige Haltung.
Sie benutzte nicht nur aufgezeichnete Schwertkämpfe, sondern passte sich auch ihm an.
Atticus‘ Bewegungen waren einfach, kaum wahrnehmbar und ausweichend. Er zog sein Katana nicht und versuchte auch nicht, Angriffe abzuwehren.
Er wich einfach aus und beobachtete. Ihre Bewegungen waren nur noch verschwommene Schatten, doch die Folgen ihres Kampfes waren verheerend.
Die ganze Insel bebte.
Spalten rissen auf, gezackt und unerbittlich, schlängelten sich wie Risse auf zerbrochenem Glas über das Gelände.
Doch trotz dieser Zerstörung blieb Atticus unversehrt.
Seine Bewegungen waren einfach. Subtil. Effizient.
Er schlug nie zurück.
Nie trafen die Klingen aufeinander.
Er zog nicht einmal sein Katana.
Er schlängelte sich einfach durch das Chaos, seine Gestalt ein geisterhafter Schemen, sein Blick scharf, beobachtend. Verstehend.
Es war eine Szene, die Drill-Sergeant Viktor einen Schock versetzte.
„Was? …“ Er war verwirrt.
Dieser Trainingsroboter war von den besten Köpfen der Allianz entwickelt worden und darauf programmiert, die Besten der Besten nachzuahmen, die Eldoralth jemals hervorgebracht hatte.
Er war nicht nur dafür ausgelegt, Angriffe auszuführen, sondern sich an alles anzupassen und dabei die Erfahrung von Meistern zu nutzen.
Atticus war zweifellos talentiert und für sein Alter mächtig, aber was Viktor glaubte, was dem Kind fehlte, was jeder glauben würde, war Erfahrung.
Im Vergleich zum Roboter hätte Atticus ein Säugling sein müssen, der einem tausendjährigen Wesen gegenüberstand.
Und doch war es der Roboter, der ausgespielt wurde.
„Woher kam all diese Erfahrung?“
Atticus bewegte sich wie ein erfahrener Soldat, elitär und wissend.
Es sah so aus, als würde er dem Roboter eine Lektion erteilen.
„Eine Woche …“, wiederholte Viktor in seinem Kopf.
Das war seine Vermutung gewesen, aber jetzt war das Ergebnis offensichtlich.
Klingen zischten durch die Luft, jeder Schlag war schärfer, schneller, raffinierter.
Er setzte alles ein: präzise Fußarbeit, kalkulierte Finten, unvorhersehbare Übergänge, die Krönung jahrhundertelanger Erfahrung, komprimiert in einem einzigen, gesichtslosen Krieger.
Und doch traf er nichts.
Atticus wich plötzlich einer Salve schneller Schläge aus und sein Blick wurde schärfer.
„Ich glaube, das war’s.“ Er hatte das Gefühl, dass der Roboter ihm nichts mehr beibringen konnte.
Dann endlich bewegte er sich.
Ein einziger Schlag.
Seine Faust schlug gegen die Brust des Roboters.
BOOM!
Die Maschine flog zurück, rutschte über den harten Boden und zerschmetterte die Erde unter sich.
Sie hob den Kopf, ihr gesichtsloser Körper war ausdruckslos, doch die Luft veränderte sich.
Denn jetzt griff Atticus nach seinem Katana.
Sein Daumen schob die Klinge vorsichtig aus der Scheide, nur ein kleines Stück.
Die Luft zitterte.
Und dann –
Ein Blitz.
Ein Lichtstreifen.
Der Roboter blieb regungslos stehen.
Einen Moment lang sah es so aus, als wäre nichts passiert.
Dann fiel er auseinander.
Ruhig. Nahtlos. Absolut.
Die Insel war still.
„Die Kunst des Katana ist immer noch die beste“, meinte Atticus und schaute gleichgültig auf die Teile des gesichtslosen Roboters. Er schien nichts gemacht zu haben.
„Ich hab dir doch gesagt, dass das Zeitverschwendung ist.“
Er seufzte, als er Ozeroths Worte hörte.
„Ich weiß. Keine Sorge, ich werde den Rest der Tests schnell durchziehen, damit er uns alleine trainieren lässt.“
Gerade als Atticus Viktor rufen wollte, wurde sein Blick scharf, als er eine Präsenz spürte, die sich der Insel näherte.
Atticus wandte seinen Blick zum Himmel und sah einen Mann mit einem aufgeregten Lächeln über ihm schweben.
Er trug die mitternachtsblaue Uniform des Militärs und hatte alle Merkmale der Evolari-Rasse.
Er klatschte in die Hände, so laut, dass es über die ganze Insel hallte.
„Spektakulär! Dein Kampfinstinkt und deine Beobachtungsgabe sind außergewöhnlich. General Atticus Ravenstein, du hast mein Lob verdient.“
Atticus starrte den Mann mit zusammengekniffenen Augen an. Die Aura des Mannes umhüllte die gesamte Insel.
Ein Vorbild.
„Ein Starker.“
Atticus schwieg, woraufhin das Lächeln des Mannes breiter wurde.
„Entschuldige, ich habe mich noch nicht vorgestellt.“ Er senkte sich zu Boden und landete sanft.
„Mein Name ist Colonel Zenon, und ich bin für das Militärlager verantwortlich.“
„…“
Atticus sagte immer noch nichts, sondern neigte nur leicht den Kopf, unbeeindruckt. Er spürte keine böse Absicht bei diesem Mann, also blieb er ruhig.
Allerdings fragte er sich immer noch, was die Evolari von ihm wollten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er irgendetwas mit diesem Mann zu tun hatte.
Zenon strich mit den Fingern über seine Uniform und lachte leise.
„Weißt du“, sagte er und sah sich um, „der Berg, den du gerade zerstört hast …“
„Das war ein Denkmal. Jede Generation von Rekruten wurde auf diesem Berg auf die Probe gestellt. Er war ein Beweis für ihre Ausdauer, ihre Willenskraft, ihren Rang.“
Er wandte seinen Blick wieder Atticus zu.
Es hallte über die Insel, als hätte er gerade das Unterhaltsamste auf der Welt gehört.
„Und doch hat es in unserer gesamten Geschichte noch nie ein Rekrut zerstört.“
Zenon machte einen langsamen Schritt nach vorne, die Hände hinter dem Rücken.
„Also sag mir, General Atticus Ravenstein …“
Seine Stimme senkte sich leicht.
„Warum?“
Atticus‘ ungleiche Augen blieben ruhig, als er antwortete.
„Um eine Botschaft zu senden.“
Er neigte den Kopf leicht.
„Hast du sie erhalten?“
Einen Moment lang herrschte Stille.
Dann –
Zenon lachte.
Laut.
Es hallte über die Insel, als hätte er gerade das Lustigste auf der Welt gehört.
„Ob ich sie erhalten habe? Oh, ich habe sie sehr gut erhalten.“
Er lächelte noch breiter, völlig amüsiert.
„Du bist nicht nur eine Anomalie mit roher Gewalt, oder? Du bist etwas ganz anderes.“
Sein Blick wurde schärfer, fasziniert.
„Jetzt mal im Ernst.“
Seine Ausstrahlung beruhigte sich, aber sein Gesichtsausdruck blieb intensiv.
„Ich finde dich … sehr interessant.“
Er machte einen weiteren Schritt nach vorne und musterte Atticus.
„Du bist eine Seltenheit.“
„Ein unvergleichliches Talent.“
„Und dein Verstand …“ Sein Lächeln wurde breiter.
„Der ist spektakulär. Faszinierend. Gefährlich.“
Dann streckte er ihm die Hand entgegen.
„General Atticus Ravenstein, ich würde gerne dein Freund sein.“
Seine goldenen Augen funkelten.
„Was sagst du dazu?“