„Was ist das für ein Mond, und ist er es, der meine Mana entzieht?“
„Er ist als Blutmond bekannt, und ja, er ist dafür verantwortlich, dass deine Mana entzogen wird“, antwortete der Geist.
Atticus runzelte die Stirn.
„Ist das das Einzige, was er entzieht?“
„Ja. Je länger du unter seinen Strahlen bleibst, desto mehr Mana entzieht er“, bestätigte der Geist.
„Gibt es eine Möglichkeit, das zu verhindern?“
Der Geist schüttelte den Kopf. „Solange seine Strahlen dich berühren, bist du davon betroffen.“
Atticus runzelte die Stirn. Er befand sich in einem Wald voller hoch aufragender Bäume, die reichlich Schutz vor den Strahlen boten. Dennoch wusste er, dass es nicht so einfach sein konnte.
„Ich kann nicht einfach an einem Ort bleiben“, dachte er und seufzte.
Ohne weitere Zeit zu verschwenden, nahm er einen entschlossenen Ausdruck an, seine Augen wurden scharf, als er in die Tiefen des Waldes blickte. Seine Beine spannten sich an.
Der Boden unter ihm barst, als Atticus mit unglaublicher Geschwindigkeit vorwärts schoss.
Seine Beine bewegten sich schnell und lautlos und durchquerten den Wald, als wäre es sein Revier.
Trotz seiner Geschwindigkeit waren seine Sinne in höchster Alarmbereitschaft. Seine Augen huschten umher, suchten nach Bewegungen, während seine anderen Sinne sich ausdehnten und nach allem Ungewöhnlichen suchten.
Der Wald blieb jedoch unheimlich still.
„Gibt es keine Tiere?“, fragte sich Atticus. Sein Blick flackerte, als er bemerkte, dass er sich einer baumlosen Stelle näherte.
Er wurde schneller und innerhalb von Sekunden brach er aus dem Laubwerk hervor und kam abrupt zum Stehen.
Seine scharfen, ruhigen Augen suchten die Umgebung ab.
„Der Boden ist anders.“
Er stand immer noch auf dem weichen Waldboden, aber vor ihm, so weit das Auge reichte, erstreckte sich eine rein weiße, glatte Fläche.
„Überhaupt nicht verdächtig“, murmelte Atticus leise vor sich hin.
Der starke Kontrast zwischen dem dunkelbraunen Waldboden und dem makellos weißen Untergrund war auffällig. Selbst der Naivste hätte gemerkt, dass hier etwas nicht stimmte.
Atticus machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne, tippte mit dem Fuß leicht auf den weißen Boden und zog ihn dann schnell zurück. Die Bewegung wirkte fast komisch, als würde er die Temperatur eines Pools testen.
„Es ist hart“, stellte Atticus fest. Der Boden war genau so, wie er aussah: unnatürlich glatt und fest. Er merkte, dass etwas Besonderes daran war.
Aber seine Härte war nicht seine größte Sorge.
„Erzähl mir von dem Boden, den ich gerade berührt habe“, bat Atticus.
Der Geist staunte nicht mehr über Atticus‘ Einfallsreichtum und antwortete schnell.
„Dies ist eine Heilungsplattform. Egal, wie stark sie beschädigt wird, sie heilt sich selbst und kehrt sofort in ihren ursprünglichen Zustand zurück.“
„Befinden sich derzeit Lebewesen darin?“
Der Geist hielt inne, da er spürte, dass Atticus nicht nach Tieren fragte, sondern nach der Plattform selbst. Ein leises Lachen entrang sich seinen Lippen.
„Ja, das gibt es.“
„Wie viele Arten leben darin?“
„Eine.“
„Stellt der Boden selbst eine Gefahr für mich dar?“
Der Geist schüttelte den Kopf.
„Wie überlebe ich, während ich die Plattform überquere?“
Der Geist atmete leise aus, beeindruckt von der Flut an Fragen.
„Du gehst, rennst oder fliegst sehr vorsichtig, ganz wie du möchtest.“
Atticus kniff die Augen zusammen. „Wie lang ist die Plattform?“
„Mehr als tausend Kilometer“, antwortete der Geist.
„Mist. Dann kann ich nicht darüber fliegen“, dachte Atticus und sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich.
Da der Mond ihm seine Mana entzog, konnte Atticus die wirbelnde Mana nicht nutzen, um eine so lange Strecke zu fliegen. Er hätte lange vor Erreichen des Ziels keine Mana mehr gehabt.
„Ist das die Plattform, auf der die zweite Herausforderung stattfinden wird?“, fragte er scharf.
„Ja“, bestätigte der Geist und klang etwas resigniert.
Zu diesem Zeitpunkt war der Geist mental erschöpft. Diese Herausforderung sollte voller Überraschungen sein, aber Atticus‘ scharfer Instinkt und seine unerbittlichen Fragen entlarvten jede Wendung, bevor sie sich vollständig entfalten konnte. War das überhaupt noch eine Herausforderung?
Atticus richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Plattform und betrat sie.
„Nichts.“
Er nahm die fehlende Reaktion zur Kenntnis, bevor er weiterging. Die Worte des Geistes hallten in seinem Kopf wider.
Vorsichtig.
Und im Moment war Atticus mehr als vorsichtig. Seine Sinne waren hellwach, seine ganze Aufmerksamkeit galt der harten, kargen Plattform unter ihm.
Es war offensichtlich, dass jede Bedrohung, die ihn erwartete, aus dem Boden aufsteigen würde.
Seine Schritte waren leicht und bedächtig. Jede Berührung seiner Füße mit der unnatürlich glatten Oberfläche sandte subtile Vibrationen durch seinen Körper, während er nach Anzeichen von Gefahr suchte.
Die Zeit verging. Eine Stunde verging. Dann noch eine. Die Stille war bedrückend, fast wahnsinnig machend.
Atticus runzelte die Stirn. „Immer noch nichts?“
Er hatte eine beträchtliche Strecke zurückgelegt, doch es war keine Gefahr aufgetaucht. Gerade als er überlegte, eine Frage an den Geist zu formulieren, passierte es.
Eine leichte Bewegung unter seinen Füßen.
Keine Vibration, nur eine winzige Verschiebung des Bodens.
Es war kaum wahrnehmbar, für die meisten unbedeutend.
Aber für Atticus bedeutete es alles.
In Sekundenbruchteilen schlugen seine Instinkte ein. Er sprang zur Seite, Mana schoss durch seine Beine und trieb ihn voran.
KNACK!
Der Boden, auf dem sein Fuß gestanden hatte, brach gewaltsam auf.
Eine Kreatur schoss empor, ein glattes, schwarzes Biest, so dunkel wie die Unterwelt. Sein wurmartiger Körper war fest, und sein Kopf war ein Ring aus gezackten, messerscharfen Zähnen – ein Raubtier, das darauf ausgelegt war, zu durchbohren, zu zerreißen und zu töten.
Atticus erhaschte nur einen flüchtigen Blick, bevor die Kreatur verschwand und wieder in den Boden tauchte.
Es blieb keine Zeit zum Nachdenken.
In dem Moment, als sein Fuß seine neue Position erreichte, bewegte sich die Erde unter ihm erneut.
Eine weitere Warnung. Eine weitere Bewegung.
Er sprang erneut, gerade als zwei weitere Kreaturen durch die Plattform brachen und ihre schnappenden Kiefer sich in der leeren Luft schlossen.
Atticus landete und das Muster wiederholte sich. Der Boden bewegte sich. Seine Mana brodelte und strömte durch seine Beine. Er schoss nach links, dann nach rechts, dann nach vorne.
Jede Bewegung war schneller als die letzte, seine Geschwindigkeit hinterließ schwache Nachbilder, während die unerbittlichen Kreaturen zuschlugen.
„Sie verfolgen mich“, erkannte er und kniff die Augen zusammen. Jedes Mal, wenn sein Fuß den Boden berührte, stürzten sich die Bestien auf ihn und zielten mit ihren Schlägen genau dorthin, wo er gerade noch gewesen war.
Es kamen noch mehr. Glatte schwarze Gestalten rissen die Luft auf, ihre Bewegungen waren unmöglich schnell. Drei, vier, fünf von ihnen. Sie schlugen in einem Wirbel auf ihn ein und ließen ihm keine Zeit zum Ausruhen.
Atticus wurde zu einer verschwommenen Bewegung. Seine Mana strömte schneller, trieb jeden Sprung, jede Drehung, jede Ausweichbewegung an. Seine geschärften Sinne verfolgten jede noch so kleine Veränderung unter der Oberfläche.
„Ein Fehler und ich bin erledigt.“
Zwischen seinen Bewegungen richtete er seinen durchdringenden Blick auf seinen Geist.
„Ist das die zweite Herausforderung?“
„Ja. Das ist die zweite Herausforderung“, bestätigte der Geist.
Atticus‘ Blick wurde kalt.
„Erzähl mir alles über diese Bestien“,
Atticus atmete scharf aus. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren und schmiedete Strategien, während er einem weiteren schnappenden Kiefer auswich. Das hat also das Katana jetzt für mich auf Lager.