Ismara war ein Geist der Stufe 6, und wegen ihrer Verbindung zu Seraphina hatte ihre Kraft die Macht eines Vorbilds freigesetzt. Einfach gesagt, hatte sie die Kraft eines Vorbilds.
Seraphina rief, aber Ismara hörte nicht.
Die Luft wurde still.
Die Geister brüllten, ihre Gesichter voller Hass. Einer nach dem anderen stürmten sie vorwärts, ihre ätherischen Gestalten loderten vor Wut.
Die Vorbilder der Menschheit spannten sich an.
Magnus‘ Blick schoss zu dem fallenden Atticus. Sein Blitz zuckte und Donner grollte.
Dann explodierte die Luft.
Ein Blitz schlug mit ohrenbetäubendem Krachen vom Himmel ein und tauchte das gesamte Schlachtfeld in elektrisch blaues Licht.
Im Gefolge des Blitzes erschien Magnus, dessen Gestalt pure Kraft ausstrahlte.
In der einen Hand hielt er seinen blitzgeschmiedeten Speer, der vor unberechenbarer Energie knisterte. In der anderen hielt er Atticus‘ bewusstlosen Körper, sein Griff vorsichtig, aber fest.
Die Luft zitterte unter seiner Präsenz. Sein kalter, durchdringender Blick war auf die angreifenden Geister gerichtet.
Ismara blieb abrupt stehen und kniff ihre goldenen Augen zusammen. Die anderen Geister erstarrten in der Luft, ihre lodernde Wut flackerte wie sterbende Flammen.
Magnus schwang seinen Speer zur Seite, wobei allein diese Bewegung eine so starke Schockwelle auslöste, dass der Boden bebte.
Seine Stimme dröhnte tief und unerbittlich wie Donner, der über den Himmel rollte.
„Ihr habt fünf Sekunden.“
Vier Worte. Das war alles.
Aber diese Worte trugen absolute Autorität in sich, eine Warnung, die keinen Raum für Missverständnisse ließ.
Die Auren der Geister schwankten. Ismaras goldene Augen zitterten.
Die Bedeutung dieser Worte war klar.
Greift an, und er wird euch vernichten.
Zögert, und er wird euch vernichten.
Bleibt, und er wird euch vernichten.
Mit ihm war nicht zu reden. Er war nicht zu beirren.
Bumm.
Bevor irgendjemand reagieren konnte, tauchten drei Gestalten neben ihm auf.
Die Luft wurde schwerer.
Oberon, Luminos und Thorne landeten mit donnernder Wucht, ihre vereinten Auren erschütterten das zerstörte Schlachtfeld.
Ihre Gesichter waren kalt, ihre Blicke scharf, als sie den Geistern gegenüberstanden.
Einer nach dem anderen landeten die anderen Paragons und bildeten eine schützende Mauer um Magnus und Atticus.
Es wurden keine Worte gewechselt.
Ihre Absichten waren klar.
Dies war eine Warnung.
Die Spannung war erdrückend.
Ismaras goldener Blick zitterte, als eine Gestalt sanft vorwärts trat, vor den Vorbildern landete und sich dem Geist direkt gegenüberstellte.
„Seraphina“, sagte Ismara mit kalter Stimme und scharfem Blick. „Willst du die Geister verraten? Nach allem, was wir für dich getan haben?“
Seraphinas Gesichtsausdruck war entschlossen, ganz anders als zuvor. Es war klar, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde den Geistern immer dankbar sein. Aber meine Rasse hat Vorrang. Hör auf mit diesem Wahnsinn, Ismara. Du weißt, dass er keine Schuld daran hat.“
Ismaras goldene Augen verengten sich, ihre durchscheinende Gestalt leuchtete heller, als sie Seraphina ansah.
Seraphina hatte recht. Der einzige Grund für all diese Zerstörung war, dass Blackgate den Sektor infiltriert hatte.
Was hätte Atticus tun sollen? Sich gefangen nehmen lassen?
Das wusste sie, aber das war nicht der Grund, warum sie sich so verhielt. Atticus hatte sich mit Ozeroth verbunden. Der eine war ein Mensch mit unermesslichem Potenzial, und der andere? Ein unberechenbarer Feind ihres Königs. Atticus könnte zum Feind ihres Königs werden, schlimmer noch, er hatte tatsächlich das Potenzial, eine Bedrohung darzustellen.
Atticus war gefährlich, zu gefährlich.
„Genug, Seraphina. Wenn du nicht handelst, werde ich es tun. Die Geister werden es nicht verzeihen …“
„Einen Moment.“
Magnus‘ tiefe Stimme unterbrach Ismaras Worte, während im Hintergrund Donner grollte.
Die Luft wurde still.
Alle Blicke richteten sich auf Magnus, dessen hoch aufragende Gestalt eine bedrückende Macht ausstrahlte. Sein Speer knisterte vor Blitzen, und das gesamte Schlachtfeld schien den Atem anzuhalten.
Gerade als es schien, als würde alles explodieren, als hätte die Welt selbst innegehalten, kam ein violettes Licht vom Himmel herab.
Es durchdrang den Himmel wie ein göttliches Urteil und seine Helligkeit überflutete den gesamten Bereich. Alle Augen richteten sich nach oben, überwältigt von der überwältigenden Präsenz, die sie spürten.
Das Licht kam langsam herab und traf auf den fallenden Ewigen Baldachin, gerade als dieser auf den Boden aufschlagen wollte.
In dem Moment, als sie sich berührten, hüllte ein strahlender Schein den Baum ein.
Die Wunde im Stamm verschloss sich und leuchtete in einem sanften Purpur. Die abgebrochenen Äste wuchsen wieder zusammen und die klaffende Narbe, die Atticus‘ Katana hinterlassen hatte, verschwand vollständig.
In nur wenigen Sekunden war der Ewige Baldachin wieder vollständig und seine gewaltige Gestalt war imposanter denn je. Wellen spiritueller Energie strömten aus ihm heraus und hüllten das Schlachtfeld in eine beruhigende, lebendige Aura.
Aber die Atmosphäre beruhigte sich nicht.
Magnus, Oberon und die anderen Vorbilder erstarrten, ihre Blicke verdunkelten sich. Sie konnten es spüren, diese schiere, expansive Kraft.
Es war nicht nur spirituelle Energie. Es war etwas viel Größeres.
Ismaras strahlende Gestalt verblasste. Sie senkte den Kopf, und einer nach dem anderen verneigte sich jeder Geist tief in Ehrfurcht.
„Mein König …“, flüsterte Ismara.
Magnus ballte die Fäuste. Die bedrückende Aura war erdrückend, ein unsichtbares Gewicht lastete auf ihnen allen. Er biss die Zähne zusammen, sein Körper zitterte leicht.
Die anderen Paragons warfen sich unruhige Blicke zu. Jeder von ihnen spürte die Präsenz, die mit dem Licht angekommen war. Es war, als wäre dieses Wesen überall und nirgendwo, als würde es sie aus allen Richtungen beobachten.
Und dann verlagerte sich der Blick.
Die Präsenz konzentrierte sich auf Atticus.
Die spirituelle Energie um sie herum verdichtete sich und drückte schwer auf die Luft. Langsam schwebte Atticus‘ bewusstloser Körper aus Magnus‘ Armen und stieg auf den Baum zu.
Magnus‘ Augen weiteten sich. Seine donnernde Aura brach hervor, Blitze zuckten heftig um ihn herum, als er seinen Körper zwang, sich zu bewegen.
Mit einem Brüllen riss er sich aus den unsichtbaren Fesseln los, stürzte sich nach vorne und packte Atticus in der Luft. Sofort richtete er die Spitze seines Speers nach oben, eine stille Warnung.
Der bedrückende Blick blieb. Er schien Magnus und Atticus einen langen Moment lang zu studieren, fast so, als würde er sich amüsieren.
Nach ein paar Sekunden leuchtete der Baum heller.
Eine Welle spiritueller Energie explodierte aus seinem massiven Stamm und überflutete Sektor 8.
Der Boden bebte, aber diesmal war es keine Zerstörung, sondern Wiederherstellung.
Die zerfallenen Gebäude bauten sich Stein für Stein wieder auf. Die zerbrochenen Straßen verschmolzen wieder miteinander. Ganze Gemeinden, die in Schutt und Asche gelegt worden waren, wurden wiederhergestellt, als wären sie nie vom Chaos heimgesucht worden.
Sektor 8, einst verwüstet, stand nun wieder unversehrt da, lebendig und unberührt.
Und nach einem kurzen, durchdringenden Blick auf Atticus verschwand die bedrückende Präsenz.