Atticus sah ganz ruhig zu, wie Dells Kopf hart auf den Boden knallte, sich vor ihm verbeugte und zitternd anfing, unverständliches Zeug zu murmeln.
Atticus konzentrierte sich wieder auf sein Artefakt und schrieb in weniger als einer Sekunde einen umfassenden Vertrag. Dells Artefakt leuchtete plötzlich auf, als Atticus es ihm schickte.
„Unterschreib“, sagte Atticus, und seine Stimme erschreckte Dell, der zusammenzuckte, während die ekelhafte heiße Flüssigkeit schneller herausfloss und sich um ihn herum sammelte. Er murmelte immer lauter.
Atticus sah nur auf ihn herab, ohne auch nur einen Hauch von Reue zu zeigen. „Ich werde mich nicht wiederholen.“
Dells Körper bewegte sich wie von selbst, und er fing an, wie wild auf sein Gerät zu tippen, als hinge sein Leben davon ab.
Als Atticus sah, dass der Vertrag unterschrieben war, wandte er seine Aufmerksamkeit von Dells erbärmlicher Gestalt auf dem Boden ab und richtete sie auf die übrigen Personen, die noch anwesend waren.
Es war etwa 30 Minuten vor 19 Uhr, und die Abendsonne tauchte den nun blutroten Garten in ihr goldenes Licht. Der gesamte wunderschöne Garten hatte sich in eine brutale, blutgetränkte Landschaft verwandelt.
Angesichts der aktuellen Uhrzeit bedeutete das, dass Atticus Dell fast sieben Stunden lang gequält hatte. Allein der Gedanke daran ließ einen erwachsenen Menschen erschaudern, ganz zu schweigen von einer Gruppe Teenager, die das Ganze live miterlebt hatten.
Der Bereich war längst geräumt worden, nur Zoey, Ember und Lila waren noch da.
Letztere sah Dells aktuellen Zustand und war wie erstarrt.
Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie jeden einzelnen Moment mit angesehen hatte, in dem Atticus ihren Bruder Dell gequält hatte.
Die beiden hatten sich nie besonders nahegestanden, obwohl sie zusammen im Sektor 4 aufgewachsen waren. Aber das war normal; Geschwister zanken sich oft und manche zeigen sogar offen ihre Abneigung.
Aber letztendlich, wenn es darauf ankam, änderte sich ihre Beziehung nicht. Sie würden immer eine Familie bleiben.
Nachdem Atticus Dell verlassen hatte, schien Lila wieder zum Leben zu erwachen. Sie gewann ihre Kraft in den Beinen zurück und eilte sofort zu Dell, der auf dem Boden lag.
Atticus hatte seinen Körper makellos geheilt, er hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen. Aber trotz allem, was sie Dell heute hatte durchmachen sehen, hatte sie das Gefühl, dass die Heilung niemals ausreichen würde.
Die gleichen grünlichen Tätowierungen schlängelten sich nach oben in Richtung Lilas Hals, während ihre Augen grün leuchteten.
Im nächsten Moment bedeckten Ranken Dells Gestalt.
Tränen traten Lila in die Augen, als sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Ranken richtete. Unmittelbar nachdem Atticus begonnen hatte, Dell im Garten zu quälen, hatte sie eingreifen und die Situation beenden wollen.
Aber Lila war schon immer ein kluges Mädchen gewesen. Egal, wie sehr ihre Gefühle sie dazu drängten, einzugreifen, sie wusste, dass dies der schlimmste Fehler ihres Lebens gewesen wäre.
Lila sah Atticus nicht einmal an. Sie schrie nicht und warf ihm keine wütenden Blicke zu. Sie stand einfach da und konzentrierte sich darauf, Dell zu heilen, die Hände zu Fäusten geballt.
Atticus drehte sich nicht noch einmal um, als er zu Ember und Zoey ging, die ein paar Meter von ihm entfernt standen.
Ember traf Atticus‘ Blick und drehte ihren Kopf zu Zoey, wobei sie die beiden schweigend ansah.
Im nächsten Moment drehte sie sich wieder zu Atticus um, lächelte und nickte ihm zu. Dann drehte sie sich um und ging weg.
Ember verließ die Szene und ging zum Gebäude der dritten Klasse. Natürlich wusste sie von der „Beziehung“ zwischen Atticus und Zoey, und sie hatte wirklich kein Problem damit.
Atticus war jemand Besonderes für sie, und er würde immer einen Platz in ihrem Herzen haben. Aber sie hatte noch nie daran gedacht, eine romantische Beziehung mit Atticus oder irgendjemand anderem einzugehen.
Tatsächlich hatte Ember viele Verehrer, aber das war nicht das Wichtigste für sie.
Viele hielten Ember vielleicht für zu schlicht oder einfach, und das war sie auch. Aber das war Ember nun einmal. Sie war schon immer einfach gewesen.
Ihre Gefühle waren immer direkt gewesen.
Entweder mag man sie oder man mag sie nicht. Man liebt sie oder man hasst sie. Sie ist entweder eine Freundin oder eine Feindin.
Sie hatte nie davon geträumt, etwas Besonderes zu werden, und sah auch keinen Grund dafür. Ember wollte einfach nur in Frieden mit den Menschen leben, die sie liebte.
Ihren hyperaktiven Bruder Caldor. Ihren Cousin Atticus, der immer alles zu wissen schien und jedes Problem mit ruhiger Gelassenheit löste, und ihren Vater Ariel, den sie mehr liebte als alles andere auf der Welt. Das war alles, was sie wollte.
Aber sie hatten ihr das genommen.
Ember ballte ihre Faust so fest, dass Blut heraus tropfte.
Ihre Gefühle waren immer einfach und direkt gewesen.
Und im Moment wollte Ember nichts lieber, als jeden einzelnen Menschen oder jedes einzelne Ding, das für den Tod ihres Vaters verantwortlich war, zu einem blutigen Brei zu zermalmen, bis nichts mehr übrig war.
Um das zu erreichen, würde sie dafür sorgen, dass ihr nichts im Weg stand.
…
Atticus näherte sich Zoey, sein einst eisiger Gesichtsausdruck hatte sich in ein Lächeln verwandelt. „Na, wie habe ich mich geschlagen?“, fragte er mit einem frechen Grinsen.
Doch statt der erwarteten Antwort erhielt er nur Zoey’s stillen, ausdruckslosen Blick.
Atticus‘ Gesicht verlor schnell sein Grinsen, als er Zoey völlig verwirrt ansah. „Was ist los?“, fragte er und erhielt wie zuvor keine Antwort, nur Zoey’s starren Blick.
Nach ein paar Sekunden wandte Zoey abrupt ihren Blick von ihm ab und ging weg.
Atticus‘ Gesichtsausdruck war der Inbegriff von Verwirrung. „Habe ich etwas falsch gemacht?“
Als er sah, dass sie nicht die Absicht hatte anzuhalten, folgte Atticus ihr und holte sie nach ein paar Sekunden ein.
„Habe ich etwas falsch gemacht?“, hörte Zoey Atticus hinter sich fragen, als sie den Aufzug des Erstsemestergebäudes betrat.
Atticus stieg schnell ein, bevor sich die Tür schloss, und starrte Zoey verwirrt an.
Zoey gab immer noch keine Antwort und ging, nachdem der Aufzug die oberste Etage erreicht hatte, zu ihrem Teleportationsraum, Atticus dicht hinter ihr.
Es war das erste Mal, dass Atticus Zoey wütend sah, und er konnte sich nicht erklären, warum das so war. Seine Gedanken rasten, bis sie plötzlich bei etwas hängen blieben.
Er fragte sofort: „Bin ich zu weit gegangen mit ihm?“
Atticus‘ Frage ließ Zoey plötzlich stehen bleiben.
Sie war nur noch wenige Schritte von ihrem Teleportationsraum entfernt.
Zoey drehte sich plötzlich um und schlug blitzschnell mit der Faust auf Atticus‘ Bauch, wobei sie ihn brutal traf.
Atticus hätte diesen Schlag natürlich abwehren können, entschied sich aber dagegen. Er spielte seine Rolle perfekt, als er sich mit den Händen den Bauch umklammerte und Schmerz in seinem Gesicht vortäuschte.
Zoey sah Atticus direkt in die Augen und sagte mit eindringlicher Stimme: „Es ist mir egal, ob du wütend bist, aber wenn du mich noch einmal ignorierst, wirst du es bereuen! Hmph!“
Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sie sich sofort um und betrat ihren Teleportationsraum. Atticus blieb mit den Händen auf dem Bauch zurück, völlig fassungslos.
