Eine Erkenntnis blühte in Carius‘ Kopf auf wie eine vergiftete Blume.
„Du hast das alles verursacht … Du hast alles vermasselt. Du bist der Grund …“
Seine Stimme verstummte. Aber Atticus machte keine Pause.
In seinen Augen war keine Genugtuung zu sehen, kein Stolz über seine Überlegenheit.
Nur Stille.
Nur Verurteilung.
Sein Blick bohrte sich in Carius wie der eines Gottes, der auf eine misslungene Schöpfung herabblickt.
Und dann …
Carius zitterte.
Etwas Unbekanntes blühte in seiner Brust auf. Ein Gefühl, das er kaum jemals empfunden hatte.
Ein Gefühl, das er nicht empfinden wollte.
Aber es war da.
Angst.
Seine Lippen zitterten.
„… Ein Monster …“, flüsterte er, gerade als Atticus vor ihm stehen blieb.
Langsam hob er seine Hand, und eine Kugel aus dunkelroter Energie erwachte in seiner Handfläche zum Leben und wirbelte mit leiser, furchterregender Kraft.
„Atticus Ravenstein!“
Die Stimme hallte wie eine Bombe. Eletantrons Stimme.
„Du hast kein Recht, ein Urteil zu fällen! Nur die Allianz hat diese Autorität! Wenn du das tust, wirst du als Verräter gebrandmarkt!“
Trotz seiner Worte zuckte Atticus nicht einmal mit der Wimper.
Aber Eletantrons Stimme erhob sich erneut, diesmal verzweifelter.
„Dann sei dir bewusst, dass du und die gesamte Menschheit zu Feinden der Dimensari werden! Und ich schwöre dir … wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um euch alle vom Angesicht dieses Planeten zu tilgen!“
Das … ließ Atticus endlich innehalten.
Die Kugel verschwand nicht, sie blieb da und pulsierte weiter. Aber Atticus drehte seinen Kopf. Langsam. Entschlossen.
Und sein Blick traf den von Eletantron.
Ein Schauer breitete sich in der Luft aus und fegte wie ein Phantom über das Schlachtfeld. Eletantrons Worte blieben ihm im Hals stecken. Sein Körper versteifte sich, als wäre die Temperatur auf den Gefrierpunkt gefallen.
Und dann sprach Atticus.
Seine Stimme war leise, aber sie ließ die Knochen zittern.
„Ich bin hier.“
Drei einfache Worte, die die Herzen aller, die sie hörten, erschütterten.
„Die menschlichen Vorbilder sind hier.“
In dem Moment, als er sprach, schwoll seine Aura an und eine Welle der Kraft brach über die Welt herein.
Der Boden bebte, der Wind heulte und alle menschlichen Vorbilder spürten es, ihr Blut entflammte und ihre Seelen dröhnten in Resonanz.
Ihre eigenen Auren brachen gleichzeitig hervor und stiegen wie ein Sturm in den Himmel.
Atticus machte einen Schritt nach vorne, ohne seinen Blick von Eletantron abzuwenden.
„Es gibt keinen besseren Ort als diesen, um deine Drohungen zu testen.“
Seine Tötungsabsicht schlug wie eine zusammenbrechende Welt auf die Dimensari nieder, während er fortfuhr.
„Eletantron Velarius … Ich wage dich, dich zu bewegen.“
Stille.
Kein Atemzug. Nicht einmal ein Flüstern.
Eletantron schwebte in der Luft, wie erstarrt.
Nicht aus Stolz. Nicht aus Diplomatie. Sondern weil er wusste, dass er es nicht überleben würde. Er konnte nicht gewinnen.
Atticus wusste das auch.
Und jetzt wusste es ganz Eldoralth.
Eletantrons Kiefer presste sich zusammen, seine Zähne knirschten so heftig, dass Blut aus seinem Zahnfleisch tropfte.
Die Demütigung …
Sie würgte ihn. Ertränkte ihn. Veranlasste ihn, sich den Kopf von den Schultern zu reißen, nur um der Schande zu entkommen.
Aber dennoch rührte er sich nicht.
Selbst nachdem Sekunden vergangen waren, blieb er wie angewurzelt stehen.
Und in diesem Moment konnte es niemand erklären, aber auf dem gesamten Schlachtfeld …
Jeder menschliche Rekrut und Sergeant.
Jeder menschliche Vorbild.
Jede menschliche Seele, die anwesend war …
Sie spürten, wie etwas in ihrer Brust aufstieg. Ein Gefühl.
Stolz.
Ein riesiger, überwältigender Stolz.
Dann wandte Atticus leise seinen Blick von Eletantron ab. Er sah auf Carius hinunter, der blutüberströmt am Boden lag.
Und mit einem Gedanken schoss die Kugel in seiner Handfläche nach vorne, direkt in Carius‘ offenen Mund, bevor dieser reagieren konnte.
Er blinzelte verwirrt für den Bruchteil einer Sekunde.
Sein Körper zuckte leicht.
„Was … was war das?“, murmelte er mit heiserer Stimme.
Und dann:
Qual.
Sie schlug ein wie ein Blitz.
Ein brennender Schmerz explodierte in ihm und strahlte von seinem Innersten nach außen. Seine Augen weiteten sich, seine Adern traten hervor, als das Gefühl ihn überwältigte.
„Hrrrghh-!“, würgte er, presste den Mund zusammen und versuchte, den Schrei zurückzuhalten.
Sein Körper zuckte heftig, seine Beine streckten sich, seine Arme zuckten unkontrolliert.
Er biss die Zähne so fest zusammen, dass sie knackten, doch das Geräusch war kaum zu hören über das pulsierende Summen der dunklen, purpurroten Energie.
Tränen liefen ihm aus den Augenwinkeln, nicht aus Trauer … sondern aus unerträglichen Schmerzen.
Er konnte es spüren.
Jeder Zentimeter seines Inneren wurde zerfetzt.
Stück für Stück.
Zelle für Zelle.
Faser für Faser.
Seine gesamte Existenz wurde ausgelöscht, von innen heraus zerstört von der dunkelroten Energie.
Nicht schnell. Nicht gnädig.
Sondern langsam.
Qualvoll langsam.
Seine Finger gruben sich in den Boden, krallten sich so fest in die Erde, dass seine Fingernägel brachen und rissen und Blut aus seinen Händen sickerte.
Sein Körper krümmte sich, zuckte. Und dann konnte er es nicht mehr zurückhalten.
„AAAAAAAAAAHHHHHHHHHHH—!“
Der Schrei riss ihm wie das letzte Heulen eines sterbenden Tieres aus der Kehle.
Ein Schrei, so rau und kehlig, dass er alle Anwesenden erschauern ließ. Selbst der Himmel schien still zu stehen.
Carius schrie erneut.
Und noch einmal.
Jeder Laut hallte über das Schlachtfeld, widerhallte von den Steinen, wurde vom Wind getragen und drang in die Herzen aller Anwesenden. Die Menschen zitterten.
Und doch rührte sich Atticus nicht. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert. Nicht einmal im Geringsten.
Er stand da, ruhig wie ein stiller See, unbeeindruckt von dem Grauen, das sich vor ihm abspielte.
Aber genau das machte es noch schrecklicher.
Carius schrie.
Und schrie.
Und schrie.
Sein Körper war jetzt von einer turbulenten Aura aus dunkelrotem Licht umhüllt, deren Energie ihn sichtbar von innen auffraß. Seine Haut bildete Blasen, riss auf, formte sich neu und brach dann wieder auseinander. Jeder Zentimeter seines Körpers leistete Widerstand. Jede Zelle versuchte, sich zu wehren.
Aber nichts konnte die Auslöschung aufhalten.
Jeder Moment zog sich wie eine Ewigkeit hin.
Für die Zuschauer waren es Minuten. Aber für Carius waren es Jahrhunderte der Qual, die sich in diesen Minuten verdichteten.
Seine Stimme wurde heiser, reduzierte sich auf gebrochene Schreie und kehlige Stöhnen. Dann begann sein Körper unkontrolliert zu zucken.
Und dennoch wurde die purpurrote Aura nur noch intensiver. Sie wirbelte herum und zog sich wie ein Kokon immer enger um ihn zusammen.
Bis endlich Stille eintrat.
Es gab keine Schreie mehr.
Keine Bewegung mehr.
Nur noch das leise Flüstern des Windes und das leise Knistern der verblassenden purpurroten Energie.
Und als sie verschwand, war an der Stelle, an der Carius einst gestanden hatte, nichts mehr.
Nur Stille.
Die letzten Überreste seiner Existenz zerstreuten sich im Wind.
Und Atticus blieb regungslos stehen.