Dunkle Energie wirbelte um Broken herum und hüllte ihn in eine schattige Aura, als er beide Hände hob, um seinen sich verändernden Körper zu untersuchen. Seine Haut, die einst hell gewesen war, wurde merklich blasser und nahm einen aschigen Ton an.
Und dann spürte er etwas.
Einen leichten Druck auf der rechten Seite seiner Stirn.
Er griff nach oben und fuhr mit den Fingern über das, was dort erschienen war – ein Horn.
Nur ein Horn?
Broken neigte den Kopf und fuhr erneut mit der Hand darüber, halb in der Erwartung, dass ein zweites Horn zum Ausgleich erscheinen würde. Aber nein. Er hatte nur eines – ein glattes, dunkles Horn, das aus der rechten Seite seiner Stirn ragte.
Interessant.
Er zog seinen schwarzen Umhang über die Schultern und rief die Systemschnittstelle auf, um sein gesamtes Aussehen zu überprüfen.
Das Spiegelbild zeigte mehr Veränderungen, als er erwartet hatte. Sein schwarzes Haar, das einst auf eine überschaubare Länge geschnitten war, fiel nun in langen, dunklen Wellen über seinen Rücken. Das einzelne Horn verlieh ihm ein unverwechselbares, fast königliches, dämonisches Aussehen.
Es war subtil, aber unverkennbar … dämonisch.
Und ganz ehrlich? Es sah verdammt cool aus.
Plötzlich erschien eine Benachrichtigung vor ihm.
[Weise deiner Dämonengestalt einen neuen Namen zu:]
Er blinzelte und las es zweimal.
Ich kann einen neuen Namen für diese Gestalt erstellen?
Wenn er also seine Dämonengestalt aktivierte, konnte er eine völlig andere Identität annehmen? Er konnte seinen Namen von „Broken“ in etwas völlig Neues ändern. Das … war eine faszinierende Funktion.
Sein erster Gedanke war, „Void Reaper“ zu verwenden, seine geheime Identität, wenn er seine Grim Reaper-Gestalt annahm. Aber er schüttelte schnell den Kopf.
Nein, das fühlt sich nicht richtig an.
Void Reaper war kein Name. Es war ein Titel, eine Persona, die er benutzte, wenn er zum Grim Reaper wurde. Aber diese Form – diese Dämonengestalt – fühlte sich persönlicher an. Sie verdiente einen richtigen Namen, etwas, das ihr Wesen verkörperte.
Broken stand einen Moment lang schweigend da und fuhr mit den Fingern leicht über das Horn auf seiner Stirn, während er nachdachte.
Ein Name …
Etwas Dunkles.
Etwas Mächtiges.
Etwas, das eine Bedeutung hatte.
Schließlich war dies nicht nur eine weitere Verkleidung. Dies war jetzt ein Teil von ihm.
Und dann kam ihm ein Wort in den Sinn.
Tenebris.
Die Verkörperung der Dunkelheit. Das Wort selbst hatte Gewicht – uralt, mächtig und unheilvoll. Es passte zu der Gestalt, die er jetzt hatte.
Ja?
Ja, dieser Name klingt perfekt. Tenebris.
Broken verharrte einen Moment, ließ den Namen in seinem Kopf wirken und prüfte, wie er sich auf seiner Zunge anfühlte. Je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer wurde er sich.
Er passte.
Ohne zu zögern gab er seiner Dämonengestalt den neuen Namen.
[Du hast den Namen für deine Dämonengestalt erfolgreich festgelegt: Tenebris.]
Ein schwaches Grinsen huschte über seine Lippen, als er die Meldung las.
Der Spielername über seinem Kopf änderte sich sofort in den neuen Namen: Tenebris.
Broken seufzte und erkannte, dass er wieder seine menschliche Gestalt annehmen musste. Aber als er das Systemmenü öffnete, weiteten sich seine Augen vor Frust.
Die Fertigkeit hatte eine Abklingzeit von 10 Minuten.
„Verdammt“, murmelte er leise.
Unvorsichtig.
Er konnte es sich nicht leisten, in seiner Dämonengestalt auf dem Schlossgelände herumzulaufen. Nicht mit den Arbeitern und Rittern in der Nähe.
Zehn Minuten.
Das war keine lange Zeit, aber lang genug, um problematisch zu sein. Er hätte sich einfach in die Mondlichtdimension zurückziehen und warten können, bis die Abklingzeit abgelaufen war.
Aber bevor er sich bewegen konnte, erstarrte er.
Plötzlich tauchten ohne Vorwarnung zwei Gestalten vor ihm auf.
Alora … und Ritter Lionell.
Lionell reagierte sofort. Instinktiv griff er nach seinem Schwert. Doch bevor er die Klinge ziehen konnte, hob Alora ruhig ihre rechte Hand.
„Keine Sorge, Lionell“, sagte sie leise.
Broken blieb stehen und starrte sie an, unsicher, was er sagen sollte.
Aloras Blick traf seinen. Ihre Lippen formten ein sanftes Lächeln.
„Was sagst du da?“, fragte er.
„Du erkennst mich?“
Alora lachte leise. „Wie könnte ich meinen eigenen Mann nicht erkennen?“
Lionell senkte sofort den Kopf. „Verzeih mir, dass ich dich in dieser Gestalt nicht erkannt habe, Lord Broken.“
„Schon gut.“
Bevor Broken noch etwas sagen konnte, trat Alora näher, schlang ohne zu zögern ihre Arme um ihn und lehnte sich an seine Brust.
„Alora?“
Broken hielt sie instinktiv fest.
Sie hatte so viel durchgemacht – den Krieg, der fast das ganze Königreich auseinandergerissen hatte, eine Schlacht, die ihr so viel genommen hatte.
Das konnte nicht einfach für sie gewesen sein. Ganz und gar nicht.
„Wie läuft es bisher?“, fragte Broken leise.
Alora löste sich sanft aus seiner Umarmung, ein müdes Lächeln auf den Lippen, das die Erschöpfung in ihren Gesichtszügen kaum verbergen konnte.
„Alle überlebenden Bürger wurden gerettet, und wir haben mit dem Wiederaufbau begonnen. Unser Hauptaugenmerk liegt zunächst auf der Stärkung der Verteidigungsanlagen.“
Broken streckte die Hände aus, legte sie auf ihre Wangen und hob ihr Gesicht, sodass sich ihre Blicke trafen.
„Du musst dich ausruhen“, flüsterte er. „Hast du seit gestern überhaupt geschlafen?“
Alora schüttelte langsam den Kopf.
„Komm“, sagte Broken leise. „Ich leiste dir Gesellschaft, während du dich ausruhst.“
In dem Moment, als diese Worte seinen Mund verließen, neigte Alora den Kopf und blinzelte.
Moment mal.
Oh, verdammt.
Broken blinzelte und wurde sich bewusst, was er gerade gesagt hatte.
Hatte er das wirklich gesagt? Ihr Gesellschaft leisten, während sie sich ausruhte? Also … bei ihr bleiben, während sie schlief?
Aber andererseits –
Sie waren jetzt verheiratet.
Das war doch … normal?!
Aloras Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. „Pass nur auf, dass niemand dein Horn sieht. Du würdest eine Panik auslösen.“
Broken lachte leise. Er aktivierte Invincible Paragon, seine Rüstung.
Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, um sich zu vergewissern, dass das Horn noch da war – jetzt jedoch versteckt unter dem glatten Design des Helms, der sich der Form seines Kopfes anpasste.
„So ist es besser“, sagte Alora anerkennend.
Broken nickte, und die drei machten sich auf den Weg durch das Schlossgelände. Die Reparaturen schritten voran, die Mauern wurden gerichtet und Trümmer beseitigt. Je weiter sie gingen, desto ordentlicher schien alles zu werden.
Schließlich erreichten sie Aloras Privatgemächer.
Lionell blieb an der Tür stehen und stand Wache, während Alora die Türen aufstieß. Broken folgte ihr hinein.
Als sich die Türen hinter ihnen schlossen, hüllte Stille den Raum ein.
Sie starrten sich einen Moment lang an, in einer unangenehmen Atmosphäre.
Obwohl sie offiziell verheiratet waren, war alles so schnell gegangen – fast zu schnell, als dass sie es richtig begreifen konnten. Keiner von beiden schien recht zu wissen, wie er sich verhalten sollte, und das zeigte sich in ihrer zögerlichen Haltung.
Alora brach die Stille mit einem leisen, amüsierten Lachen.
„Jetzt sind wir allein …“, sagte sie.
„Ja …“, nickte Broken.
Mit einem Seufzer legte er seine Rüstung ab und enthüllte erneut seine Dämonengestalt – die blasse Haut, das wallende schwarze Haar und das einzelne Horn auf seiner Stirn.
„Jetzt werde ich dir Gesellschaft leisten, während du dich ausruhst“, sagte er leise.
Alora hob eine Augenbraue. „Nicht mit mir schlafen?“
Broken lachte über ihre neckische Bemerkung.
Ohne nachzudenken, legte er sanft seine Hand auf ihre Wange und streichelte mit seinem Daumen ihre weiche Haut.
„Kannst du dich nicht wieder in einen Menschen zurückverwandeln?“
„In vier Minuten“, antwortete er.
„Dann will ich diesen Dämon nicht. Ich will meinen Mann – die menschliche Version“, sagte sie mit einem Schmollmund.
Broken antwortete nicht mit Worten. Stattdessen hob er sie in seine Arme und trug sie mühelos davon.
Alora lachte überrascht und schlang ihre Arme um seinen Hals, während sie beide über die Absurdität des Augenblicks kicherten.
„Ich bin die Herrscherin dieses Ortes! Befolge meine Befehle!“, sagte Alora.
„Ich bin jetzt dein König. Du befolgst meine Befehle“, gab Broken mit einem Grinsen zurück.
Ohne eine Sekunde zu zögern, legte er sie sanft auf das Bett.
Broken zog seine Stiefel aus, ließ sich neben ihr auf das Bett fallen und sank mit einem zufriedenen Seufzer in die weiche Matratze.
Sie drehten sich zueinander und lagen so nah beieinander, dass sich ihr Atem in dem stillen Raum vermischte.
Nach einer Weile sprach Broken wieder. „Ich habe etwas Wichtiges zu tun.“
Alora neigte den Kopf. „Und was ist das?“
„Ich muss die Sachen überprüfen, die ich nach dem Kampf gegen Focalor bekommen habe“, sagte er mit ernster Miene.
Alora brach in Gelächter aus, presste ihre Stirn gegen seine Brust und schüttelte vor Vergnügen die Schultern.
„Natürlich. Das ist typisch du, Broken.“
Sie rückte näher an ihn heran und schlang ihre Arme fest um ihn.
Und einfach so schmolz alles, was Broken vorhatte, als er seine Beute checken wollte, dahin. Es gab gerade etwas viel Wichtigeres, worauf er sich konzentrieren musste.
Er hielt sie fester und ließ die Last der Realität von sich gleiten.
Denn ja – er konnte nicht länger warten.
Er hatte genug davon, sich zurückzuhalten.
Es war Zeit, endlich zuzuschlagen.
