Hazel zog Leon aus der Menge und als sie sich schnell entfernten, ließ die Aufmerksamkeit der Umstehenden nach. Leon spürte Hazels Eile und passte sein Tempo ihr an. Als sie weit genug weg waren, wurde sie langsamer, drehte sich kichernd zu ihm um.
„Du liebst wohl die Konfrontation, was?“, neckte sie ihn.
„Er hat doch eindeutig angefangen“, entgegnete Leon lässig.
„Ja, aber du hast nicht gezögert, ihm Kontra zu geben, oder?“
„Ist mir egal, auch wenn der Typ berühmt ist. Wenn du nicht dazwischen gegangen wärst, hätte ich mich mit ihm angelegt.“
„Ich bin mir sicher, dass es irgendwann wieder zu einer Konfrontation zwischen euch kommen wird – einer intensiveren und legalen.“ „Was meinst du damit?“
Hazel kicherte erneut, ihr Gesicht strahlte vor Vergnügen. „Weißt du, dieser Typ ist ein Gluttony Champion.“
„Gluttony Champion?“ Leon war von dieser Enthüllung etwas überrascht. Die einzigen beiden Gluttony Champions, die er kannte, waren Marlene und Paul, der Anführer der Gilde Shadow Wolves.
„Oh … er ist doch nicht etwa Paul, oder?“
„Nein … der ist nicht in Dissidia. Er ist nicht mal auf dem Südkontinent, sondern kommt vom Südostkontinent“, sagte Hazel mit einem breiten Grinsen.
Der Südostkontinent lag auf der Karte rechts vom Südkontinent. Da das Königreich Dissidia ganz im Westen lag, war es ziemlich weit vom östlichen Teil des Südkontinents entfernt, ganz zu schweigen vom Südostkontinent selbst.
„Und warum ist das so wichtig?“
Hazel kicherte leise. „Sicherlich werden sich die Gluttony Champions zusammenschließen, um gegen Prinzessin Aloras Fraktion zu kämpfen, zu der auch die Ass Guild gehört – und du, oder? Ich bin mir sicher, dass es irgendwann zu einem direkten Duell zwischen dir und Alex kommen wird.“
„Und wenn es soweit ist, werde ich ihn brutal töten“, antwortete Leon mit einem Grinsen.
„Ich weiß nicht, ob das nur Spiel-Prahlerei ist oder ob du wirklich sauer auf Alex bist“, sagte sie und hob eine Augenbraue.
Leon lächelte nur als Antwort. Hazels Hand hielt immer noch seine, während sie gingen.
„Oh, übrigens, Hazel, alles Gute zum Geburtstag. Tut mir leid, dass ich so spät dran bin.“
Hazel drehte sich mit einem süßen Lächeln zu ihm um. „Sag mir nicht, dass du mir kein Geschenk mitgebracht hast.“
Nun, die Wahrheit war, dass Leon nicht so weit vorausgedacht hatte. Er hatte sich gerade erst daran erinnert, dass sie kürzlich Geburtstag hatte, aber wann genau? Vielleicht war es vor ein paar Tagen oder vielleicht letzte Woche? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern.
Das lag daran, dass er so oft ins Spiel ein- und ausgestiegen war, dass er das Zeitgefühl verloren hatte. Obwohl es ihm vorkam, als hätte er im Spiel so viel erlebt, stellte er beim Ausloggen fest, dass nicht einmal ein ganzer Tag vergangen war. Er musste sich noch an diese seltsame Trennung zwischen Spielwelt und Realität gewöhnen.
„Jetzt leistest du mir Gesellschaft und verbringst Zeit mit mir als Ersatzgeschenk, okay?“, sagte sie in verspieltem Ton.
„Ich kann nicht lange bleiben, Hazel. Deshalb habe ich meinen Home Bus hierher gebracht.“
„Kann ich dann mit in den Home Bus kommen?“
„Ja, solange es dir nichts ausmacht, allein zu bleiben, während ich mich bei Immortal Legacy einlogge.“
Sie nickte begeistert.
Hazel blieb plötzlich stehen, hielt Leon an der Hand fest, ließ dann schnell los, ging vor ihm her und hob beide Arme leicht an. „Jetzt sag mir, wie du mein Outfit findest, Leon.“
Outfit? Sie trug ein ärmelloses Kleid, das oben tiefrosa und unten weiß war, dazu braune Stiefel.
Äh … was sollte er sagen? Woher sollte er etwas über Frauenmode wissen?
„Es ist gut …“
Hazel kicherte. „Du hättest sagen sollen, dass ich süß bin! Das klingt viel besser, weißt du.“ „Na gut, es ist süß.“
„Zu spät!“, neckte sie ihn, packte dann wieder seine rechte Hand und zog ihn mit sich.
„Also …“, fuhr sie fort, während sie weitergingen. „Lass uns jetzt spazieren gehen. Du wolltest hier doch etwas kaufen, oder?“
„Ja, eigentlich will ich mir ein paar neue Klamotten kaufen und vielleicht eine Actionfigur? Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ich hab einfach Lust, Geld auszugeben“, sagte er etwas unsicher.
„Klar, jemand, der plötzlich so reich geworden ist wie du, weiß vielleicht nicht so recht, was er mit seinem Geld anfangen soll! Das ist ein Problem, das nicht jeder nachvollziehen kann“, sagte sie fröhlich.
„Lass uns jetzt zu einem Bekleidungsgeschäft gehen. Ich suche dir die besten Outfits raus, okay?“
Leon nickte einfach und folgte ihr eifrig.
Hazel nahm sich viel Zeit, um Leon durch das Einkaufszentrum zu führen und Kleidung für ihn auszusuchen – von formeller Kleidung bis hin zu Freizeitoutfits. Sie half ihm sogar dabei, einen Stil zu finden, der zu ihm passte. Währenddessen schaute Leon immer wieder auf sein Handy, falls Subaru oder jemand anderes ihn kontaktieren würde, um wieder ins
Spiel zurückzukehren.
Trotzdem genoss Leon den Moment. Während sie einkauften, stellte Hazel ihm verschiedene Marken vor, die sie alle für „gut“ hielt, was bedeutete, dass sie ziemlich teuer waren. Trotz ihrer Empfehlungen entschied sich Leon für Sachen, die nicht allzu teuer waren – er war noch nicht bereit, so viel Geld auszugeben.
Nachdem sie eine ordentliche Ausbeute zusammengestellt hatten, ging Leon kurz hinaus, um alles im Home Bus zu verstauen.
Danach setzten sie ihren Tag mit einem Mittagessen in einem Restaurant im Einkaufszentrum fort, wo sie sich gegenüber am Tisch saßen.
„Leon … Ich bin jetzt 18 und volljährig. Lass uns zusammen sein.“
Hazels plötzliche Erklärung kam gerade, als Leon an seinem Strohhalm nippte. Er war so überrascht, dass er sich ein wenig verschluckte und schnell nach einer Serviette griff, um sich den Mund abzuwischen.
Was zum Teufel?
„Was?“
„Ja! Ich habe mich sehr getraut, das zu sagen! Du hast keine Ahnung, wie schwer es mir gefallen ist, diese Worte auszusprechen. Und ja, ich meine es ernst … Du bist doch Single, oder? Ich auch! Also lass uns zusammen sein“, fuhr sie fort, mit einem strahlenden und unschuldigen Gesichtsausdruck.
„Warte …“, antwortete er leise, während er noch versuchte, die plötzliche Information zu verarbeiten, obwohl seine Gedanken eigentlich mit dem Spiel beschäftigt waren.
„Ausgehen?“
Hazel nickte begeistert und lächelte unerschütterlich.
„Ja …“, fuhr sie fort. „Weißt du, ich bin süß …“, sagte sie mit einem süßen Lächeln. „Und …“, fuhr sie fort, „ich verdiene mein eigenes Geld, also keine Sorge, ich habe nicht vor, dir etwas wegzunehmen … Und ich bin auch klug … vielleicht nur ein bisschen weniger klug als deine Schwester“, fügte sie
mit einem Lachen.
„Warte, Hazel“, antwortete Leon und versuchte, das Tempo zu drosseln. „Gib mir einen Moment zum
Durchatmen.“
Sie lachte über seine Reaktion. „Ich habe auf diesen Moment gewartet, bis ich 18 geworden bin. Das habe ich dir doch schon gesagt, oder?“
„Nein“, antwortete er. „Ich meine … wir kennen uns doch noch nicht so gut …“
„Ich habe dir schon viel über meine Vergangenheit erzählt“, sagte sie lächelnd und nickte. „Und ich habe viel über dich gehört … und wenn du mich bittest, dass wir warten, bis wir uns besser kennenlernen, dann fürchte ich, dass ich dafür keine Zeit haben werde. Dein Spielplan ist so voll …“
„Das meine ich nicht … aber sich zu verabreden ist etwas, das man …“
Hazel unterbrach ihn: „Keine Sorge … Ich bin wirklich in dich verliebt, so sehr, dass mein Herz rast,
wenn ich mit dir zusammen bin … Und ich bin mir sicher, dass du, sobald wir zusammen sind, merken wirst, dass es gar nicht so schwer ist, mich zu mögen. Was meinst du?“ fragte sie kichernd.
Gerade als er antworten wollte, wackelte der Tisch leicht, weil sein Handy darauf vibrierte.
Er schaute hinüber und sah Subarus Namen auf dem Display.
„Hazel…“
„Ja, schon gut, geh ruhig ran“, sagte sie mit einem Lächeln.
Leon nickte, nahm das Handy und ging schnell ran. Sobald er auf „Annehmen“ gedrückt hatte,
erfüllte Subarus Stimme sein Ohr.
