In dieser Nacht war das Wohnzimmer erfüllt vom leisen Summen von Leon und Freya. Das sanfte Licht ihrer Laptops warf Schatten an die Wände, während sie auf dem weichen, niedrigen Sofa saßen und sich zurücklehnten. Beide waren total in ihre Recherchen vertieft und durchsuchten das Internet nach Überlieferungen oder vergessenen Geschichten über die Drachenprinzessin.
Beide waren unermüdlich auf der Suche, selbst als die Uhr elf schlug und Mitternacht näher rückte. Das Geheimnis der Drachenprinzessin hatte sie völlig in seinen Bann gezogen, und die Möglichkeit, dass es sie in die komplexe Handlung von Immortal Legacy einflechten könnte, war einfach zu verlockend, um ihr widerstehen zu können.
Im Gegensatz zu früheren Spielen, bei denen jeder Spieler an der großen Handlung des Spiels teilnehmen konnte, bot Immortal Legacy eine einzigartige Wendung: Die Haupthandlung würde sich nur einmal entfalten und vollständig von den Handlungen der Spieler bestimmt werden. Diejenigen, die das Glück hatten, die entscheidenden Momente auszulösen oder zu lenken, würden die größten Belohnungen erhalten.
„Leon, komm und sieh dir das an“, Freyas Stimme durchbrach die Stille. Sie deutete auf ihren Bildschirm.
Neugierig trat Leon näher, ihre Schultern berührten sich, als sie sich um den leuchtenden Monitor drängten.
Als sie die Sätze aus Leons Entdeckung in der Schicksalsprüfungsdomäne mit den Ereignissen in der Spielwelt verglichen, fügten sich die Teile langsam zusammen.
„Sie war die Hoffnung. Die Auserwählte.“
Leon las laut vor.
Freya nickte und runzelte konzentriert die Stirn. „Der erste Satz deutet eindeutig darauf hin, dass diese Drachenprinzessin von Anfang an dazu bestimmt war, die Greed Champion zu werden. Er spielt auf ihre königliche Abstammung an.“
Leon nickte und nahm ihre Erkenntnisse auf. „Ja, das macht Sinn.“
Sie hat überlebt. Während die anderen umgekommen sind.
„Dieser Teil bezieht sich zweifellos auf die Auslöschung der königlichen Drachenfamilie“, sagte Freya. „Der König und andere wichtige Persönlichkeiten wurden in einer gnadenlosen Zusammenarbeit zwischen den Hochelfen und Dämonen ausgelöscht.“
„Und dann?“
„Sie lebte mit denen, die niedriger standen als sie. Sie wurde von dem Demütigen gerettet“, rezitierte sie, bevor sie klar weiterredete. „Endlich verstehe ich diesen Teil. Das bezieht sich auf ein Ereignis auf dem Westkontinent.“
„Der Westkontinent?“, fragte Leon.
„Ja, die Drachenmenschen … Das passierte unter den Drachenmenschen“, erklärte sie. „Drachenmenschen sind eine einzigartige Rasse mit einer Mischung aus menschlichen und drachenartigen Eigenschaften. Sie haben Drachenblut, das ihnen verbesserte körperliche Fähigkeiten und einige drachenähnliche Merkmale verleiht.“
Sie machte eine Pause, damit Leon die Informationen verdauen konnte, bevor sie fortfuhr. „Ich glaube, der Begriff ’niedriger‘ bezieht sich hier auf die Rasse der Drachenmenschen.“
Leon kniff die Augen zusammen, während er über die Auswirkungen nachdachte. „Sind Drachenmenschen wirklich Drachen?“, fragte er, um Klarheit zu bekommen.
Freya schüttelte sanft den Kopf. „Nein, Drachenmenschen sind keine richtigen Drachen. Sie sind eine eigene Rasse mit einer Mischung aus menschlichen und drachenähnlichen Eigenschaften.
Sie haben Drachenblut, erreichen aber nicht die volle Kraft oder Gestalt echter Drachen. Im Wesentlichen haben Drachenkinder zwar einige drachenähnliche Eigenschaften und Fähigkeiten, unterscheiden sich aber in Form, Größe, Kraft und kulturellem Kontext grundlegend von echten Drachen.“
„Und dann? Was ist dann passiert?“, fragte er, begierig darauf, tiefer in das Geheimnis einzutauchen. Freya holte tief Luft und kniff konzentriert die Augen zusammen.
„Okay, also … Vor einigen Jahrzehnten gab es ein Massaker an einem Stamm von Drachenmenschen auf dem Westkontinent. Dieses wurde von einer mysteriösen Organisation verübt, die angeblich unter den Drachenmenschen nach etwas suchte.“
Leon runzelte nachdenklich die Stirn. „Könnte es sein, dass die Drachenprinzessin unter ihnen war?“
„Ich neige dazu, das zu glauben“, antwortete Freya.
[Doch dann kam es zu einer weiteren Katastrophe. Das Unglück schien ihr zu folgen.]
[Alles wurde vernichtet. Außer ihr.]
„Das passt perfekt zu dem, was im vierten und fünften Teil steht“, fuhr Freya fort, während sie mit ruhiger Stimme die Fragmente der Geschichte zusammenfügte.
„Wurden die Drachenmenschen also vollständig ausgelöscht?“, fragte Leon.
„Nicht ganz“, erklärte Freya und schüttelte den Kopf. „Nur dieser eine Stamm wurde zum Ziel dieser mysteriösen Organisation.“
[Das Mädchen war so isoliert. Sie fühlte sich vergessen und verlassen.]
[Die Stimme erzählte ihr von ihrer Bestimmung. Sie sollte eine schwere Aufgabe für ihr Volk erfüllen.]
[Das Mädchen musste eine Entscheidung treffen. Sollte sie ihr Schicksal akzeptieren oder weglaufen?]
[Sie dachte an die Menschen, die sie früher kannte. Aber sie waren fort, also entschied sie sich zu bleiben.]
„Sie hat sich entschieden zu bleiben?“, murmelte Leon leise, während er über die Auswirkungen nachdachte. „Auf dem Westkontinent?“
„Möglicherweise“, antwortete Freya und tippte nachdenklich mit einem Finger gegen ihr Kinn. „Aber ich werde weitere Informationen suchen. Zumindest haben wir bei dieser Suche echte Fortschritte gemacht.“
Nach ein paar Augenblicken der Stille sprach Freya wieder, mit nachdenklicher Stimme. „Ich denke, eines Tages sollten wir den Westkontinent besuchen …“ Sie hielt inne. „Später, wenn du besser vorbereitet bist – mit deinem Level, deiner Ausrüstung und allem.“
Leon nickte zustimmend. „Einverstanden. Lass uns diese Herausforderungen Schritt für Schritt angehen.“
„Okay“, antwortete sie.
Die Zeit verging wie im Flug, während sie konzentriert recherchierten, bis Freyas Kopf plötzlich nach rechts sank und sanft auf Leons Schulter ruhte. Er blieb einen Moment lang regungslos sitzen und sah, wie ihr Atem langsam und gleichmäßig ging, während ihre Augen friedlich schliefen.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sie schlafen sah. Er bewunderte ihre Leidenschaft für Immortal Legacy und die unzähligen Geheimnisse, die es barg. Freya ging es nicht darum, die beste Spielerin zu werden, sondern die Geheimnisse des Spiels aufzudecken und in seine Geschichte einzutauchen. Vielleicht war es diese Leidenschaft, die sie dazu trieb, an dem Spiel zu arbeiten und sich dafür zu entscheiden, als Wächterin eines göttlichen Champions zu dienen.
Leise Schritte näherten sich, und Leon blickte auf und sah Lily leise den Raum betreten. Sie bemerkte Freya, die an seiner Schulter schlief, und hielt sich die Hand vor den Mund, um ein leises Kichern zu unterdrücken. Ohne ein Wort zu sagen, schlich sie davon, nur um wenige Augenblicke später mit einer Decke in den Armen zurückzukehren, die sie
Leon sanft zuwarf.
Leon legte die Decke vorsichtig über Freya, die nun ganz entspannt an ihn gelehnt lag. Ihre Wärme und Ruhe erfüllten den Raum mit einem Gefühl der Gelassenheit.
„Heirate sie, Bruder“, flüsterte Lily mit einem neckischen Lächeln. „Ich bin einverstanden …“
„Halt … die Klappe …“, murmelte Leon zurück.
Am nächsten Morgen war Leon früh aufgestanden, schnürte seine Laufschuhe und war bereit für seinen täglichen Jogginglauf. Als er nach draußen trat, bemerkte er etwas Ungewöhnliches. Lily wartete bereits auf ihn, auf ihrem Fahrrad sitzend und mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Sie trug ein passendes Trainingsoutfit und eine Mütze, unter der ihr Haar unordentlich hervorschaute. Sobald sie ihn sah, winkte sie ihm energisch zu.
“
Leon joggte zu ihr hinüber. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du schläfst noch.“
„Ich will dir beim Laufen Gesellschaft leisten … Aber ich fahre mit meinem Fahrrad“, sagte sie mit einem
Kichern.
Er lachte leise und rückte ihre Mütze zurecht, wobei er ihr eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht strich. „Okay, ich freue mich über deine Gesellschaft.“
„Okay, los geht’s!“, jubelte Lily und boxte mit der rechten Faust in die Luft.
Als Leon loslief, warfen die Straßenlaternen noch ihr schwaches Licht auf den Bürgersteig. Lily folgte ihm in gemächlichem Tempo, die Räder ihres Fahrrads surrten leise, während sie über den Asphalt rollten
.
„Sag mal, Lily, wie läuft es in der Schule? Hast du Spaß?“, fragte Leon und hielt sein Tempo
konstant.
Mit einem breiten Lächeln nickte sie. „Ja“, antwortete sie. „Mir gefällt meine neue Schule wirklich gut … Ich habe sogar eine neue Freundin gefunden.“ Sie hielt inne und ein nachdenklicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Vielleicht stelle ich sie dir das nächste Mal vor?“
„Ist es ein Junge?“
„Ähm … nein, es ist ein Mädchen“, antwortete sie schnell. „Aber … jetzt überlege ich mir, ob ich sie dir vorstellen soll …“
„Warum?“
„Ich weiß nicht … lass mich noch mal darüber nachdenken“, sagte sie kichernd.
„Und, was lernst du in der Schule, Lily?“
„So ziemlich das Gleiche wie in jeder anderen Schule … aber wir spielen auch Immortal Legacy“, sagte sie,
und ihre Begeisterung war deutlich in ihrer Stimme zu hören.
Leon drehte leicht den Kopf, ohne sein Tempo zu verlangsamen. „Du hast also jetzt einen Immortal Legacy-Charakter? Warum hast du mir das nicht erzählt?“
Sie kicherte. „Warte auf den richtigen Moment, okay? Ich werde dich nicht auf gefährliche Abenteuer begleiten … Ich hab nur Spaß. Also pass auf, dass du stark genug bist, um mich zu beschützen, wenn es
so weit ist, okay?“
Leon nickte. „Abgemacht.“
Während sie ihre morgendliche Routine fortsetzten und die Welt um sie herum erwachte, konnte Leon ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit nicht unterdrücken. Ihr Leben hatte sich wirklich verbessert – die ruhigen Morgenstunden, die gemeinsamen Momente und die Abenteuer, die sie zusammen erlebten, erfüllten ihn mit Freude. Dann rannte Leon schneller, sodass Lily große Augen machte. „Leon … warte auf mich … hahaha.“
