Tief in der Nacht, im schimmernden Mondlicht, sah man zwei Kinder durch den Wildwald streifen. Sie trugen Kleider aus Blättern und Ranken, die ihnen ein einzigartiges Aussehen verliehen, während sie sich durch die Dunkelheit bewegten.
Es war klar, dass es Kinder waren, die etwa zwölf Jahre alt zu sein schienen, obwohl niemand ihr wahres Alter bestimmen konnte. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit sprangen sie zwischen den Ästen hin und her, als würden sie fliegen, und jedes Mal, wenn sie sich bewegten, hinterließen sie winzige magische Energieflitter, die ihren Weg kurzzeitig beleuchteten.
Das auffälligste Merkmal dieser Kinder waren ihre spitzen Ohren – typisch für Elfen. Es war klar, dass sie keine Menschen waren. Genauer gesagt waren sie Feen.
Das Mädchen sprang dann von einem Ast herunter und mit einer Handbewegung erschien ein leuchtender magischer Kreis vor ihr, der ein Bild aus einem anderen Teil des Waldes zeigte.
„Cedric, ich habe sie gefunden“, flüsterte Cecilia, die weibliche Fee.
Cedric und Cecilia waren Zwillinge und gehörten beide zum Volk der Feen.
„Wow … ha ha ha … das ist toll, Cecilia“, antwortete Cedric. „Aber was ist so besonders an ihnen? Sind das nicht einfach Abenteurer, die hier Monster jagen? Solche Leute sehen wir doch ständig.“
Cecilia schüttelte langsam den Kopf. „Der Typ, der Broken heißt.“
„Was ist denn an ihm kaputt? Ha ha ha… Was für ein komischer Name.“
Cecilia blieb ernst. „Dieser Typ namens Broken hat einen Vertrag mit zwei hochrangigen Geistern geschlossen, und einer davon ist die Naturgöttin.“
Cedric machte neugierig große Augen. „Naturgöttin? Moment mal… Meinst du die Naturgöttin Gaia? Die, die laut einer Prophezeiung nach Yunatea kommen und Chaos anrichten soll? Wow… Cecilia, heißt das, dass eine Katastrophe bevorsteht? Wir müssen Stammesführerin Elaine sofort informieren!“
Cecilia schüttelte entschieden den Kopf. „Warte, Cedric … Hör mir zu“, sagte sie eindringlich. „Das meine ich nicht. Die Naturgöttin, die einen Vertrag mit diesem Mann geschlossen hat, ist geschwächt. Das bedeutet, dass der Geist nicht die vorhergesagte Zerstörung bringen wird – zumindest vorerst nicht.“
„Wenn das so ist, muss er sehr mächtig sein! Was genau willst du mir damit sagen, Cecilia?“
Cecilia fuhr fort: „Erinnerst du dich an die Prophezeiung der Feenkönigin, dass jemand in dieses Land kommen und den Fluch aufheben würde, unter dem unser Stamm leidet?“
„Ja, natürlich“, antwortete Cedric. „Was willst du damit sagen? Meinst du, dieser Mann namens Broken ist derjenige aus der Prophezeiung?“
Cecilia schien über seine Frage nachzudenken, ihr Gesichtsausdruck war nachdenklich.
„Müssen nicht zwei Bedingungen erfüllt sein, damit sich die Prophezeiung erfüllt, Cecilia? Willst du damit sagen, dass er beide erfüllt?“
Cecilia nickte langsam. „Ja, Cedric … genau das möchte ich dir klar machen.“
Cedric hakte nach. „Aber bevor wir losrennen, um es dem Stammesführer zu erzählen, müssen wir uns über seine Absichten im Klaren sein. Was, wenn jemand wie er herausfindet, wo wir leben? Das könnte sehr gefährlich werden. Er hat Königin Gaia bei sich, und wer weiß, was er unserem Volk antun könnte.“
Cecilia nickte langsam zu Cedrics vorsichtiger Aussage und erkannte die Wahrheit in seinen Worten. Unter den Feen gibt es eine verehrte Person, die als Königin der Feen bekannt ist und den höchsten Rang unter ihnen innehat. Sie ist die einzige ursprüngliche Championin der Lust, gesegnet vom Gott der Lust.
Die Feen sind über ganz Yunatea verstreut und gehören jeweils zu einem bestimmten Stamm, der von einem Stammesführer angeführt wird.
Das galt auch für Cedric und Cecilia, die mit einem bestimmten Feenstamm unter der Führung ihrer Stammesanführerin, die sie Elaine nannten, lebten.
Die Zwillinge beobachteten Broken aus der Ferne aufmerksam und überlegten, welche Gefahren er für ihr Land mit sich bringen könnte.
„Er sieht nicht gefährlich aus, Cedric … Er geht gut mit anderen um“, meinte Cecilia.
„Das sind seine Leute, da ist es klar, dass er sich so verhält. Aber würde er uns auch so behandeln, wenn wir ihm über den Weg laufen würden? Was, wenn er plötzlich beschließt, uns alle umzubringen?“
Cecilia nickte langsam und verstand Cedrics Bedenken.
„Cedric … Ich weiß nicht, was ich tun soll …“, sagte Cecilia. „Ich werde einfach alles der Stammesführerin Elaine erklären und sie entscheiden lassen, wie wir mit ihnen umgehen sollen. Was meinst du?“
„Ja, ich denke, etwas so Wichtiges muss ihr gemeldet werden.“
Cecilias Hände bewegten sich anmutig, ihre Finger zeichneten komplizierte Symbole in die Luft. Langsam bildete sich ein magischer Kreis, in dem das Bild eines fernen Ortes erschien.
Die Szene, die sich durch den magischen Kreis offenbarte, war kein anderer Ort als das Zimmer der Stammesführerin Elaine. Efeu rankte an den Säulen empor, und die Bäume und Pflanzen im Raum waren voller Leben und mit Blüten in allen Farben geschmückt.
Auf einem großen Stuhl am anderen Ende des Raumes saß ein junges Mädchen mit welligem blondem Haar, das ihr über die Schultern fiel und ihre zarten Gesichtszüge perfekt umrahmte. Ihr Kleid, eine Mischung aus Weiß und Schwarz, war fein bestickt, und auf ihrem Kopf trug sie eine Tiara. Cedric verbeugte sich höflich. „Entschuldige, dass ich das Kommunikationsportal ohne Vorwarnung geöffnet habe, meine Dame Elaine. Aber ich habe etwas sehr Wichtiges mitzuteilen.“
„Cedric, Cecilia“, sprach Elaine mit sanfter Stimme. „Bitte sagt mir, was ihr zu sagen habt.“
Inmitten der Anwesenden stand ein Mann mit ausdruckslosem Gesicht, der fast wie ein Teenager wirkte. In Wahrheit war dies Morel, der hoch angesehene Ritterkommandant ihres Stammes.
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„Verschwendet nicht die Zeit des Anführers, ihr beiden!“, sagte Morel bestimmt. „Seid ihr sicher, dass dieses Kommunikationsportal an diesem Ort geöffnet werden sollte? Was, wenn jemand entdeckt, was ihr hier tut? Sollten wir es nicht sofort schließen?“
Die Feen sind eine der wichtigsten Rassen in Yunatea, und auch unter ihnen gibt es jemanden, der mit einer der Kräfte der Sünden gesegnet ist.
Seit Jahrhunderten ist die Königin der Feen die einzige Trägerin des Titels „Champion der Lust“ und damit die ranghöchste Figur ihrer Rasse.
Die Feen sind mit der einzigartigen Fähigkeit gesegnet, ihr jugendliches Aussehen ihr ganzes Leben lang zu bewahren, selbst wenn dieses mehrere hundert Jahre umfasst. Nehmen wir zum Beispiel Elaine, die Stammesführerin – sie war über fünfhundert Jahre alt, sah aber immer noch aus wie ein fünfzehnjähriges
Mädchen.
Elaine war nur eine von vielen Stammesanführerinnen, die die Aufgabe hatten, ihren jeweiligen Stämmen zu führen. Aber wer würde sie alle vereinen? Leider war die berühmte und hoch angesehene Königin der Feen seit fast drei Jahrhunderten verschwunden, sodass sich alle fragten, ob sie noch lebte oder längst verstorben war.
Aus diesem Grund haben sich die Feenstämme in ganz Yunatea vor Außenstehenden versteckt. Fast keiner von ihnen hat sich in die Außenwelt integriert – sie leben in ihrer eigenen Welt.
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Die Geheimhaltung ihrer Wohnorte ist lebenswichtig und wird so streng bewacht wie ihr Leben selbst. Wenn sich jemand oder eine Gruppe ihrem Territorium näherte, waren die Feen natürlich misstrauisch, manchmal sogar aggressiv. Und es schien, als würde es diesmal nicht anders sein.
Cecilia sagte zögernd: „Meine Dame Elaine … Ähm … da ist etwas …“
Mit einem freundlichen Ausdruck antwortete Elaine: „Bitte, Cecilia, sag es mir. Du brauchst nicht zu zögern.“
Cedric trat dann vor, um die Führung zu übernehmen. „Cecilia, lass mich dir helfen, es zu erklären.“
Er erzählte alles, was sie entdeckt hatten.
