Broken ging die gepflasterte Straße in Deadbay entlang und hielt Polly vorsichtig in seinen Armen. Die Gebäude in der Stadt bestanden aus rechteckigen weißen Steinen mit Dächern, die hauptsächlich aus roten Ziegeln gemacht waren. Kleine Flüsse flossen durch die Stadt, teilten sie in Abschnitte und mündeten schließlich ins Meer. Weinreben schmückten mehrere Gebäude und trugen zur angenehmen Ästhetik der kleinen Stadt bei.
Broken schlenderte mit Polly zum Stadtrand, um sie zu bitten, sich dort, fern von neugierigen Blicken, in ihre größere Gestalt zu verwandeln. Er wusste, dass Pollys Aussehen als Geistwesen zu viel Aufmerksamkeit erregen würde.
Die belebten Straßen der Stadt wichen allmählich grasbewachsenen und buschigen Ebenen in der Nähe des Stadtrands.
„Okay, lass uns zur Höhle gehen, um die Bergleute zu treffen, Polly“, sagte Broken lächelnd und setzte Polly ab.
Polly hob den Kopf, sah Broken an und schwieg einen Moment lang. „Meister …“, sagte sie leise.
„Was ist los?“
„Ich habe Hunger“, erklärte Polly langsam, ihre Stimme klang besorgt. „Ich habe Angst, dass ich verschwinde und in die Geisterwelt zurückkehren muss, wenn ich mich weiterhin in meine Kampfform verwandle.“
„Ah, ich verstehe“, antwortete Broken mitfühlend. Er bückte sich und strich Polly sanft über das Fell. „Es tut mir leid. Du musst keine Angst haben, mir zu sagen, was du brauchst.
Das ist meine Aufgabe, okay?“
„Ich will dir keine Last aufbürden, Meister.“
„Nein … wir sind Verbündete, okay? Wir brauchen einander. Also sag mir bitte das nächste Mal, was dich bedrückt, bevor es zu spät ist.“
„Ja, Meister … danke …“ „Lass uns zurück in die Stadt gehen und dir etwas zu essen besorgen. Dann können wir zur Höhle gehen.“ Er lächelte beruhigend.
Doch dann runzelte er wieder die Stirn. „Warte“, sagte er mit einem Anflug von Verwirrung in der Stimme. „Ich habe noch nie Geister gefüttert. Esst ihr so etwas wie Menschen?“
Polly schüttelte den Kopf. „Nein, Meister, wir sind Geister, die andere Geister verzehren.“
„Hä?“ Broken war verwirrt von ihrer Antwort. „Was meinst du damit? Wollt ihr damit sagen, dass ihr Kannibalen seid?“
„Nein, Meister“, sagte Polly ruhig und sah Broken mit ihren kleinen Augen an. „Geister gibt es in verschiedenen Formen, von Pflanzen über Monster, Ereignisse, Orte, Elemente und vieles mehr. Einfach gesagt, außerhalb der Geisterwelt können wir Geister unseren Hunger stillen, indem wir uns von den Geistern der Monster ernähren, die wir besiegen. Außerdem mögen wir Monsterkerne besonders gern.“
„Monsterkerne?“, fragte Broken und nickte langsam. „Also, indem ihr Monster tötet, könnt ihr euren Magen füllen. Aber was bringt euch das Verzehren von Monsterkernen noch? Ich meine, es ist nicht gerade einfach, sie zu bekommen, da die Chance, dass ein Monster einen fallen lässt, gering ist.“
Polly nickte eifrig. „Monsterkerne sind unter uns Geistern sehr wertvoll. Sie versorgen uns nicht nur mit Nahrung, sondern verleihen uns auch Statuspunkte und das Potenzial, uns zu mächtigeren Formen zu entwickeln.“
„Jetzt verstehe ich. Durch den Verzehr von Monsterkernen wird man also auch stärker.“
„Richtig, Meister …“
Wenn Spieler Monster jagten, konnten sie verschiedene Belohnungen erhalten, wie zum Beispiel Erfahrungspunkte. Diese Erfahrungspunkte waren eine zuverlässige Quelle für den Fortschritt, sodass die Spieler immer auf der Suche nach Monstern waren, die sie jagen konnten. Allerdings verringerte sich die Anzahl der Erfahrungspunkte, die sie erhielten, wenn das Level des Monsters, das sie jagten, zu weit unter ihrem eigenen lag. Daher suchten die Spieler oft nach höherstufigen Monstern, um ihren Erfahrungspunktgewinn zu maximieren. Je höher das Level des Monsters, desto mehr Erfahrungspunkte erhielten sie.
Außerdem ließen Monster verschiedene Gegenstände fallen, wie Fleisch, Haut, Knochen, Fertigkeitsrollen, Rezepte, Blaupausen und den begehrten Monsterkern.
Dieser Kern war eine kristalline Struktur, die normalerweise im Herzen der Monster zu finden war und ihnen die Fähigkeit zum Leben, Kämpfen und zum Einsatz ihrer Fähigkeiten verlieh. Wenn sie starben, gab es jedoch nur eine geringe Chance, dass diese Monsterkerne zurückblieben, was sie zu einem seltenen und wertvollen Fund für alle machte, die es schafften, sie zu besiegen.
Aber dann gab es noch eine noch seltenere Form des Monsterkerns: den Monster-Seelenstein, eine mächtigere Version.
Monsterkerne konnten zum Herstellen und Verbessern von Waffen und Rüstungen sowie für verschiedene andere Zwecke verwendet werden. Ein Monster-Seelenstein war im Wesentlichen ein Monsterkern, der die Seele des Monsters enthielt, was ihn viel wertvoller machte. In einigen Fällen konnte sein Preis zehn- oder sogar hundertmal höher sein als der eines Monsterkerns.
„Okay“, nickte Broken langsam. „Wir haben viel Zeit, also können wir sie mit Monsterjagd verbringen. Ich hab’s nicht eilig.“
Dann fiel ihm etwas ein und er fragte: „Ach übrigens, Polly, zeig mir mal deine aktuellen Werte.“
Pollys Augen leuchteten auf und sie antwortete: „Natürlich, Meister. Hier sind meine aktuellen Werte.“
[Name: Polly
Level: 97
Rasse: Neunschwänziger Fuchs
Gesundheit: 1570 Mana: 1896
Stärke: 212 Beweglichkeit: 380 Intelligenz: 158 Konstitution: 157 Ausdauer: 170]
Als Broken Pollys Gesamtwerte sah, schluckte er schwer. „Du hast mehr Statuspunkte als ich, Polly!
Du bist mir in Sachen Werte weit voraus. Aber keine Sorge. Wir werden jede Menge Monsterkerne und Seelensteine für dich finden“, versicherte er ihr. „Wir werden dich weiter aufleveln, damit du noch stärker wirst.“
„Ja, Meister … Ich möchte stärker werden, damit ich dir besser helfen kann.“
„Du bist mir schon sehr nützlich, Polly“, sagte er und streichelte liebevoll den Kopf der kleinen Füchsin.
Polly hatte eine Kombination von Werten, die perfekt für ihre Rolle waren. Ihre Beweglichkeit war extrem hoch, die höchste aller ihrer Werte, wodurch sie sich schnell und flink bewegen konnte. Auch ihre Stärke war beachtlich, wodurch sie erheblichen physischen Schaden verursachen konnte. Um diese beiden Werte zu unterstützen, verfügte sie über eine ordentliche Konstitution und Ausdauer.
Am wenigsten entwickelt war ihre Intelligenz, da sie für ihre Fähigkeiten nicht stark auf Magie angewiesen war. Trotzdem waren ihre Gesamtwerte besser als die von Spielern über Level 100 oder sogar noch höher. Im Zweikampf gegen einen Spieler der Stufe 100 hatte sie sehr gute Gewinnchancen, besonders gegen Magier. Magier hatten wegen ihrer hohen Magieresistenz Probleme mit Polly.
Broken sah sich eine Weile um und suchte nach der Gruppe von Spielern, die er auf dem Weg zum Jagdgebiet gesehen hatte. Es waren drei, die anscheinend zusammen unterwegs waren. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, schienen sie etwa Level 50 zu sein. Er folgte ihnen vorsichtig aus der Ferne, während sie über die weite Wiese in Richtung eines Waldes auf der anderen Seite gingen.
Als Broken an dem Trio aus einem männlichen Krieger, einer Magierin und einer Bogenschützin vorbeiging, die alle Anfang zwanzig zu sein schienen, beachtete er sie nicht und schenkte ihnen nicht einmal einen Blick.
„Guck mal“, spottete der Krieger und zeigte auf Broken. „Da ist ein Solo-Spieler; ich glaube, der ist zu dumm, um Verbündete zu finden. Hahaha!“
Die beiden Mädchen neben ihm kicherten, als ihr Freund Witze machte und Broken neckte.
„Lass ihn doch, stör ihn nicht“, riet die Bogenschützin.
„Wow, er hat ein süßes Geisttier“, fügte die Magierin hinzu und zeigte auf den kleinen Fuchs, der Broken folgte.
„Pah“, spottete der Krieger. „Trotzdem ist er zu dumm. Seht ihr seine schäbigen Klamotten? Ich wette, er ist noch nicht mal Level 10. Und so geht er in den Wald? Der ist doch bald tot.“
Als Broken das höhnische Gelächter hörte, blieb er stehen und hob die Augenbrauen. Ein Ausdruck von Verärgerung zeigte sich auf seinem Gesicht, als er sich zu den dreien umdrehte. „Was ist das Problem, wenn ich alleine spiele?“, fragte er.
„Hahahaha“, lachte der Krieger laut. „Seht ihn euch an. Dieser dumme Spieler ist verärgert. Wie wäre es, wenn wir testen, wie stark er ist? Duellier dich mit mir, du Trottel!“
