Der Klassenraum war jetzt ein Schlachtfeld der Meinungen, geteilt zwischen denen, die Aurelius‘ Fähigkeiten bewunderten, und denen, die sie als Übertreibung abtaten. Die skeptische Stimme gehörte Emeric Ironheart, dem viertbesten Schüler, der dafür bekannt war, seine Mitschüler herauszufordern und zu konfrontieren.
Aurelius blieb ganz cool und antwortete ruhig: „Ich verstehe, dass es schwer zu glauben ist. Aber ich lüge nicht. Ich habe keinen Grund dazu.“
Emeric schnaubte mit einem übermütigen Grinsen im Gesicht: „Eine Affinität zu Licht, Dunkelheit und Blitz? Du hältst uns wohl für Idioten. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der so viele Affinitäten hat.“
Die Spannung im Raum stieg. Aurelius schien unbeeindruckt, aber Adrian, der in der Nähe saß, lächelte wissend. Er hatte diese Reaktion erwartet.
Emeric fuhr in herausforderndem Ton fort: „Dann beweise es doch mal. Zeig uns deine sogenannte Affinität zu Licht, Dunkelheit und Blitz. Ich wette, das kannst du nicht.“
Aurelius seufzte innerlich. Er hatte damit gerechnet und wusste, dass Emeric skeptisch sein würde. Ohne ein Wort zu sagen, schloss er die Augen und begann, seinen Äther zu kanalisieren.
Ein sanftes, strahlendes Leuchten umhüllte ihn, als er sich auf seine Affinität zum Licht konzentrierte. Im nächsten Moment materialisierte sich eine kleine Lichtkugel in seiner Handfläche und tauchte den Raum in ein sanftes Licht. Die überraschten Ausrufe seiner Klassenkameraden hallten durch den Raum, als sie Zeugen seiner Lichtmagie wurden.
Emerics selbstbewusster Gesichtsausdruck schwankte für einen Moment, aber er fasste sich schnell wieder. „Anfängertrick. Das kann jeder.“
Aurelius widersprach nicht und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Dunkelheit. Der Raum verdunkelte sich, als sich ein schattenhafter Nebel um ihn herum sammelte. Die Dunkelheit verdichtete sich und bildete eine kleine Schattenkugel in seiner anderen Hand. Der Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit hielt den Raum in einer faszinierten Stille. Doch schon bald zitterten sie und lösten sich in Luft auf. Das lag an der mangelnden Beherrschung der Kunst, wie Aurelius zuvor erwähnt hatte.
Emeric, nun sichtlich verunsichert, murmelte leise: „Das muss ein Trick sein. Ja …“
Aurelius ignorierte den Kommentar und konzentrierte sich auf seine letzte unkontrollierte Fähigkeit – Blitz. Zuerst passierte nichts, aber nach ein paar Sekunden knisterte die Luft vor Energie und Funken tanzten zwischen seinen Fingerspitzen. Ein leises Summen erfüllte den Raum und gipfelte in einem plötzlichen Blitz, der sich über seine Hände bog und ein spektakuläres Lichtspiel erzeugte.
Die Ausrufe seiner Klassenkameraden waren diesmal lauter. Aurelius hatte nicht nur seine Affinitäten unter Beweis gestellt, sondern dies auch mit einer Meisterschaft getan, die alle Erwartungen übertraf.
Emeric erkannte, dass er Aurelius unterschätzt hatte, und lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen anderen. „Okay, du hast deine Show gehabt. Ich gebe auf. Aber was ist mit dem besten Schüler, Adrian? Ich bin sicher, er wird dich in deine Schranken weisen.“
„Hä?“ Adrian, der von Emerics plötzlicher Wendung überrascht war, fragte verwirrt. „Alter, warum redest du von mir? Solltest du nicht nur den Hauptcharakter angreifen?“
Doch bevor Adrian etwas sagen konnte, richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit auf ihn.
„Oh, Schüler Emeric hat recht. Warum zeigst du es nicht auch, Schüler Adrian?“ Der Ausbilder Lyr wandte sich an Adrian. „Alle deine Klassenkameraden scheinen auch an den Fähigkeiten des Erstplatzierten interessiert zu sein.“
Adrian spürte die Blicke auf sich und stand langsam auf. Sein Gesichtsausdruck blieb gleichgültig, eine Maske, die seine inneren Turbulenzen verbarg. Aurelius, der Adrians Zustand bemerkte, warf ihm einen mitfühlenden Blick zu.
Als Adrian sich der erwartungsvollen Menge zuwandte, holte er tief Luft. „Bevor ich etwas vorführe, muss ich euch allen etwas sagen.“
Im Raum wurde es ganz still, alle Augen waren jetzt auf Adrian gerichtet.
„Früher oder später würde es sowieso rauskommen, also kann ich es auch gleich selbst sagen …“
„Ich habe keine Affinität“, erklärte Adrian mit fester Stimme. „Ich kann die Elemente nicht so manipulieren wie ihr anderen.
Kein Feuer, kein Wasser, keine Luft, kein Licht, keine Dunkelheit und kein Blitz. Ich bin das, was man einen Affinitätslosen nennt.“
„…“
Die ganze Klasse verstummte. Die Enthüllung hing in der Luft und wurde von einem kollektiven Murmeln der Überraschung und Ungläubigkeit begleitet. Die Schüler tauschten Blicke aus, einige hatten Mühe, die Seltenheit von Adrians Zustand zu begreifen.
„Hat er gesagt, er hat keine Affinität? Aber wie?“
„Affinitätslos?“
„Wie hat er dann den ersten Platz erreicht?“
Aurelius erkannte die Wirkung von Adrians Geständnis und versuchte, die Aufmerksamkeit abzulenken. „Hey, macht keine große Sache daraus. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Adrian hat vielleicht keine Affinität, aber …“
„Wow! Habt ihr das gehört?“ Doch bevor Aurelius seinen Satz beenden konnte, ging ein lauter Aufschrei durch den Raum. Emeric, der dafür verantwortlich war, nutzte den Moment und grinste triumphierend: „Adrian, der Erstplatzierte, hat keine Affinität! Das hat wohl niemand kommen sehen. Wie hat jemand wie er es ohne magische Fähigkeiten an die Spitze geschafft?“
Im Raum herrschte eine Mischung aus Ungläubigkeit, Geflüster und gedämpften Gesprächen. Die Schüler warfen sich neugierige Blicke zu, und einige konnten ihr Lachen nicht zurückhalten. Die Nachricht, dass der Erstplatzierte affinitätslos war, war in der Tat eine unerwartete Wendung.
Emeric genoss die neue Aufmerksamkeit und stichelte weiter: „Oh, schaut euch den mächtigen Erstplatzierten an. Wie soll er ohne Affinität in der Akademie überleben? Vielleicht hat er die ganze Zeit irgendwelche hinterhältigen Tricks angewendet. Er ist echt verdächtig.“
Adrian ließ sich von den Spötteleien nicht aus der Ruhe bringen und blieb ganz gelassen. Er sah zuerst den Professor und dann Emeric an. „Ich habe mir meinen Rang durch harte Arbeit, Engagement und das Beherrschen von Kampftechniken verdient.“
„Und …“ Dann sah er Emeric kalt an, sein Blick war eiskalt, seine Augen durchbohrten die Spottversuche. „Wenn du an meinen Fähigkeiten zweifelst, kannst du mich gerne zu einem Duell herausfordern.“
„Ich hasse solche billigen Tricks.“
Emeric spürte zum ersten Mal einen Schauer über seinen Rücken laufen, als er Adrians Blick begegnete. Die Atmosphäre im Raum veränderte sich, das triumphierende Grinsen auf Emerics Gesicht wich einem subtilen Ausdruck von Unbehagen.
Adrians Blick, kalt und unnachgiebig, schien Emerics Tapferkeit zu durchdringen und eine stille Zuversicht offenbaren, die über die Notwendigkeit herkömmlicher magischer Fähigkeiten hinausging. Die umstehenden Schüler spürten die Veränderung in der Dynamik, wurden still und ihre Neugierde vermischte sich nun mit einem neuen Interesse an dem Schüler mit der besten Note.
