„Es tut mir so leid.“
Adrian sah Aurelius in der Nähe stehen, regungslos wie eine Statue, sein Gesicht vor Unglauben erstarrt, als könne er die Szene vor ihm nicht begreifen. Es schien, als sei die Hauptfigur wie in Trance.
Lloyd und Elara versuchten verzweifelt, seine Wunde mit Magie zu verschließen, aber das Gift hatte sich zu schnell ausgebreitet und raubte ihm das Leben, während sie versuchten, ihn zu heilen.
Aria suchte immer noch nach ihrem Ring, ihre Finger tasteten verzweifelt nach etwas, ihr Atem ging in unregelmäßigen Schluchzern. „Nicht … bitte, verlass mich nicht. Ich werde dich retten, Adrian, ich schwöre es!“
Aber die Dunkelheit war jetzt so nah, das Dröhnen der Explosion wurde immer lauter und verschlang alle Geräusche, alle Gedanken.
Er konnte es sehen – die unerbittliche Flut der Zerstörung, die auf sie zustürmte, unaufhaltsam, unvermeidlich. Und als seine Sicht sich verdunkelte, spürte er, wie eine seltsame Ruhe über ihn kam, während die letzten Spuren des Lichts der Reliquie schwach in ihm pulsierten.
„Jetzt ist es vorbei …“
„…“
Aber irgendwo tief in seinem Inneren flüsterte eine leise Stimme, dass das alles vielleicht nur ein Traum gewesen war, dass er jeden Moment aufwachen würde, zurück in seinem Zimmer, wo die Sonne durch das Fenster schien.
Aber als die Dunkelheit ihn umhüllte und das Licht um ihn herum zu verschwinden begann, wusste er, dass er nicht aufwachen würde.
Das war kein Traum.
Es war das Ende.
Er schloss die Augen und gab sich der Müdigkeit hin, die Dunkelheit war eine willkommene Erlösung von den Schmerzen. Er spürte Arias Hand, warm und fest, die seine mit entschlossener Entschlossenheit umklammerte, ihre Stimme hallte leise nach, als sie ihn anflehte zu bleiben, ihre Worte waren wie ein sanftes Wiegenlied, das ihn in die Vergessenheit trug.
Und dann war da nichts als Stille, und die Dunkelheit umhüllte ihn vollständig.
„…“
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„…“
Die Dunkelheit wich einem seltsamen, ätherischen Licht.
Blink~
Adrian blinzelte verwirrt, als er sich in einer riesigen, nebligen Fläche wiederfand, die sich scheinbar endlos in alle Richtungen erstreckte. Durch den wirbelnden Nebel konnte er die Umrisse gewaltiger Bauwerke erkennen – alte Ruinen, die wie Berge vor einem unendlichen Horizont aufragten und mit ihren zerfallenden Formen sowohl beeindruckend als auch beunruhigend wirkten.
„Bin ich … gestorben?“
Das war die erste Frage, die ihm in den Sinn kam.
Er runzelte die Stirn und sah sich mit wachsender Verwirrung um. Etwas an diesem Ort riss an seinem Bewusstsein, eine halb vergessene Erinnerung, die gerade außerhalb seiner Reichweite schwebte. Die verwitterten Steine, die seltsame Beschaffenheit des Lichts, das durch den Nebel fiel – alles kam ihm seltsam vertraut vor, als hätte er diesen Ort schon einmal betreten.
Oder vielleicht …
Seine Schritte hallten seltsam wider, als er losging, der Klang weder gedämpft noch klar, sondern irgendwo dazwischen. Der Nebel teilte sich und wirbelte bei jedem Schritt um ihn herum und gab den Blick auf weitere Ruinen frei – große Torbögen, umgestürzte Säulen und Bauwerke, die jeder konventionellen Architektur widersprachen.
„Ich war schon mal hier“, dachte er, konnte aber nicht sagen, wann oder wie. Das Wissen war in seinem Kopf wie ein halb vergessener Traum, gerade noch klar genug, um es zu erkennen, aber zu verschwommen, um es ganz zu begreifen.
Dann hallte eine Stimme durch den Nebel, die von überall und nirgendwo gleichzeitig zu kommen schien.
„Alex.“
Seine Augen weiteten sich und sein Körper spannte sich an, als er einen Namen hörte, den er seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gehört hatte. Ein Name, der zu einer anderen Welt gehörte, zu einem anderen Leben – seinem echten Leben vor all dem hier.
Sofort war er auf der Hut.
Könnte das …?
Das Wesen, das ihn in den Roman geschickt hatte? Das Wesen, das für seine Wiedergeburt verantwortlich war? Der Chronikenmeister oder wie auch immer sie hießen? In seinem Kopf schwirrten unzählige Möglichkeiten herum, eine beunruhigender als die andere.
Der Name hallte erneut wider: „Alex.“
Er umklammerte seinen Kopf und versuchte, die widersprüchlichen Erinnerungen und Emotionen zu sortieren, die ihn überfluteten. Wenn dies tatsächlich die Wesenheit war, die ihn in den Roman geschickt hatte, bedeutete das dann, dass alles nur eine Lüge gewesen war? Die Beziehungen, die er aufgebaut hatte, die Kämpfe, die er geschlagen hatte, das Leben, das er gelebt hatte – war alles nur eine ausgeklügelte Illusion gewesen?
„Nein“, flüsterte er entschlossen, dann lauter: „Nein!“
Er schüttelte heftig den Kopf und verdrängte die Zweifel, die ihn zu überwältigen drohten.
Die Erinnerungen an sein Leben als Adrian waren nicht nur Geschichten auf einer Seite – sie waren real. Die Wärme von Arias Hand in seiner, das Vertrauen seiner Gefährten, der Schmerz seiner Wunden, der Triumph ihrer Siege und der Schmerz ihrer Niederlagen – diese Gefühle waren zu lebendig, zu echt, um nur Erfindungen zu sein.
Der Nebel vor ihm begann sich zu verschieben und zu verdichten und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Eine Gestalt tauchte auf – oder vielleicht war „Gestalt“ nicht das richtige Wort. Was vor ihm erschien, war anders als alles, was er je gesehen hatte … oder doch?
Die Gestalt des Wesens veränderte sich wie eine Fata Morgana und nahm nie eine eindeutige Form an. Was er erkennen konnte, ähnelte eher einer majestätischen Bestie als einer ihm bekannten menschlichen oder humanoiden Rasse. Aber der Versuch, sich auf seine wahre Gestalt zu konzentrieren, war wie der Versuch, Rauch mit bloßen Händen zu fangen – je mehr er versuchte zu verstehen, was er sah, desto mehr schien es sich seinem Verständnis zu entziehen.
Doch irgendwie, tief in seiner Seele, hatte er das Gefühl, dieses Wesen schon einmal gesehen zu haben, in einem Moment, der in den Tiefen seiner Erinnerung verloren war.
Die Stimme des Wesens hallte erneut wider, jedes Wort trug das Gewicht von Jahrhunderten: „Alex … du hast dich bewiesen … also werde ich dir dieses Mal helfen …“ Es folgte eine bedeutungsschwere Pause. „Aber das hat seinen Preis …“
„Einen hohen Preis …“
Die Worte durchfuhren ihn wie ein Schock. „W-Wovon redest du?“, stammelte er, seine Stimme klang winzig in dem riesigen Raum. „Meinst du, du wirst mich retten? Oder …“ Sein Herz zog sich zusammen, als er an die anderen dachte, die der herannahenden Explosion gegenüberstanden. „… alle?“
Aber das Wesen gab keine Erklärung.
Stattdessen bewegte es sich – oder vielleicht bewegte sich der Raum zwischen ihnen. In einem Moment war es noch weit weg, im nächsten war es über ihm und näherte sich mit unmöglicher Geschwindigkeit. Bevor Alex reagieren konnte, bevor er überhaupt Luft holen konnte, um zu sprechen, brach die Gestalt des Wesens zu einem Punkt aus strahlendem Licht zusammen und schoss direkt auf seine Stirn.
Sein Geist wurde leer.
Alle Gedanken, alle Erinnerungen, jedes Selbstbewusstsein verschwanden in einem weißen Blitz, der alles verschlang. Das Letzte, was er wahrnahm, war das Gefühl einer immensen Kraft, die in ihn strömte, und dann …
wurde alles weiß.
Der Nebel, die Ruinen, sein Bewusstsein – alles löste sich in einem einzigen Punkt aus reinem, strahlendem Licht auf und nahm das Gewicht einer Entscheidung mit sich, die er nicht einmal treffen konnte, und den Nachhall eines Preises, der noch offen war.
In diesem Moment absoluter Weißheit, irgendwo zwischen Leben und Tod, zwischen einer Welt und einer anderen, hörte Alex – oder Adrian – oder wer auch immer er wirklich war – auf, als Individuum zu existieren, und wurde zu etwas völlig anderem.
Das Licht dehnte sich aus, bereit, in die Welt zurückzukehren, die er hinter sich gelassen hatte.
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(A/N: Wir nähern uns dem Ende des Bandes. Das nächste Kapitel wird das letzte sein. Da der Monat heute zu Ende geht, empfehle ich euch, es noch vor Tagesende zu lesen. Es wird in 5 oder 6 Stunden veröffentlicht. Oder sogar noch früher.)