Kalins Stimme ging weiter, voller spöttischer Belustigung, sein Tonfall seidig glatt und doppelt so kalt. „Willst du was Interessantes hören?“
In der Dunkelheit, die ihre Sicht verschluckt hatte, konnte Evangeline nichts anderes tun, als zuzuhören, gefangen von seinen Launen. Jedes Wort, das er sprach, schlang sich um sie wie eine Falle, aus der sie nicht entkommen konnte.
„Na gut, ich erzähle es dir. Schließlich bin ich dein ‚Verbündeter‘, nicht wahr?“ Ein leises, bösartiges Lachen hallte in ihrem Kopf wider. „Nun … wo soll ich anfangen … Er ist … ein ziemlich seltsames Wesen, weißt du? Vielleicht sogar seltsamer als ich selbst.“
Evangeline wurde bei dem Gedanken kalt, Verwirrung und ein Gefühl der Vorahnung überkamen sie. Kalin fuhr fort, seine Stimme wurde zu einem Flüstern, das sich in ihre Knochen zu graben schien. „Oh, ich weiß, wie harmlos er wirkt, manchmal sogar schwach. Aber täusche dich nicht … er ist stärker, als du dir jemals vorstellen kannst. Er ist zu Dingen fähig, von denen du nicht einmal träumen kannst.“
Bilder ihrer Begegnungen blitzten vor ihrem inneren Auge auf – seine seltsamen, verweilenden Blicke, seine Faszination für ihre Kreationen, seine merkwürdigen Reaktionen auf ihre Ambitionen und Ziele. „Was all die kleinen Momente zwischen euch beiden angeht – sein ‚Interesse‘ an deinen Zielen, die Zeit, die ihr zusammen verbracht habt, seine Faszination für dein Labor und deine Kreationen …“
Evangeline spürte, wie sich etwas Eiskaltes und Übelkeit in ihrem Magen zusammenballte, aber sie wagte es nicht, Kalin die Genugtuung zu geben, ihn zu unterbrechen. Er fuhr fort, jedes Wort wie ein Dolch, den sie nicht abwehren konnte.
„Dass er sich in dich ‚verliebt‘ hat … All das …“ Kalin ließ seine Stimme verstummen und lachte dann leise, der Klang triefte vor grausamer Belustigung. „Nun, sagen wir einfach, diese Erfahrungen … gehörten allein dir.“
„Was …?“ flüsterte sie in der Dunkelheit, ihre Stimme kaum hörbar, selbst für sie selbst.
„Oh, amüsant, nicht wahr? Wie jede kleine Interaktion, jedes Lächeln nur für dich bestimmt war? Wie blind du warst, überzeugt davon, dass er deine Realität teilte.“ Sein Lachen wurde lauter, voller, ein Geräusch, das ihr das Gefühl gab, ihr Verstand würde zerbrechen. „Obwohl ich dich bemitleiden muss, liebe Evangeline. Ich gebe zu … dass der kleine Kuss, den ihr euch vorhin gegeben habt, zumindest echt war.
Aber der „Liebling“, den du geküsst hast …“ Seine Worte klangen nach, voller Bosheit: „… war wahrscheinlich nicht derselbe Liebling, für den du ihn gehalten hast.“
Der Boden unter ihr schien zu schwanken, als das ganze Gewicht seiner Worte auf ihr lastete, ihre Bedeutung unergründlich, doch sie zerrte an ihrem Innersten. Sie biss die Zähne zusammen, ihr Kiefer schmerzte von der Anspannung, aber sie blieb still und weigerte sich, ihm die Genugtuung zu geben, sie zusammenbrechen zu hören.
Kalin lachte erneut, erfreut über ihr Schweigen. „Ahh, du bist wirklich erbärmlich“, fuhr er fort und genoss jedes Wort. „Aber jetzt gewähre ich dir einen Platz in der ersten Reihe. Du kannst genauso gut mitansehen, wie ich dein kostbares Meisterwerk verwenden werde.“
Als seine Worte verklangen, zerbrach die pechschwarze Dunkelheit, die ihren Geist erfüllt hatte, und zerfiel wie Glasscherben unter Druck. Licht strömte durch die Risse, ihre Sicht kehrte langsam zurück, bis alles um sie herum in blendendem Weiß erstrahlte und ihr den Atem raubte. Evangeline blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit und ihre Sinne kehrten in die Realität zurück. Erfahrungsberichte im Imperium
Und dann, als sich ihr Blick wieder fokussierte, sah sie es.
Ihre Augen weiteten sich, beide.
„!“
Kalins Stimme hallte in ihrem Kopf wider, ungläubig und erschüttert, und brach den kalten, spöttischen Ton, den er so genossen hatte. „Was – wie …?“
Evangeline fokussierte ihren Blick und ihre Augen weiteten sich, als sich das blendende Weiß in ein scharfes, unerwartetes Bild verwandelte. Dort, vor ihrem gläsernen Sargartefakt, direkt neben ihrem kostbaren Meisterwerk, stand ein junger Mann.
Er hatte kurzes braunes Haar und dunkle, intensive Augen, die auf etwas Kleines, Dunkles und Verdrehtes in seiner Hand gerichtet waren. Das schwarze Auge – Kalins Schöpfung, um ihre Schöpfung zu kontrollieren – lag nun fest in seiner Hand, seine Kraft zu nichts weiter als einer zusammengeballten, nutzlosen Form verdreht.
Sie spürte, wie ihr ein Keuchen in der Kehle stecken blieb, ihr Herz pochte und ein Wort fast gegen ihren Willen herausrutschte. „D-Darling?“
Der junge Mann hob ruckartig den Kopf, sein Blick verhärtete sich, als er sie mit einem kalten, undurchdringlichen Blick fixierte. Einen Moment lang veränderte sich sein Gesichtsausdruck nicht, dann runzelte er leicht die Stirn, irritiert.
„Ich weiß nicht, wie durcheinander dein Kopf ist“, sagte er eiskalt, seine Stimme scharf wie eine Klinge, „aber ich bin nicht dein ‚Liebling‘, okay? Ich habe bereits jemanden, den ich liebe, also nenn mich nie wieder so.“
Evangeline spürte, wie ihr der Atem stockte, als seine Worte sie trafen, eine schmerzhafte Mischung aus Demütigung und niederschmetternder Erkenntnis. Die Zärtlichkeit, die sie gesehen hatte, die Bewunderung, die sie empfunden hatte – alles war nichts als eine Illusion gewesen.
Und jetzt wandte sich ihr „Liebling“, die Person, der sie vertraut und die sie in Gedanken verehrt hatte, von ihr ab. Er sah ihr direkt in das blaue Auge, als wüsste er, dass Kalin zusah.
„Tut mir leid, dass ich deinen Plan ruiniert habe“, murmelte er mit spöttischem Unterton, „eigentlich vergiss es, es tut mir überhaupt nicht leid.“
Die Worte trafen sie wie ein Sturm und ließen sie zwischen Erleichterung und Verzweiflung schwanken.
Erleichterung, dass ihre Schöpfung, ihr Meisterwerk, Kalins widerwärtigem Zugriff entgangen war; aber auch eine erdrückende Traurigkeit, eine Leere, als ihr klar wurde, dass sie von Anfang an manipuliert worden war.
Der Mensch, in den sie sich verliebt hatte, war nichts als eine Projektion, eine hohle, kunstvoll konstruierte Lüge, die sie in ihrer Illusion gefangen halten sollte.
Dann überkam sie ein seltsames, distanziertes Taubheitsgefühl. Ihre Lippen öffneten sich, und obwohl sie nicht sprechen wollte, kam eine Stimme – Kalins Stimme – aus ihrem Mund, kalt und berechnend.
„Hast du wirklich geglaubt, ich hätte keine Gegenmaßnahme vorbereitet?“, fragte die Stimme, die durch sie sprach. Gegen ihren Willen wanderte ihr Blick nach links, ihr Körper drehte sich, während Kalin ihre Bewegungen kontrollierte. Sie sah, wie ihr Arm langsam hochging und ihre Hand auf einen dunklen Schatten am Rand des Raumes zeigte.
Ihr Herz schlug wie wild, als sie ihn erkannte und sich eine Erinnerung zurückbrachte – ein weiterer schwarzer Augapfel, identisch mit dem, den Adrian in der Hand hielt.
Ein Funke der Angst und Klarheit durchzuckte ihren Verstand.
Richtig, es fehlte noch ein Auge.
Und die Richtung, in die „er“ zeigte, war das letzte Puzzleteil, dieser Junge: Aurelius.
Kalins Stimme lachte leise durch sie hindurch, voller Befriedigung. „Mal sehen, wie gut du darauf vorbereitet bist.“