„A-Aria-!“, schrie Adrian, aber seine Stimme war nur in seinem Kopf zu hören.
Das Mädchen, Aria, blieb unbeeindruckt und erhob erneut ihre Stimme, fest und befehlend.
„Halt!“
Ihr Tonfall hatte eine unverkennbare Autorität, und zu Adrians Überraschung blieb der herannahende Windangriff mitten in der Luft stehen und erstarrte nur wenige Zentimeter vor ihrem Körper.
Evangeline riss die Augen auf, für einen Moment von dem plötzlichen Stopp überrascht. Aber ihre Überraschung wich schnell einer kalten Entschlossenheit.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen, und mit einer weiteren Handbewegung entflammte unter Aria ein Feuer, das sie augenblicklich vollständig verschlang.
„Hmph.“
Evangeline grinste noch breiter, während sie auf Adrian blieb, überzeugt davon, dass die Störung beseitigt war. Die Hitze ihrer Flammen leckte an der Luft um Aria herum und hüllte sie in ein Feuer ein, das sie zu Asche hätte verwandeln müssen. Doch irgendetwas stimmte nicht.
Das Feuer bewegte sich nicht.
Nein – Aria bewegte sich.
Langsam, bedächtig trat sie vor, die Flammen hingen immer noch an ihr und Noxy, aber sie waren wie erstarrt, so wie zuvor der Wind. Ihr Blick war kalt und unerschütterlich, als sie Evangeline direkt ansah, ihre Augen glühten vor unheimlicher Entschlossenheit.
Evangeline riss die Augen auf, echte Verwirrung huschte über ihr Gesicht. Sie hatte einen 4,5-Sterne-Feuerzauber gewirkt, einen Zauber, der selbst Mondweise in Sekundenschnelle verbrennen konnte. Aber hier stand dieses Mädchen und ging durch das Inferno, als wäre es eine leichte Brise, unversehrt.
„Wie …?“, murmelte Evangeline, ihre Stimme verriet einen Hauch von Unglauben.
Arias Blick huschte kurz zu Adrian, der immer noch unter Evangeline lag, regungslos, die Augen vor Schock weit aufgerissen. Ein Ausdruck von Emotionen huschte über Arias kaltes Gesicht – ein kurzes Aufblitzen von Besorgnis, von Beschützerinstinkt. Aber als ihr Blick wieder auf Evangeline fiel, wurde er erneut hart und eisig.
„Lass meinen Mann los“, sagte Aria mit scharfer Stimme, die wie ein Messer durch die angespannte Luft schnitt. „Du verrückte Hexe.“
Evangeline zuckte mit den Lippen, die Dreistigkeit dieser Worte entfachte eine neue Welle der Wut in ihr.
„Ihr Mann?“
Wie konnte sie es wagen! Er gehörte ihr – ihr Wohltäter, ihre Stütze, ihre Liebe. Sie hatte um ihn gekämpft, ihn geküsst, war nur noch wenige Schritte davon entfernt gewesen, mit ihm zusammen zu sein! Und jetzt nannte diese freche Göre ihn ihren?
Evangeline explodierte vor Wut, ihre Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen. „Hau ab, du kleine Schlampe“, spuckte sie, ihre Stimme triefte vor Gift. „Er ist mein Mann.“
Adrian, immer noch wie gelähmt, konnte sich eines seltsamen Gefühls der Ungläubigkeit nicht erwehren.
Passierte das wirklich?
Viele würden sich geschmeichelt fühlen – vielleicht sogar glücklich –, wenn zwei unglaublich schöne Frauen um sie streiten würden. Aber Adrian? Er wollte das nicht. Das war überhaupt nicht das, was er wollte. Er liebte bereits jemanden, er liebte Aria, nur sie allein.
Ganz zu schweigen davon, dass die ganze Situation nicht nur unangenehm, sondern auch unglaublich peinlich war.
„Nein, hör auf. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.“
Adrian biss die Zähne zusammen und schüttelte die ablenkenden Gedanken ab.
Sie mussten hier weg. Aria, nein, alle drei mussten schnell hier raus.
Er spürte, wie Evangeline mit ihrer Macht oder ihrem Gift auf ihn drückte, aber es gab noch eine Chance – eine einzige Chance. Er musste nur genug Kraft sammeln, um zu handeln.
„Alles oder nichts“, dachte Adrian. Er konzentrierte sich auf sich selbst und bereitete sich auf seinen mächtigsten Zauber vor, den einzigen, der ihnen vielleicht noch etwas Zeit verschaffen konnte.
Währenddessen standen Aria und Evangeline sich gegenüber, die Luft zwischen ihnen war voller Feindseligkeit. Evangelines Hand zuckte, ihre Finger knisterten vor Äther, als sie sich darauf vorbereitete, einen mächtigen Zauber zu entfesseln, der das Mädchen vor ihr vernichten würde.
Arias Gesichtsausdruck blieb eisig, unerschütterlich, aber ihre Augen glänzten gefährlich, bereit, alles zu kontern, was Evangeline ihr entgegenwarf.
Doch bevor eine von beiden handeln konnte, brach hinter Evangeline ein blendendes Licht hervor.
Das Licht war rein, strahlend und alles umhüllend.
Es flutete den Raum, hüllte alles in seinen Schein und ließ alle Farben und Geräusche verschwinden. Evangeline wich zurück, ihre Sicht war von der gleißenden Helligkeit völlig überwältigt. Sie konnte nichts mehr wahrnehmen – weder sehen noch hören. Alles wurde von der Intensität des Lichts übertönt.
Und in diesem Moment bewegte sich Adrian.
Die Energiewelle seines Bright hatte Evangelines Einfluss auf ihn oder was auch immer sie mit ihm gemacht hatte, gebrochen, und im Handumdrehen verschwand er unter ihr.
Evangeline blinzelte und versuchte, sich zu orientieren, aber das Licht war zu überwältigend, zu verwirrend. Für einige Momente blieb sie in der weißen Leere zurück, unfähig, etwas zu sehen oder zu spüren.
Dann, genauso plötzlich wie es gekommen war, begann das Licht zu verblassen.
Evangeline kniff die Augen zusammen, als der Raum wieder normal wurde und die drückende Helligkeit nachließ. Ihr Herz pochte in ihrer Brust, während sie schnell die Umgebung absuchte. Aber ihre Wut stieg, als sie merkte, dass sowohl Adrian als auch Aria verschwunden waren.
„Verdammt!“, zischte Evangeline und biss die Zähne zusammen. Sie war so nah dran gewesen – so nah daran, ihn für sich zu gewinnen, ihre Liebe und ihre Position zu festigen. Aber jetzt waren beide wie vom Erdboden verschluckt.
„Diese Schlampe!“
Ihre Augen blitzten vor Wut, als sie allein in dem nun leeren Raum stand.
Ihr Atem ging schneller, ihre Brust hob und senkte sich mit jedem unregelmäßigen Atemzug, während die Wut in ihr brodelte.
Ihre Augen leuchteten schwarz, und plötzlich veränderte sich ihre Umgebung – die gesamte Valerian Hall – in ihrem Kopf. Es war, als könnte sie alles auf einmal sehen: eine perfekt detaillierte dreidimensionale Karte, jede Person, jeden Gegenstand, jede Ecke des Gebäudes, die in ihrem geistigen Auge lebhaft beleuchtet waren.
Sie suchte den Raum ab, auf der Suche nach einer Spur von Aria, ihre Wut schärfte ihre Sinne. Aber etwas anderes zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, eine Welle in der Luft, die in ihrem Kopf Alarmglocken läuten ließ.
Ihre leuchtenden Augen weiteten sich vor Schreck, als sie drei Gestalten bemerkte, die sich schnell in Richtung der oberen Stockwerke der Valerian Hall bewegten. Sie trugen drei weitere Personen, deren leblose Körper sofort erkennbar waren.
Ihre „Schwestern“.
Und dieser Junge.
Das letzte Teil.
„Nein …“, flüsterte sie, das Wort zitterte auf ihren Lippen.
In einem Augenblick verwandelte sich ihre Wut in etwas viel Dunkleres. Eine mächtige Welle von Aura explodierte aus ihr heraus und ließ den Boden unter ihren Füßen bersten, während die schiere Kraft ihrer Energie durch den Raum hallte. Der einst elegante Raum bebte unter dem Gewicht ihrer Macht.
Ohne einen weiteren Moment zu verschwenden, verschwand sie.
Sie würde ihr Meisterwerk vollenden und dann, dann würde sie mit ihrem Mann zusammen sein, egal was passierte.