Ein leises Summen hallte durch den schwach beleuchteten Raum, ein Rhythmus tiefer Konzentration.
In der Mitte saß Z’yna im Lotussitz, ihr Körper unnatürlich still, ihr Geist weit jenseits der physischen Welt. Ihre goldenen Pupillen schimmerten schwach, doch ihr Blick blieb nach innen gerichtet, unbeeindruckt von der Welt um sie herum.
Neben ihr lag die Königin der Natur auf dem Bett, ihr langes, wallendes smaragdgrünes Haar fiel wie eine Kaskade von Weinreben über die Seidenlaken. Sie beobachtete Z’yna mit einem wissenden Lächeln – sie beobachtete nicht nur sie, sondern alles.
Dann wellte sich das Portal in der Ecke des Raumes.
Eine Sekunde später trat Ryzel hindurch, das Portal hinter ihm flackerte einmal und schloss sich dann wie eine versiegelte Wunde.
„Es ist erledigt“, begann Ryzel zu berichten. „Ich habe die beiden ‚Opfer‘ wie befohlen in Sicherheit gebracht.“
Z’yna antwortete nicht sofort. Stattdessen stieß sie ein nachdenkliches „Hmmm“ aus, während ihre Finger leicht über ihrem Knie zuckten. Nach einem Moment murmelte sie: „Die anderen haben die Überquerung ebenfalls abgeschlossen … Sie sind in Position.“
Das Lächeln der Königin der Natur vertiefte sich, als sie leise hinzufügte: „Und sie bleiben unbemerkt. Es besteht auch keine Gefahr.“
Ryzel atmete durch die Nase aus und wandte seinen Blick seiner Schwester zu. „Also“, fragte er und neigte leicht den Kopf, „öffnest du jetzt das Dimensionsportal?“
Z’yna bewegte sich endlich, hob leicht das Kinn und ihre Lippen formten ein kleines, zuversichtliches Lächeln. „Ja“, sagte sie.
„Stört mich nicht – und beschützt mich währenddessen.“
Ryzel nickte entschlossen und trat zurück in eine defensive Haltung. Die Stimme der Königin der Natur klang wie eine sanfte Brise, als sie beide beruhigte: „Ihr habt nichts zu befürchten. Nicht, solange ich hier bin.“
Z’yna atmete langsam aus. Ihre Schultern entspannten sich und sie schloss die Augen.
Dunkelheit.
Eine Weile lang blieb ihr Blickfeld leer.
Dann, in einem Augenblick, veränderte sich alles.
Vor ihrem geistigen Auge entfaltete sich eine riesige, dreidimensionale Karte – eine endlose, wirbelnde Weite aus Galaxien und Sternen. Ferne Sterne und Welten pulsierten sanft und waren durch unsichtbare Energielinien miteinander verbunden. Sie navigierte mit hoher Geschwindigkeit durch die Leere, ihr Bewusstsein bewegte sich durch den grenzenlosen Kosmos, als wäre es ihre zweite Natur.
Dann sah sie es.
Einen Planeten, der von einer dicken, weißen, kokonartigen Barriere umgeben war und vor unterdrückter Kraft pulsierte. Zackige schwarze und rote Risse zogen sich über seine Oberfläche, Adern der Verderbnis breiteten sich wie eiternde Wunden aus.
Er war zerbrechlich.
Verwundet.
Er war ihr Ziel.
Dies war seine Welt.
Z’ynas goldene Augen flogen auf, und das himmlische Bild spiegelte sich in ihnen wie Miniaturgalaxien, die in ihren Iris gefangen waren. Sie hob die Hände und krümmte die Finger, als würde sie etwas Unsichtbares umklammern. Langsam und bedächtig begann sie, den Raum selbst zu zerreißen.
Eine Welle bildete sich.
Eine schwache Verzerrung.
Der Raum bebte.
Die Luft wurde schwer, als sich die Verzerrung ausweitete und sich zu einem Wirbel aus wirbelnder Energie verdrehte.
Er wirbelte, wurde dichter, seine Farben vertieften sich zu einem Abgrund von unendlicher Tiefe. Minuten vergingen, das Portal dehnte sich aus, bis –
es fertig war.
Z’yna atmete scharf aus, als ihr Körper plötzlich erschlaffte. Bevor sie zusammenbrechen konnte, sprossen weiche, lebende Ranken aus dem Boden, die sie sanft auffingen und in ihrer Umarmung wiegten.
„Da“, murmelte Queen, als sie sie auffing.
„Du hast es geschafft, Schwester“, flüsterte Ryzel und starrte auf das erfolgreich geöffnete Portal.
Z’yna blieb in den Ranken eingebettet, ihr Gesichtsausdruck war unlesbar, als sie ein leises „Hmmm“ von sich gab. Ein paar Sekunden vergingen, ihre goldenen Pupillen schimmerten schwach, bevor sie sprach.
„Sie kommen. Macht euch bereit.“
Auf ihre Worte hin hob die Königin der Natur ihre Hand, und ein schwaches grünes Leuchten umhüllte ihre Gestalt. Ryzel blieb regungslos stehen und beobachtete die Verwandlung mit scharfem Blick. Im Handumdrehen verwandelte sich die ätherische Schönheit der Königin in etwas Menschlicheres – ihr smaragdgrünes Haar wurde dunkelbraun, ihre spitzen Ohren wurden stumpfer und nahmen eine menschliche Rundung an.
Z’yna machte es ihr nach, ihre Verwandlung verlief nahtlos, ihre drachenartigen Züge wichen einer menschlichen Gestalt. Nur Sekunden später pulsierte die Luft im Raum.
Aus dem wirbelnden Strudel trat ein einzelnes Bein hervor – fest und gelassen. Dann die Hälfte eines Körpers.
Schließlich tauchte die gesamte Gestalt auf.
Es war Adrian.
Er trug schwarze Kampfkleidung, deren Stoff sowohl auf Beweglichkeit als auch auf Strapazierfähigkeit ausgelegt war.
Sein ruhiger Blick wanderte durch den Raum, nahm die ungewohnte Umgebung in sich auf, bevor er auf das Trio vor ihm fiel. Er nickte kurz, um sie zu begrüßen.
Ryzel riss die Augen leicht auf.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er das Gefühl, einen Geist zu sehen – einen, der vor nicht allzu langer Zeit vor seinen Augen verschwunden war. Aber das Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war. Er atmete leise aus und beherrschte seine anfängliche Überraschung.
Währenddessen beobachteten Z’yna und die Königin der Natur Aurelius mit neugierigen, unlesbaren Blicken. Sie tauschten einen kurzen Blick aus, ohne jedoch ihre Gedanken zu verraten.
Die Königin war eher verwirrt als neugierig – wenn das der Echte war, wer hatte dann an jenem Tag das Mädchen entführt? Waren sie ein und dieselbe Person oder …
„Ugh … Warum gibt es so viele Adrians?“
Das Portal wirbelte erneut und eine weitere Gestalt folgte – es war Aurelius.
Wie Adrian trug er eine elegante, kampfbereite Kleidung, deren dunkler Stoff seine scharfen Gesichtszüge dezent betonte. Sein Gesichtsausdruck war gelassen, doch in seinen blauen Augen blitzte eine Spur von Wachsamkeit auf, als er die Anwesenden im Raum musterte.
„Schön, euch zu sehen.“
Das Portal pulsierte erneut.
Weitere Gestalten traten hindurch – eine nach der anderen, und ihre Zahl wuchs schnell.
Innerhalb weniger Augenblicke war der zuvor ruhige Raum mit fünfzehn Menschen gefüllt, alle jung, aber kampferprobt, ihre Körperhaltung angespannt vor Erwartung. Die meisten trugen von der Akademie ausgegebene Kampfausrüstung, deren Uniformen auf ihren Rang und Status zugeschnitten waren.
Unter ihnen stachen zwei Gestalten besonders hervor.
Cedric Lightbringer.
Claire Stormrider.
Das stärkste Duo des aktuellen vierten Jahrgangs.
Z’ynas Blick wanderte über die versammelte Gruppe, bevor sie fragte: „Sind das alle?“
Aurelius schüttelte den Kopf. „Nein. Es kommt noch einer …“
Bevor er seinen Satz beenden konnte, flackerte das Portal erneut.
Eine silberhaarige Gestalt trat hindurch, ihre Bewegungen fließend und mühelos.
Aria.
In dem Moment, als ihre Füße festen Boden berührten, hallte ein schwacher Impuls durch den Raum, fast unmerklich – außer für diejenigen, die für solche Dinge empfänglich waren.
Aurelius blickte zurück und beendete seinen Satz mit einem verlegenen Lächeln. „Jetzt ist niemand mehr da.“
Z’yna hielt seinen Blick einen Moment lang fest, bevor sie nickte.
Langsam und bedächtig hob sie erneut ihre Hände.
Das wirbelnde Portal begann zu schrumpfen, die kosmischen Energien drehten sich nach innen, als würden sie wieder in das Gewebe der Realität selbst eingewoben. Der Vorgang verlief allmählich und nahtlos, und die schiere Kontrolle darüber löste bei vielen der Neuankömmlingen leise Ausdrücke der Ehrfurcht aus.
Außer bei Adrian und Aria.
Sie sahen nur schweigend zu.
Und dann –
Mit einem letzten Puls verschwand das Portal.