Diese Erkenntnis hinterließ einen bitteren Geschmack in seinem Mund.
„Verdammt, ich bezahle für etwas, das ich nicht gegessen habe …“
„Aber wer könnte das gewesen sein?“, murmelte Adrian leise, sodass seine Stimme in der bedrückenden Stille des Waldes kaum zu hören war. Instinktiv fuhr seine Hand über den Griff seines Dolches, als wolle er Kraft aus dem kalten Stahl schöpfen.
Er hatte sich diese Frage schon hundert Mal gestellt, aber die Antwort blieb ihm weiterhin verborgen. Wer auch immer dieser Betrüger war, er imitierte ihn nicht nur. Er löschte ihn aus. Schritt für Schritt überschrieb er seine Existenz. Jede Vision, die er gesehen hatte, jede Handlung, die ihm hätte gehören sollen – alles fühlte sich an, als würde ein Teil seiner Identität zwischen seinen Fingern zerfließen.
Und nur eine Person konnte so etwas tun …
Die einzig mögliche Antwort hatte sich bereits in seinem Kopf gebildet.
Vor langer Zeit, in dem Moment, als ihm klar wurde, dass nicht er es war, der in diesen Visionen lebte.
Das war der erste Gedanke, der ihm in den Sinn kam.
„Das kann doch nicht … wirklich er sein?“
„… Oder?“
„…“
Er holte tief Luft und lachte leise.
„Wenn das so ist …“
„Wäre dann nicht ich der Betrüger?“
„…“
„Verdammt …“
„…“
„Na ja, egal. Ich mochte es sowieso nicht, ‚er‘ zu sein …“
„Ein Statist ohne echte Macht.“
„Na und, wenn er die Fähigkeit hat, in die Zukunft zu sehen?“
„Kann er seinen eigenen Tod sehen?“
„Wenn ja, kann er ihn verhindern? Hat er die Macht dazu?“
„Nein!“
„Er ist verdammt schwach, er kann nicht mal vor der Gefahr weglaufen, verdammt.“
„…“
„Was bringt es, es so oft zu versuchen…“
„…“
„Hmm…“
„Huf…“
„Hmm…“
„Huf…“
Adrian – oder besser gesagt Alex – stand still da, atmete unregelmäßig und ballte die Hände zu Fäusten. Die Emotionen, die wie ein Sturm durch ihn hindurchfegten, begannen endlich abzuklingen, als er die Augen schloss und sich auf die kalte Luft konzentrierte, die sein Gesicht streifte.
Er atmete tief ein, ließ den erdigen Duft des Waldes seine Lungen füllen und atmete dann langsam aus.
„Was auch immer“, murmelte er leise, während trotz der Unruhe, die noch unter der Oberfläche brodelte, ein Grinsen um seine Lippen spielte. „Ich werde ihn sowieso bald treffen. Und wenn wir uns sehen … werde ich endlich die Antworten bekommen, nach denen ich gesucht habe. Die Antworten, die mich schon so lange verfolgen.“
Seine Stimme sank fast zu einem Flüstern, in der Mischung aus Neugier und Bitterkeit.
„Zum Beispiel, warum bin ich ‚er‘? Wer ist er wirklich? Ist er der echte Adrian? Und vor allem …“ Alex‘ Augen verdunkelten sich, sein Grinsen verschwand, als seine Hand über den Griff seines Dolches strich. „Warum zum Teufel bin ich er geworden?“
„Es ist bestimmt nicht, weil ich den Rest der Geschichte lesen wollte… oder?“
Für einen Moment war es wieder still im Wald, und das Gewicht seiner Fragen lastete schwer auf ihm. Er lachte trocken und schüttelte den Kopf. „Ja, klar. Er sollte mich besser nicht enttäuschen…“
Alex‘ Gedanken wanderten ab, und er fand einen bitteren Spaß daran, etwas Unsichtbares anzusprechen.
„… So wie du, du weißes, entzückendes Ding“, spottete er leise, seine Lippen zu einem sarkastischen Grinsen verzogen.
Seine innere Stimme klang neckisch, aber es kam keine Antwort.
„Klar. Du redest nicht gern, wenn es nicht wichtig ist, was? Mein Fehler. Ich hab vergessen, dass ich – oder meine Probleme – dir nicht wichtig sind.“
Sein Grinsen wurde weicher und verwandelte sich in etwas Resigniertes, während seine Frustration langsam verschwand.
Die Stille hielt an, aber Alex drängte nicht weiter. Er hatte immer die Grenzen seines Gegenübers gekannt. Diese unerschütterliche Präsenz im Hinterkopf, die immer da war, sich aber selten einmischte.
„Okay …“, murmelte Alex und holte noch einmal tief Luft. Er richtete sich auf, sein Gesichtsausdruck war nun ruhig und gelassen.
„Jetzt, wo ich mich beruhigt habe, ist es Zeit, sich zu konzentrieren. Schließlich gibt es noch eine Mission zu erfüllen.“
Sein Tonfall klang leicht selbstironisch, aber in seinen Augen brannte Entschlossenheit, als er fortfuhr. „Diese Welt muss gerettet werden. Jemand muss verhindern, dass sie zerstört wird, oder? Und du hast mir gesagt, ich soll es tun …“
Ein einziges Wort hallte in seinem Kopf wider, leise, aber entschlossen.
„Ja.“
Die Stimme gehörte nicht ihm, aber sie kam ihm bekannt vor – kalt, distanziert und doch irgendwie beruhigend in ihrer Gewissheit.
Sie war immer da gewesen, seit dem Moment, als er dem Vertrag oder wie auch immer man das nennen sollte, „zugestimmt“ hatte.
Alex lachte leise und schüttelte amüsiert den Kopf. „Natürlich würdest du jetzt antworten“, murmelte er und verzog die Lippen zu einem leichten Grinsen.
Nachdem er sich endlich entschieden hatte, rückte er die Kapuze seiner schwarzen Robe zurecht und richtete seinen Blick auf das Herz des Waldes. Der Weg vor ihm war schattig und unheimlich, aber sein Ziel war klar.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, machte sich Alex mit festen, entschlossenen Schritten auf den Weg. Er brauchte keine Chrono-Vision, um zu wissen, dass ihn im Herzen des Waldes keine gewöhnliche Begegnung erwartete.
Das Ereignis würde dort stattfinden.
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Black Star City – Black Star Castle.
Das Black Star Castle ragte wie ein lebender Schatten über der Stadt empor, seine Türme durchbohrten den ewig bewölkten Himmel. In seinen riesigen, verlassenen Hallen herrschte völlige Dunkelheit. Die einzige Lichtquelle war ein schwaches rotes Leuchten, das vom Thron in der Mitte der Haupthalle ausging.
Der Herr von Black Star saß auf dem Thron und starrte mit kalten, rot glühenden Augen auf den riesigen Bildschirm vor sich. Das flackernde Bild zeigte das dichte Grün des Elfenwaldes, dessen leuchtende Farben einen starken Kontrast zur finsteren Dunkelheit des Raumes bildeten.
Er sah schweigend zu und trommelte mit seinen scharfen, krallenartigen Fingern rhythmisch auf die Armlehne seines Throns. Das Bild wechselte und folgte einer schwarz gekleideten Gestalt, die sich durch den Wald bewegte.
Das leichte Grinsen um seine Lippen deutete auf Belustigung hin, aber seine leuchtenden Augen verrieten etwas weitaus Berechnenderes.
„Du versuchst zu rebellieren, was?“, murmelte er mit tiefer, eiskalter Stimme, die durch den leeren Saal hallte. Ein kaltes Lachen folgte, als er sich nach vorne beugte und seine Finger über das in den Thron eingelassene Bedienfeld tanzten.
Der Bildschirm reagierte sofort, die Ansicht verschob sich und zoomte, während der Black Star Lord das Bild manipulierte. Das dichte Laubwerk und die labyrinthartigen Pfade des Waldes wichen einer großen Lichtung, einer natürlichen Fläche, die vor Leben zu pulsieren schien.
Es war ein Herz – ein Herz, das in den Wald selbst geschnitzt war. Alte Baumgebäude standen stolz inmitten der Lichtung, ihre Strukturen mit der Natur verflochten, während uralte Statuen wie Wächter eines heiligen Heiligtums aufragten.
Der Black Star Lord grinste noch breiter, als er sich auf die Lichtung konzentrierte. Mit einer Handbewegung zoomte der Bildschirm weiter heran und blieb genau in der Mitte der herzförmigen Lichtung stehen.
Und da war sie.
Die Königin der Natur.
Ihre Gestalt strahlte eine ätherische Schönheit aus, ihre Haut hatte einen leuchtenden Grünton, der wie Sonnenlicht durch ein Blätterdach schimmerte. Ihr Haar fiel wie Weinreben herab und war mit Blüten geschmückt, die mit jedem Atemzug zu blühen schienen. Ihre Augen waren tief und wissend und leuchteten schwach, als ob sie die Essenz des Waldes selbst enthielten.
Sie war kein gewöhnliches Wesen. Sie war die Erste Elfe – die uralte Königin des Waldes und sein unsterbliches Herz.
Der Gesichtsausdruck des Schwarzen Sternenlords verdüsterte sich, seine Belustigung wich kalter Entschlossenheit.
„Wie kurios“, murmelte er und lehnte sich in seinem Thron zurück. Seine leuchtend roten Augen verengten sich, während er sie musterte und in seinem Kopf bereits Strategien ausarbeitete.
„Mal sehen, wie lange du deinen kostbaren Wald beschützen kannst … Königin der Natur.“
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Mit einem letzten Klick blieb das Bild auf ihr stehen. Der Black Star Lord beugte sich vor, legte sein Kinn auf seine gefalteten Hände und sein kaltes Lachen hallte erneut durch die Dunkelheit.
„Schließlich bist du das wahre Ziel der Jagd …“